Wie bringt man Design ins Genossenschaftsbad?

«Das Bad gewinnt an Stellenwert»

Das Architekturbüro L3P steht für hohen Anspruch an Gestaltung – auch in Detailbereichen wie dem Badezimmer. Doch wie geht man mit Nasszellen um, die keinen Platz für freistehende Badewannen bieten und bei denen ein enges Budget die Möglichkeiten einschränkt? Auch dann müssen keine 08/15-Bäder entstehen. Wie das geht, erklärt der Architekt Martin Reusser, Partner im Büro L3P.

Interview: Richard Liechti | Bilder: Sabrina Scheja, zVg | September 2017

Wohnen: Das Architekturbüro L3P ist in mancher Hinsicht aussergewöhnlich: nicht nur, dass Sie im alten Städtchen Regensberg ansässig sind und nicht im hippen Zürcher Kreis 5. Auch die Palette an Bauten reicht von der Beton-brut-Villa bis zur genossenschaftlichen Alterssiedlung, vom historischen Hotel bis zum Zoo-Aquarium. Wie ist es dazu gekommen?

Martin Reusser: Das wurde uns sozusagen in die Wiege gelegt. Unsere Firma geht auf das ­Architekturbüro Lüthi zurück, das Rolf Lüthi vor über fünfzig Jahren gegründet hat. Auch er war schon breit diversifiziert, hat Schulbauten ebenso wie Wohnhäuser erstellt oder eng mit der Stiftung Schloss Regensberg zusammengearbeitet. Auch in Energiefragen war er ein Pionier und hat Häuser mit innovativen Energiekonzepten gebaut, bevor man auch nur von Minergie sprach. Anfang 2008 haben Markus Müller und ich die operative Leitung übernommen, mit Boris Egli kam ein dritter Partner dazu, und 2009 wurde das Büro in die L3P Architekten AG umgewandelt. Anfang 2012 folgte mit Frank Schäfer der vierte Partner. Seither ist unser Spektrum weiter gewachsen. In jüngster Zeit kamen Herausforderungen wie die Neuanlage für die Giraffen und Nashörner im Zürcher Zoo hinzu oder die Überbauung Schäfer-Areal in Dielsdorf, wo wir für einen privaten Investor 150 Mietwohnungen realisieren. Ich denke, ein breiter Horizont macht es für einen Architekten schon einfacher, gewisse Problemstellungen zu verstehen und Lösungen zu finden.

Die Privathäuser, die Sie entwerfen, fallen ob ihrer skulpturalen Formen und der prägnanten Werkstoffe Beton und Glas auf. Hier trauen sich die Auftraggeber offenbar an Bauten, die nicht der Norm entsprechen. Bei den Baugenossenschaften dagegen stehen praktische Fragen im Vordergrund – gerade beim Thema Bad, über das wir uns hier unterhalten. Wie gehen Sie als Büro mit hohem gestalterischem Anspruch damit um?

Sicher ist die Arbeit für einen genossenschaftlichen Bauträger immer ein Spagat zwischen Optik und Design auf der einen Seite und Budget und Funktionalität auf der anderen Seite. Trotzdem konnten wir etwa für die Baugenossenschaft Halde in Zürich Bäder entwerfen, die nicht mit den üblichen Plättli, sondern mit fugenlosen Wandbelägen verkleidet sind. Grundsätzlich haben wir festgestellt, dass uns auch Baugenossenschaften einigen Spielraum offenlassen – nicht nur beim Bad, sondern auch in anderen Bereichen.

Alle reden von der Bedeutung der Küche als Zentrum des Familienlebens. Doch wie steht es mit dem Stellenwert des Badezimmers?

Von den Investoren hören wir immer wieder das Gleiche – und es entspricht auch unseren Erfahrungen: Neben den Raumgrössen achten die Leute bei der Wohnungssuche auf drei ­Dinge: Terrasse, Küche, Bad. Das Badezimmer hat in den letzten zwei, drei Jahrzehnten an Stellenwert gewonnen. Weiss geplättelte 08/15-Bäder – das ist heute nicht mehr gefragt. Wir stellen fest, dass die Bauträger sich dessen bewusst sind, und zwar die privaten ebenso wie die Baugenossenschaften, und der Badgestaltung mehr Aufmerksamkeit schenken.

Martin Reusser (46), dipl. Arch. FH REG A SIA, ist Geschäftsführer und Verwaltungsratspräsident des Architekturbüros L3P Architekten ETH FH SIA AG in Regensberg (ZH). Die L3P Architekten AG ging 2009 aus dem Büro Lüthi & Partner Architekten AG FH SIA hervor, wo Martin Reus­ser als Architekt und Mitglied der Geschäftsleitung gewirkt hatte. Die L3P Architekten AG beschäftigt am Sitz in Regensberg rund 15 Personen.
www.l3p.ch

Wie entwerfen Architekten eigentlich Badezimmer? Gibt es für die Anordnung im Wohnungsgrundriss Faustregeln? Ich habe auch schon Wohnungen gesehen, wo der Zugang zum Bad vom Wohnzimmer aus erfolgte – ein No-go?

