Energiespeicherung im Gebäudebereich entwickelt sich rasant

Wende von unten

Die Schweizer Energieversorgung wird durch alternative Energiequellen flexibler, aber auch unbeständiger. Um die Schwankungen auszugleichen, sind neue Energiespeicher nötig, insbesondere für Strom oder Gas. Einige dieser Lösungen eignen sich auch für Baugenossenschaften – und die Zukunft verspricht noch mehr.

Von Michael Staub | Oktober 2016

Lange Zeit ruhte die Schweizer Energieversorgung auf der sogenannten Bandenergie. Tag und Nacht produzierten die fünf Atomkraftwerke sowie zahlreiche Grosswasserkraftwerke die elektrische Grundlast. Zu Spitzenzeiten, etwa um den Mittag, wurde zusätzlicher Strom produziert. Damit wird vermutlich schon bald Schluss sein. Denn die Energiestrategie 2050 des Bundes sieht vor, die Bandenergie der Grosskraftwerke zu einem grossen Teil durch erneuerbare Energiequellen abzulösen. Die Stromproduktion in Photovoltaik-( PV-), Wind- und Biogasanlagen ist allerdings stark schwankend. So liefern etwa PV- Anlagen am meisten Strom, wenn die Sonne im Zenit steht, und der Ertrag im Sommerhalbjahr ist markant höher als im Winter. Auch Wolkenfelder oder plötzliche Aufklarung können zu starken Leistungsschwankungen führen. Um diese abzufangen und die nötige Grundlast sicherzustellen, braucht es Veränderungen im Netz. Ein möglicher Ansatz dafür ist das sogenannte Smart Grid. Das schlaue Stromnetz soll bidirektional funktionieren. So könnten zum Beispiel Gebäude mit einer PV-Anlage nicht nur Strom einspeisen, sondern auch beziehen, und zwar genau so flexibel, wie es das Stromnetz gerade benötigt. Ein solcher Umbau verlangt jedoch enorme Investitionen, und so darf man bezweifeln, dass das Smart Grid je schweizweit realisiert wird. Eine Alternative, die unter anderem in Deutschland mit Subventionen gefördert wird, ist der Zubau von dezentraler Speicherkapazität. Insbesondere private Batteriespeicher für PV-Anlagen erhalten beträchtliche Zuschüsse. Die «Speicherwende », die in der hiesigen Diskussion oft als unmöglich und unbezahlbar dargestellt wird, scheint also durchaus möglich. Und wie das Beispiel Deutschland zeigt, ist auch eine «Wende von unten» möglich. Das heisst, Private oder auch Baugenossenschaften können die Energiewende selber vorantreiben, statt auf die hypothetische Lösung aller Probleme durch ein Smart Grid zu warten.

Vom Dach in den Keller

Seit einigen Jahren ist die Sonnenbatterie auf dem Markt. Der Batteriespeicher wird an eine PV-Anlage angeschlossen und mit Sonnenstrom aufgeladen. Nach Sonnenuntergang steht der gespeicherte Strom für den Eigenverbrauch zur Verfügung. «Die Sonnen GmbH zählt derzeit etwa 13 000 aktive Systeme, davon sind rund 100 in der Schweiz installiert», sagt Speicherspezialist Andreas Jungo von der Helion Solar AG, einem der grössten Player im Schweizer Solarmarkt. Die Motive der Sonnenbatteriekunden sind vielfältig: Manchen gehe es um die Vollendung ihrer PV-Anlage, wie Andreas Jungo sagt. «Andere möchten ihren selbst erzeugten Strom besser nutzen, statt ihn an das Elektrizitätswerk zu verschenken, und einige nutzen die Sonnenbatterie auch für die nahezu autarke Stromversorgung.» Die von Helion vertriebene Sonnenbatterie wurde bisher nur in Einfamilienhäusern eingebaut. Doch schon bald könnte die Technik auch für Baugenossenschaften geeignet sein. «Im Oktober kommt die Sonnenbatterie pro auf den Schweizer Markt. Mit 24 oder 48 Kilowattstunden Speicherkapazität ist dieses Modell auch für KMU oder Mehrfamilienhäuser interessant», sagt Andreas Jungo. Der Anschaffungspreis für ein Modell mit 20 Kilowattstunden Kapazität beträgt derzeit etwa 35 000 Franken inklusive Installation. Bisher war es für Speicherbesitzer schwierig, den Break-even zu erreichen, denn die Schweizer Strompreise sind seit Jahren im Keller.

