Badezimmer für alle Generationen

Das Universalbad

Die Schweizer Bevölkerung wird immer älter. Das erhöht die Nachfrage nach barrierefreien Badezimmern. Von rutschfesten Böden und gut zugänglichen Duschen profitieren jedoch alle Altersgruppen. Mit dem Ansatz des «universal design» werden deshalb Lösungen gesucht, die komfortabel, sicher und offen für Veränderungen sind.

Von Michael Staub | September 2016

Das Leben in den vertrauten vier Wänden wird in der Schweiz hoch geschätzt. Heimund Pflegeplätze kommen für ältere Menschen meistens erst in Frage, wenn es nicht mehr anders geht. Mit dem wachsenden Durchschnittsalter der Bevölkerung stellt sich deshalb die Frage, wie Mieterinnen und Mieter in ihren Wohnungen möglichst lange autonom leben können. Neben der sozialen Vernetzung spielt hier auch die Gestaltung der Wohnung eine wichtige Rolle. Scheinbare Nebensächlichkeiten können bei nachlassender Beweglichkeit rasch zum Hindernis werden.

Kleiner Eingriff, grosse Wirkung

Dazu zählt etwa das Einsteigen in die Badewanne. Mit einfachen Massnahmen wie dem Einbau einer Badewannentüre können hier Sicherheit und Komfort für ältere Mieterinnen und Mieter deutlich gesteigert werden. Gute Erfahrungen hat die Zürcher Baugenossenschaft Gewobag gemacht. «Einzelne Mietparteien haben den Wunsch nach einer solchen Tür geäussert», erklärt Maurizio Fiera, Leiter Immobilienbewirtschaftung. Das Badewannenupgrade wird über den Mietzins amortisiert, die Mehrkosten betragen monatlich etwa 15 Franken. «Die betreffenden Mieterinnen und Mieter sind mit dieser Lösung sehr zufrieden und nutzen sie häufig», berichtet Maurizio Fiera. Badewannentüren oder schwellenfreie Duschen laufen Badezimmer für alle Generationen Das Universalbad heute unter dem Begriff «barrierefrei». Dieses Schlagwort ist noch relativ neu. Doch wer von einem «seniorentauglichen» Badezimmer spricht, setzt sich in die Nesseln. Eine Gesellschaft, die sich stark an Jugend und Fitness orientiert, möchte nun mal nicht an die eigene Vergänglichkeit erinnert werden. Doch während man in der Schweiz noch diskutiert, ob «Seniorenresidenz» ein besserer Begriff ist als «Altersheim», ist man in Skandinavien oder den Niederlanden schon weiter.

Nutzen für alle

Statt die Bevölkerung in Kinder, Erwachsene und Ältere zu segmentieren, verfolgt man den Ansatz des «universal design». Die Überlegung dahinter ist simpel: Die gebaute Umwelt soll nicht für eine einzelne Gruppe gestaltet werden, sondern für die Gesamtheit der Bevölkerung. So gibt es etwa Parkbänke, die neben den normalen Sitzflächen auch spezielle Parkbuchten aufweisen. Dort kann ein Rollstuhl parkiert werden – aber auch ein Kinderwagen, Trottinetts oder grosse Koffer. Solchen Mehrfachnutzen findet man auch in der Schweiz. So sind beim öffentlichen Verkehr Niederflurfahrzeuge und erhöhte Perronkanten heute Standard. Vorgeschrieben sind diese für die Gleichstellung der Behinderten, doch im Alltag profitieren alle Bevölkerungsgruppen vom einfacheren Einstieg. Eine überzeugende Lösung für alle statt Flickwerk: Dieses Prinzip des «universal design» wird nun auch auf das Badezimmer übertragen. Möglichst alle Generationen sollen es bequem und ohne Einschränkungen benutzen können, vom Krabbelkind über ältere Geschwister und Eltern bis hin zum Grossvater. Ein Vorteil dieses Zugangs ist seine Offenheit für Veränderungen, die unabhängig vom Lebensalter eintreten können. Eine barrierefreie Dusche kann für eine sportliche Mietpartei lediglich «nice to have» sein. Bricht sich aber jemand das Bein, ist der einfache Zugang zur Dusche über Nacht Gold wert.