Privatsphäre ist sicher wichtig. Es kann nicht sein, dass die Besucher vom Esstisch direkt ins WC verschwinden müssen. Zwei Dinge möchte ich hier hervorheben. Das eine ist das Tageslicht. Wenn man eine Komfortlüftung einbaut, müssen die Bäder zwar nicht mehr an der Fassade platziert werden. Trotzdem wünschen sich die meisten Menschen natürliches Licht und ein Fenster im Bad, das sie öffnen können. Der zweite Punkt: Wenn man eine grössere Siedlung entwirft, sollte man darauf achten, ­einen breiten Wohnungsmix mit unterschied­lichen Badtypen anzubieten, um so den Wünschen der Mieter entgegenzukommen. Selbstverständlich gibt es daneben Grundanforderungen wie diejenige, dass die Bäder den Normen für das behindertengerechte Bauen entsprechen müssen.

Die sogenannten Verkehrsflächen wie Eingangsbereiche und Korridore waren bei den Architekten in den letzten Jahren verpönt. Jetzt sieht man wieder Wohnungen mit grossen Entrées, über die man zu den einzelnen Räumen gelangt. Das ­erleichtert auch die Anordnung des Bads.

Ein solcher Dreh- und Angelpunkt in der Wohnung ermöglicht natürlich gute Lösungen. Anderseits müssen wir darauf achten, dass die Wohnungen nicht noch grösser werden. Diese Problematik kennen wir vom aktuellen Projekt auf dem Schäfer-Areal. Dort sind wir bestrebt, dass die Viereinhalbzimmerwohnung nicht grösser als 100 oder 105 Quadratmeter wird, denn sonst können sich Familien diese Woh­nungen schlicht nicht leisten. Deshalb versuchen wir eher, die Verkehrsflächen zu reduzieren oder sie zu den nutzbaren Flächen hinzuzuschlagen, so dass sie etwa als Verlängerung des Wohnzimmers erscheinen. Wichtig ist aber auch hier, dass wir am Schluss verschiedene Wohnungstypen, manche mit Entrée, manche ohne, anbieten können.


«Der Schweizer liebt den Spiegelschrank.»


Genossenschaftsbäder gelten nicht ganz zu Unrecht als langweilig. Meist herrschen helle Platten und dunkle ­Böden vor. Es heisst dann, man wolle den Mietern Gelegenheit geben, selbst einen Akzent zu setzen, etwa mit farbiger Wäsche. 

Unsere Philosophie ist ganz klar: Wir wollen auch bei begrenztem Budget keine 08/15-Bäder schaffen. Einen sterilen «Metzgerei»-Stil mit weissen Platten bis unter die Decke und dunklen Böden vermeiden wir. Wie bei allen architektonischen Aufgaben geht es uns vielmehr darum, eine Stimmung zu erzeugen. Das kann etwa über die Farbgebung geschehen. Wir haben bei einem privaten Projekt glänzende Platten eingesetzt, fast ein wenig im Retrostil – das war kein grosser finanzieller Aufwand.

Starke Farben kommen bei den Mietern nicht immer an.

Sicher sollte man in einer Siedlung mit 150 Wohnungen nicht 150 knallrote Bäder anbieten. Je grösser die Menge, desto neutraler würde ich fahren. Anderseits muss ich auch sagen: Man soll den Geschmack der Leute zwar berücksichtigen, aber oft kennen sie eben auch nichts anderes. Wenn das Gesamtpaket stimmt – Raumgrössen, Licht, Ausstattung usw. –, dann lassen sich Mieter auch gerne auf eine aussergewöhnliche Badgestaltung ein.

Über das altersgerechte Bad haben wir in einem früheren Interview informiert. Was ist dabei in Bezug auf Design und Gestaltung wichtig?

Während wir sonst eher auf kubische Formen setzen, würden wir bei Alterswohnungen sicher weniger rechteckige oder gar scharfkantige Einrichtungen wählen und abgerundete Formen bevorzugen. Schliesslich geht es auch darum, dass das Badezimmer für jemanden praktisch ist, der den Rollator benutzen muss. Zudem ist das Farbempfinden im Alter anders – dem muss man Rechnung tragen.

Im Küchenbereich wählen Baugenossenschaften längst nicht immer grosse Küchenbauer. Oft kommen auch Schreiner zum Zug, die die Küchen individuell fertigen. Beim Bad scheinen dagegen eher grosse Möbel­anbieter das Sagen zu haben. Welchen Weg wählen Sie?

Möbel ab der Stange entsprechen optisch selten der Designqualität, wie wir sie wünschen. Deshalb entwickeln wir Badmöbel immer selber, gemeinsam mit einem Schreiner oder auch einem Küchenbauer. Unsere Erfahrung zeigt, dass dies kaum teurer wird – gerade wenn man die Badmöbel in eine Ausschreibung mit an­deren Schreinerarbeiten nimmt, etwa Wandschränken.