Sonnenbatterien speichern PV-Strom vor Ort. Wurden sie bisher vor allem in Einfamilienhäusern eingesetzt, gibt es jetzt auch Modelle für grössere Gebäude.

Bidirektionales Netz und Batterien

Jedoch wird im Herbstquartal 2016 die Schweizer Sonnen-Community gestartet. Damit können die Eigentümer von Sonnenbatterien am sogenannten Regelenergiemarkt teilnehmen. Dieser hilft, kurzfristige Schwankungen im Stromnetz auszugleichen. Kooperationspartner der Sonnen-Community ist Swisscom Energy Solutions. Das Unternehmen bietet die nötige Technik, damit zum Beispiel überschüssiger Strom an private Nachtspeicherheizungen oder Wärmepumpen abgegeben wird. Schon heute sind an diesem Netz rund 6500 private Anlagen angeschlossen. Die Sonnenbatterien wird man sogar bidirektional nutzen können: Ist im Netz zu viel Strom vorhanden, wird er zum Laden verwendet, gibt es kurzfristige Engpässe, kann «Reservestrom» aus den vielen vernetzten Batterien bezogen werden. Dieser flexible Umgang mit überschüssigem Strom ist dank deutlichen Fortschritten in der Batterietechnik möglich geworden. So propagiert etwa der Elektrofahrzeughersteller Tesla seine neue Powerwall. Diese Batterie wird tagsüber mit PV-Strom gespeist und nachts zum Aufladen der Fahrzeugbatterien genutzt. Vergleichbare Lösungen waren schon bisher mit Sonnenbatterien möglich, allerdings wird Tesla die Integration der zwei Systeme wohl deutlich weiter treiben. Einen bidirektionalen Ansatz, also den Stromtransfer in beide Richtungen, verfolgt Mitsubishi. Seine «vehicle to building»- Technik verbindet die Fahrzeugbatterien mit dem Gebäudestromnetz. Je nach Kapazität und Strompreis wird die Autobatterie mit billigem Strom geladen oder speist zum Beispiel den Kühlschrank und die Leseleuchte. Gar um Regelenergie, also das Ausgleichen von Leistungsspitzen im Stromnetz, geht es bei der Hamburger Firma Lichtblick. Unter dem Namen Schwarmbatterie schaltet sie zahlreiche Fahrzeugbatterien zu einem virtuellen Pool zusammen. Je nach Netzzustand gilt dann: Geben ist seliger denn nehmen – oder gerade umgekehrt. Vergleichbar mit der Sonnen- Community werden also auch hier viele kleine Batterien zu einem grossen Pufferspeicher zusammengeschlossen.

Mobilität dank «Sonnengas»

Batterien sind nicht die einzige Speichermöglichkeit für elektrische Energie. Mit dem Begriff «Power-to-Gas» (PtG) bezeichnet man Verfahren zur Umwandlung von überschüssigem Strom in synthetisches Gas. Mittels Elektrolyse kann Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten werden (Power-to-Hydrogen, PtH). Fügt man dem so gewonnenen Wasserstoff in einem Reaktor noch CO2 zu, entsteht Methan (Power-to-Methane, PtM). Wasserstoff wie Methan eignen sich zum Betrieb von Fahrzeugen. «Die Produktion von Wasserstoff ist einfach, seine weitere Verwendung aber aufwändig. Methan kann dagegen problemlos in das bestehende Erdgasnetz eingespeist werden», erläutert Markus Friedl, Professor für Thermound Fluiddynamik an der Hochschule Rapperswil (HSR). Friedl gehört zum HSR-Team, das seit 2014 eine PtM-Pilotanlage betreibt. Das für die Methanherstellung notwendige CO2 gewinnen die Forscher aus der Umgebungsluft – also unter anderem aus den Abgasen von Benzin- oder Dieselmotoren. «Die Power-to-Methane-Technik ist technisch reif, um im grossen Massstab eingesetzt zu werden», sagt Markus Friedl. In zwei bis drei Jahren könnte in der Schweiz nach seiner Einschätzung bereits die erste grosse PtG-Anlage betrieben werden. Das PtM-Verfahren könne auch für Siedlungen eine interessante Option sein, meint der Forscher. So könnten sich etwa Baugenossenschaften mit bestehenden oder geplanten PV-Anlagen an der Methanherstellung beteiligen. Der von ihnen gelieferte Solarstrom würde dann beispielsweise für die Elektrolyse verwendet. Für den wirtschaftlichen Betrieb von PtG-Anlagen brauche es gemäss dem Experten allerdings genügend Betriebsstunden: «Falls man die Anlage lediglich aus einer einzelnen PV-Anlage speist, erreicht man nur etwa 1000 Volllaststunden. Das ist noch sehr weit von der Rentabilität entfernt.» Eine interessante Alternative für die Betreiber solcher PV-Anlagen sei jedoch die Beteiligung an einem virtuellen Kraftwerk.

