Komfortlüftungen: Stand der Technik

Gute Luft ist nicht gratis

Komfortlüftungen haben sich als Standard etabliert. Die Möglichkeit, Lüftungsgeräte, Wärmetauscher und Luftverteilung je nach Gebäudesituation anders zu kombinieren, erlaubt zwar Einzellösungen, macht die Auswahl aber anspruchsvoll. Damit es beim automatischen Luftaustausch nicht zu unerwünschten Mängeln kommt, sind einige Regeln zu beachten.

Von Elias Kopf | Bilder: Zehnder Group Schweiz AG, Erich Keller AG, Klingenburg GmbH | Juni 2017

Die Grundidee der Komfortlüftung ist simpel: Statt dass man die Wohnung mehrmals täglich über die Fenster lüftet, sorgt ein automatischer Luftaustausch dafür, dass keine dicke Luft herrscht. Nebst CO₂, Gerüchen, Formaldehyd, Radon und anderen Raumluftbelastungen wird auch die Feuchtigkeit von Atmung, Küche, Bad und Tumbler kontinuierlich abgeführt. Dies verhindert die Bildung von Kondenswasser und Schimmel.
Um die in der Abluft enthaltene Heizwärme nicht zu verlieren, sind Komfortlüftungen mit einem Wärmetauscher ausgerüstet. In diesen Geräten strömen Zuluft und Abluft über grosse Austauschflächen dicht aneinander vorbei, sodass die Abluftwärme von der kalten Zuluft aufgenommen wird. Heute bestehen diese Austauschflächen oft aus dampfdurchlässigen Kunst­stoffmembranen, die nebst der Wärme auch einen Teil der Abluftfeuchte an die Zuluft übertragen. Dadurch steigt die Luftfeuchtigkeit in der Wohnung, was vor allem im Winter für ein angenehmeres Raumklima sorgt.

Problem Geruchsübertragung
Allerdings solle man sich den Einsatz dieser sogenannten Enthalpieplattentauscher gut überlegen, gibt Heinrich Huber, Dozent für Gebäudetechnik und Leiter der Prüfstelle Gebäudetechnik an der Hochschule Luzern, Technik & Architektur, zu bedenken: «Eine Geruchsübertragung von der Abluft in die Zuluft lässt sich bei Enthalpiegeräten nicht völlig ausschliessen. Wenn Enthalpietauscher bei Mehrwohnungsanlagen eingesetzt werden, sollte man sich deshalb im Voraus überlegen, wie man bei allfälligen Problemen vorgehen will.» So könne der Enthalpietauscher beispielsweise bei Übertragungen von Kochgerüchen durch einen konventionellen Plattentauscher ersetzt werden.
Neben Enthalpietauschern lassen sich Wärme und Feuchte auch mit einem Rotor von der Ab- in die Zuluft übertragen. Bei Mehrwohnungsanlagen rät Heinrich Huber allerdings von diesem sogenannten Wärmerad ab, da das Risiko von Geruchsübertragung im Vergleich zu Enthalpieplattentauschern deutlich grösser sei. «Bei Einfamilienhäusern und Einzelwohnungsanlagen ist die Feuchterückgewinnung dagegen sowohl mit Enthalpiegeräten als auch mit Rotoren unbedenklich, da allfällige Geruchsspuren vom eigenen Kochherd stammen.»
Ebenfalls zur Verschleppung von Gerüchen kommt es gelegentlich, wenn in einem Wohnblock aus Platz- oder Kostengründen mehrere Lüftungsgeräte an dieselbe Zuluft- oder dieselbe Abluftleitung angeschlossen werden. Heinrich Huber: «Wenn dabei in einer Wohnung das Lüftungsgerät ausgeschaltet oder auf sehr tiefer Stufe betrieben wird, können andere Geräte ihre Abluft in diese Wohnung drücken respektive Luft aus dieser Wohnung ansaugen.»

Ursprünglich für Sanierungen entwickelt, kommen heute Überströmer auch bei Neubauten zum Einsatz. Im Bild Beispiel einer türintegrierten Variante.

Überströmer als Alternative zur Zuluftkaskade
Bei Überbauungen, wie sie für Baugenossenschaften typisch sind, wird pro Gebäude oder pro Treppenhaus meist nur ein einziger, grosser Wärmetauscher installiert. Von diesem sogenannten Monoblock führt ein Netz unsichtbar in Böden und Decken eingelassener Zu- und Abluftleitungen in die einzelnen Zimmer. Bei Sanierungen kann sich die nachträgliche Leitungsverlegung aufgrund der baulichen Situation allerdings schwierig gestalten. In solchen Fällen besteht die Möglichkeit, anstelle eines Monoblocks für jedes Zimmer ein separates Einzelraumlüftungsgerät in die Aussenwand einzubauen.
Darüber hinaus sind heute auch Fenster mit integrierten Lüftungsgeräten erhältlich. Diese sind in den speziell breiten Rahmen versteckt. Solche Produkte eignen sich insbesondere für punktuelle Eingriffe an Orten, wo die Reduk­tion der Fensterscheibenfläche keine grosse Rolle spielt, zum Beispiel in einer kondenswassergeplagten Küche oder einem schimmligen Badezimmer. Und nicht zuletzt gibt es auch Lösungen wie den aktiven Überströmer: Dieser arbeitet mit Mischluft und Ventilatortüren statt mit der üblichen Zuluftkaskade vom Schlafzimmer über Stube und Korridor hin zu den Abluftabzügen in Küche und Bad. «Der aktive Überströmer ist kein eigenständiges Lüftungskonzept, sondern eine ursprünglich für Sanierungen entwickelte Variante der wohnungsinternen Luftverteilung», erklärt Heinrich Huber (siehe Kasten Seite 13).