Der Einbau einer Badewannentür ist eine kostengünstige Lösung, um mehr Sicherheit beim Einstieg in die Badewanne zu gewährleisten.

Nicht nur für Menschen im Rollstuhl praktisch: unterfahrbarer Waschtisch.

Tipps für die Planung

Idealerweise ist ein barrierefreies Bad rollstuhltauglich. Dazu sollte man eine Freifläche von 1,5 × 1,5 Metern einplanen. Die «Aktion barrierefreies Bad» (siehe Infobox) formuliert zudem hilfreiche Kriterien für die weitere Ausstattung:

  • Mit einer bodenebenen Dusche kann die Schwelle und damit eine Stolperfalle vermieden werden. Das ermöglicht einen problemlosen Zugang. Der Duschzugang sollte mindestens 80 bis 90 Zentimeter breit sein. 
  • Ein wichtiger Punkt sind rutschfeste Bodenbeläge. Sie helfen, unnötige Stürze zu vermeiden, und erhöhen die Sicherheit für alle Benützer.
  • Die Dusche kann mit einem fest montierten Klappsitz oder einem mobilen Duschhocker ergänzt werden. Gut platzierte und verankerte Haltegriffe erleichtern das Duschen. Einzelne Hersteller bieten auch kombinierte Lösungen mit Brausehalterung, Handgriff und Einhängepunkt für Klappsitze. 
  • Die Oberkante des WC sollte mindestens bei 48 Zentimetern liegen. Zudem wird eine Raumtiefe von 70 Zentimetern empfohlen, dies ermöglicht auch seitliches Umsteigen.
  • Hilfreich ist ein ausklappbarer WC-Stützgriff. Ein solcher Griff ist rasch montiert. Wichtig ist jedoch, den benötigten Platz (auch bei ausgeklapptem Zustand) von Anfang an einzuplanen und freizuhalten.
  • Die Armaturen sollten einfach zu betätigen sein. Einhebelmischer mit griffigen Armen sind gut geeignet.
  • Eine durchdachte Platzierung von Lichtschaltern und Steckdosen lohnt sich. Wenn zum Beispiel eine vorschriftsgemäss geschützte Steckdose in der Nähe des WC platziert wird, kann dieses bei Bedarf mit einem Duschaufsatz ergänzt werden.

Auch mit Designanspruch

Badezimmer, die nach den obigen Punkten ausgerüstet werden, erinnerten lange Zeit an Pflegeheim oder Spital. Doch in den letzten Jahren hat sich vieles getan. Denn die Badezimmerausstatter haben das Marktsegment des «universal design» oder eben des «barrierefrei en Badezimmers» entdeckt. Neben den klassischen Produkten mit Sanitätshausoptik gibt es deshalb zunehmend solche, die ihre zusätzlichen Funktionen mehr oder minder elegant verstecken. So bieten manche Waschtische versteckte Griffleisten, die das Aufstehen vom WC erleichtern. Andere Modelle sind unterfahrbar, können also auch von Menschen im Rollstuhl benützt werden. Sicher: Nicht alle der heute verfügbaren Lösungen passen in das Baubudget einer Wohnbaugenossenschaft. Erfreulich ist aber der Trend zu funktionaler, stabiler und dennoch optisch ansprechender Badezimmerausstattung. Bedenkenswert scheint zudem der Anspruch des «universal design», für Menschen in allen Lebensphasen geeignet zu sein. An die Stelle bisheriger Segmentierungen wie Alters-, Familien- und Singlewohnungen könnten so «universale Wohnungen» treten. Wie das eingangs erwähnte Projekt der Gewobag zeigt, sind bequem zugängliche Duschen und Wannen nämlich nicht nur für ältere Menschen ein Gewinn, sondern auch für Kinder oder Eltern mit müden Beinen.

Barrierefreies WC mit Multifunktions-Haltegriff

Einhängepunkte für Klappsitze können schon vorsorglich montiert werden.