Kleinvieh macht auch Mist

Virtuelle Kraftwerke bestehen aus zahlreichen einzelnen Stromerzeugern, häufig PV-Anlagen, die mittels Software zu einer einzigen Anlage gebündelt werden. Ein Beispiel dafür ist die Fleco Power AG im Thurgau, eine Tochtergesellschaft der Genossenschaft Ökostrom Schweiz und der MBRsolar AG. Wenn Baugenossenschaften sich nun einem virtuellen Kraftwerk anschliessen und mit ihrem Überschussstrom Gas produzieren, können sie dieses anschliessend für die Mobilität nutzen. Je nach Modell könnten Baugenossenschaften also ihren PVStrom für die Gassynthese verkaufen und/oder Gas für eigene Fahrzeuge beziehen. Die Umwandlung von Strom in Gas ist auch in Dübendorf ein Thema. Doch der «Energy Hub (ehub)» der Empa kann noch viel mehr. Er ist eine Schaltzentrale im Untergeschoss der Forschungs- und Innovationsplattform «Nest», eines kühnen Neubaus, der im Sommer 2016 eröffnet worden ist. Bis zu 15 verschiedene bewohnte Forschungsmodule, sogenannte Units, finden im Nest Platz. Jede Unit ist anders gestaltet und besitzt individuelle energetische Vor- und Nachteile. Damit simuliert das ungewöhnliche Gebäude ein Quartier in der Vertikalen.

Die Power-to-Gas-Technologie hat viel Potenzial; Überflussstrom kann in Gasform gespeichert und zum Beispiel für Mobilität genutzt werden.

Drehscheibe im Keller

Hier kommt der «ehub» ins Spiel. Er umfasst derzeit eine Wärmepumpe für die Heizwärmeversorgung sowie Batterien und Superkondensatoren für die kurzfristige Speicherung von Elektrizität. Im Herbst wird zudem ein Eisspeicher in Betrieb genommen. Als energetische Drehscheibe zwischen den verschiedenen Nest-Modulen soll der «ehub» eine optimierte, bedarfsgerechte Nutzung, Umwandlung und Verteilung von Energie erlauben. Im Moment ermöglicht er den Austausch von Warmwasser und Elektrizität sowie von Gas und Druckluft. Je ein Netz für Wasserstoff und CO2 wird folgen. Wie in einem Quartier kann zum Beispiel eine Unit Strom liefern und dafür Heizwärme von einer anderen Unit beziehen. «Etwa Mitte 2017 werden wir erste Erkenntnisse zur Gestaltung von Energy Hubs in der Praxis haben. Dies betrifft zum Beispiel die Technologie, Dimensionierung und Betriebsart solcher Anlagen», sagt Philipp Heer, Leiter Gebäudetechnik Nest bei der Empa. Das Potenzial von Energy Hubs für Wohnbaugenossenschaften ist gemäss Heer sehr hoch. So seien etwa bestehende Fernwärmenetze eine gute Voraussetzung: «Sobald man Energieformen systemisch kombinieren kann, also zum Beispiel elektrische Energie mittels Wärmepumpen in thermische Energie transformiert, können die Vorteile der zwei Energieformen die Nachteile der jeweils anderen ausgleichen.» Bedingung dafür sei jedoch ein intelligentes Energiemanagement.

Politik ist am Zug

Für alle drei Speichertechnologien spielt die Ordnungspolitik eine wichtige Rolle. «Wann mit einer Sonnenbatterie der Break-even erreicht wird, hängt stark vom Strompreis ab», sagt Andreas Jungo von Helion Solar. «Die Hürde für die Marktfähigkeit von Power-to-Gas liegt bei der Bepreisung von CO2-Emissionen», meint Markus Friedl von der HSR. Und auch Roman Keller von der Empa hält fest: «Für die Wirtschaftlichkeit von Energiespeicherung und Energieumwandlung sind die politischen Rahmenbedingungen ein starker Treiber. Dazu gehören etwa Abgeltungen für die CO2-Kompensation oder das Abfangen von Leistungsspitzen. Falls diese Bedingungen sich während der Laufzeit verändern, kann das schnell auf die Rentabilität durchschlagen.»