Auch in der Mietwohnung?

Auch dort. Wir haben in Mietwohnungen schon auf Spiegelschränke verzichtet und stattdessen einen grossen Spiegel und ein einfaches, kubisch gehaltenes Unterbaumöbel eingebaut. Dabei gibt es eine Riesenpalette von Farben. Aber man darf nicht vergessen: Der Schweizer liebt den Spiegelschrank. Das ist ähnlich wie mit der Garage oder dem Keller.


«Die Menschen haben heute andere Badbilder im Kopf.»


Genossenschaftsbäder sind knapp bemessen – besonders in den Altbauten, die nicht selten aus der Nachkriegszeit stammen. Was kann man tun, um ein solches Renovationsbad aufzuwerten?

Mir ist bewusst, dass viele Baugenossenschaften solche Häuser abbrechen und durch Neubauten ersetzen. Das verstehe ich auch, wir kennen die Problematik um die schlechte Bausubstanz dieser Zeit. Ich meine aber doch, dass man manchmal mit einer baulichen Erweiterung stimmungsvolle Lösungen finden könnte. Aber wenn es tatsächlich um ein kleines Renovationsbad geht, können auch wir nicht hexen. Ich würde dort auf helle Farben achten und das Tageslicht zur Geltung bringen, das oft ein Plus dieser Wohnungen ist. Auch könnte man mit einem kleineren Waschtisch und dafür einem grösseren Spiegel eine räumliche Wirkung erzielen.

Im Renovationsbereich sind oft die bekannten Vorwandsysteme zu sehen, die dann das Bild bestimmen. Gibt es Alternativen?

Tatsächlich wirken diese Systeme etwas steril, wie eine Wand, hinter der man alles versenkt und versteckt. Wir haben sie zwar auch schon eingesetzt, aber ebenso haben wir ganz bewusst Aufputz-Spülkästen eingebaut und mit Absätzen und Nischen gearbeitet, weil dies besser zur Wohnung passte. Man darf nicht ­vergessen: Durch die Vorwand verliert man
bis zu zwanzig Zentimeter Raum. Und beim Aufputz-Spülkasten kann der Mieter die Wartung problemlos selbst vornehmen.

Die Dusche ist ganz klar im Kommen. Manche Baugenossenschaften verzichten inzwischen schon bei der Dreieinhalbzimmerwohnung auf eine Badewanne. Allerdings sieht man oft hohe Duschwannen, und statt Glastrennwänden gibt es nur eine Vorrichtung für den Duschvorhang – ein Quell des Ärgers für viele Mieter.

Das ist sicher eine Kostenfrage. Duschtrennwände kommen rasch auf 2500 Franken und mehr zu stehen, das multipliziert sich in der Wohnsiedlung. Und bodenebene Duschen sind von der Konstruktion her aufwändiger. Wir verwenden deshalb oft sehr flache Duschtassen, die wir im Unterlagsbodenbereich einbauen. Das ist eine Mittellösung, die auch den Bedürfnissen Betagter entspricht. Solch emaillierte Duschtassen sind zudem von der Reinigung her viel einfacher als ein Plättliboden mit Fugen.

Lange sah man in Genossenschaftsbädern vor allem grosse Platten, jetzt scheint ein Trend zu kleineren Formaten einzusetzen.

Auch wir finden Mosaikplättli sehr schön. Doch man muss sich bewusst sein: Je kleiner die Platten, umso grösser der Fugenanteil. Und Fugen nehmen Schmutz und Feuchtigkeit auf, so dass sich die Gefahr der Schimmelbildung vergrössert. Diese Problematik thematisieren wir bei jedem Bauherrn. Abhilfe kann Fugenmaterial aus Zweikomponentenmaterial schaffen, das weniger Feuchtigkeit aufnimmt und deshalb weniger schmutzanfällig ist. Aber die Kosten dafür sind recht hoch.

Wie anfangs erwähnt: Sie haben auch aussergewöhnliche Badezimmer für Privathäuser oder Hotels entworfen. Gibt es dort Trends, die auch in den Mietwohnungsbereich hineinspielen könnten?

Gerade im Hotelbereich kommen die Anbieter nicht mehr um Design und den ganzen Wellnessbereich herum. Und weil die Menschen heute mehr reisen und das Thema Wellness/Erholung in unserer heutigen Zeit omnipräsent ist, entdecken sie ganz andere Badewelten. Wenn sie dann eine Wohnung suchen, haben sie neue Badbilder im Kopf. Trotz Kostendruck ist es für alle Investoren – auch die Baugenossenschaften – deshalb umso wichtiger, über die Beleuchtung und die Wahl der Farben und Materialien ein Maximum an stimmungsvoller Badgestaltung herauszuholen.