Lüftung bei Bauabnahme kontrollieren
Komfortlüftungssysteme haben sich in den letzten Jahren als Standard etabliert. Welche Kombination von Lüftungsgerät, Wärmetauscher und Luftverteilung die richtige ist, hängt jedoch vom einzelnen Gebäude und vom Wohnungsgrundriss ab – und nicht zuletzt auch von der Investi­tions­bereitschaft der Bauherrschaft. Leider würden aus Kostengründen gelegentlich qualitativ fragwürdige Produkte eingebaut, bei denen jeder Planer erkennen müsste, dass keine solide Funktionalität gewährleistet ist, moniert der Experte. «Man sollte nicht einfach die billigste Offerte wählen, denn gute Luft ist nicht gratis zu haben.» Um die Angebote beurteilen zu können, sollte man sich von den Offert­stellern Referenzanlagen nennen lassen, diese möglichst vor Ort besichtigen und sich bei der Hauswartung nach den Erfahrungen erkundigen.
Geräte mit einem Luftstrom bis 250 Kubikmeter pro Stunde, wie sie für Einzelzimmer, Einzelwohnungen, Einfamilienhäuser und kleine Mehrfamilienhäuser üblich sind, verfügen seit neustem über eine Energieetikette, die den Vergleich der verschiedenen Produkte erleichtert (siehe www.deklariert.ch). «Empfehlenswert sind insbesondere Geräte, die vom Hersteller bereits mit korrekt eingebautem Schalldämpfer geliefert werden», rät der Experte. Ebenso wichtig wie die sorgfältige Auswahl der Produkte ist die Kontrolle der Installation im Rahmen der Bauabnahme: «Verschmutzungen von Zuluftrohren gibt es eigentlich nur beim Bau, nicht beim Betrieb. Deshalb sollte man die Sauberkeit vor der Abnahme von einem unabhängigen Spezialisten für Hygienekontrollen prüfen lassen. Zudem müssen die Luftvolumenströme für jedes Zimmer einzeln gemessen werden. Auch dazu braucht es eine unabhängige Spezialfirma.» Und natürlich gilt es, die Schallgrenzwerte zu kontrollieren, wobei man sich hier auf Stichproben beschränken kann. Planer können ohne grossen Aufwand normkonforme Anlagen erstellen, wenn sie für die Berechnung das kostenlose KWL-Tool (www.kwl-tool.ch) verwenden.

In Plattenwärmetauschern strömen Zuluft und Abluft über grosse Austauschflächen dicht aneinander vorbei, sodass die Abluftwärme von der kalten Zuluft aufgenommen wird. So können bis zu neunzig Prozent der Raumwärme zurückgewonnen werden.

Trockenheit ist auch ein Heizproblem
Unabhängig vom gewählten Lüftungssystem ist für die Mieter vor allem die individuelle Bedarfssteuerung zentral. Denn ein Single, der tagsüber arbeitet und am Wochenende Partys schmeisst, hat einen anderen Lüftungsbedarf als ein Rentnerpaar mit Mahlzeitenservice oder eine vierköpfige Familie, die morgens intensiv duscht, zweimal täglich kocht und am Abend oft den Waschturm in Betrieb nimmt. Eine Lüftung mit Bedarfssteuerung ist meist mit einem von Hand einstellbaren Dreistufenschalter ausgerüstet.
Daneben kommen heute vermehrt auch automatische Sensoren zum Einsatz, die den Luftvolumenstrom entsprechend dem CO₂-Gehalt der Raumluft regulieren. Da solche Geräte manuell übersteuert werden können, haben die Mieterinnen und Mieter auch hier die Möglichkeit, an kalten Wintertagen ihre Lüftung als Massnahme gegen ein zu trockenes Raumklima aufs Minimum herunterzufahren. Heinrich Huber: «Allerdings ist die winterliche Trockenheit nicht nur eine Frage des Luftstromvolumens. Denn wie unsere Untersuchungen zeigen, sind viele Wohnungen chronisch überheizt, was die relative Luftfeuchtigkeit reduziert. In solchen Fällen sollte man zuerst einmal die Raumtemperatur um ein paar Grad senken, bevor man die Lüftung einschränkt.»

Filterwechsel ist Pflicht des Hauswarts
Damit Heizung und Lüftung von den Bewohnern korrekt gehandhabt werden können, braucht es eine klare Information. So sollte man Neumietern zum Beispiel erklären, dass Bodenheizungen ein paar Stunden brauchen, bevor eine Temperaturänderung eintritt. Ferner gilt es, die Mieterschaft darauf hinzuweisen, dass die Luft sehr trocken wird, wenn man bei zu warmen Räumen ständig die Fenster aufreisst, statt weniger zu heizen. Auch der Dampf von Küchenumlufthauben und Tumblern sollte im Winter nicht manuell über das Fenster, sondern mit der Komfortlüftung abgeführt werden – erst recht, wenn eine Feuchterückgewinnung vorhanden ist. «Bei der Instruktion kann es sinnvoll sein, wenn sich der Hauswart nach Beginn der Heizperiode bei neuen Mietern nochmals meldet und die wichtigsten Regeln von Heizen und Lüftung wiederholt», meint der Experte.
Allerdings lassen sich nicht alle Aufgaben an die Bewohner delegieren. Insbesondere die Wartung von Einzelzimmer- oder Einzelwohnungslüftungen sollte vom Hauswart durchgeführt werden. Denn bei diesen Geräten müssen die Aussenluftfilter zwingend ein- bis zweimal pro Jahr gewechselt werden, um eine einwandfreie Lufthygiene zu gewährleisten. Dazu sind vom Facility Management Wartungspläne zu erarbeiten und konsequent umzusetzen, fordert Heinrich Huber. «Auch bei Monoblöcken müssen die Zuluftfilter jährlich ausgetauscht werden, entweder mit eigenem, speziell instruiertem Personal oder von einer externen Lüftungsfirma. Ferner braucht es alle drei bis fünf Jahre eine umfassende Funktions- und Hygienekontrolle, für die ein professionelles Unternehmen engagiert werden muss.»

Buchtipp:

Heinrich Huber: Komfortlüftung in Wohngebäuden - Systeme, Konzepte, Umsetzung. R. Müller Verlag 2016, ISBN 978-3-481-03405-4

Überströmer bewährt sich in Praxis

Im Gegensatz zum Monoblock und zu Einzelraum-Lüftungsgeräten sind aktive Überströmer (auch Verbundlüftung genannt) keine Zu- und Abluftgeräte, sondern ein System zur wohnungsinternen Luftverteilung. Dabei werden Zimmer ohne eigenen Zuluftanschluss mithilfe kleiner Ventilatoren an einen belüfteten Nachbarraum, etwa den Korridor, angedockt. Damit erübrigt sich die Verlegung von Zuluftrohren. Meist sind die Luftverteilungsventilatoren in den Zimmertüren eingebaut oder darüber angebracht. Sie sorgen für ein «aktives Überströmen» vom belüfteten Korridor in die unbelüfteten Zimmer. Ein zweiter Ventilator transportiert die Luft wieder zurück. Im Korridor kommt es somit zu einer Durchmischung von frischer Zuluft und zurückfliessender Abluft. Diese Mischluft strömt passiv unter dem Türspalt hindurch auch in die Küche und das Bad, wo sie mit den üblichen Abluftventilen abgeführt wird.
Messungen zeigen, dass das Konzept einwandfrei funktioniert, falls die Überströmer korrekt verwendet werden. Vorteilhaft ist, dass die Luftqualität der ganzen Wohnung mit einem einzigen CO₂-Sensor geregelt werden kann. Dass die Geräte bei den Bewohnern gut ankommen, ergab kürzlich eine Umfrage im Rahmen einer Diplomarbeit an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Überströmer funk­tionieren auch im Zusammenspiel mit einem Einzelraum-Lüftungsgerät, das zum Beispiel in die Aussenwand eines Wohnzimmers mit offener Küche eingebaut wird. Allerdings können so Küchendüfte in der ganzen Wohnung verteilt werden. Daher empfiehlt sich bei solchen Wohnungen ein Zeitschalter, mit dem die aktiven Überströmer für maximal zwei Stunden ausgeschaltet werden können.

Auch bei Neubauten einsetzbar
Im Rahmen der Gesamtsanierung der Wohnsiedlung Glatt der Stadt Zürich wurden 2013 in 20 Wohnungen Verbundlüfter installiert. Im Neubauprojekt von Kraftwerk1 auf dem Dübendorfer Zwickyareal sind 80 aktive Überströmer eingebaut, auf dem Hunzikerareal von mehr als wohnen in Zürich sogar über 400. «Die Beispiele zeigen, dass das ursprünglich für Sanierungen entwickelte Konzept mittlerweile auch bei Neubauten Schule macht. Denn Planung und Bau vereinfachen sich, wenn die wohnungsinternen Zuluftrohre wegfallen», urteilt Heinrich Huber. Es sei aber zu bedenken, dass aktive Überströmer höhere Instandhaltungskosten verursachen als klassische Luftverteilungen, da sie Ventilatoren und Filter enthalten.