In der Wohnungsfrage tickt das Tessin anders als die Deutschschweiz

«Wir möchten ein Pilot­projekt auf die Beine stellen»

Der genossenschaftliche Wohnungsbau soll endlich auch im Kanton Tessin Fuss fassen. Das hat sich die Sezione Svizzera Italiana des Verbands Wohnbau­genossenschaften Schweiz als Ziel gesetzt. Monique Bosco-von Allmen, ­Präsidentin der Tessiner Verbandssektion, und Vorstandsmitglied Rolf Würth sind überzeugt: Baugenossenschaften könnten nicht nur dazu beitragen, die Probleme auf dem Wohnungsmarkt zu lösen, sondern auch der Zersiedelung und dem überbordenden Autoverkehr in der Südschweiz ­entgegenwirken.

Interview: Richard Liechti | Bilder: Marcelo Villada Ortiz, Wohnen | August 2017

Wohnen: Wenn wir Deutschschweizer ins Tessin fahren, geht es meist in eines der ­idyllischen Täler mit den alten Dörfchen, wo man oft kaum mehr Einheimische trifft. Wie die über 350 000 Tessinerinnen und Tessiner wohnen, wissen wir dagegen kaum.

Rolf Würth: Der Tessiner lebt am liebsten im ­eigenen Häuschen. Das Eigenheim mit privatem Garten ist für viele immer noch das Ideal.
Monique Bosco-von Allmen: Wegen der hohen Preise können sich das allerdings viele nicht mehr leisten. Gleichzeitig erleben wir eine Abwanderung aus den Tälern, weil die Menschen dort keine Arbeit mehr finden. Das Wohnen konzentriert sich deshalb auf die Talsohlen und die städtischen Räume. Die Eigentümerquote ist im Tessin zwar höher als in Zürich, aber die meisten Tessinerinnen und Tessiner leben in einer Mietwohnung.

Tatsächlich ist Wohneigentum im Tessin in den letzten zehn Jahren um fast 50 Prozent teurer geworden. Doch auch die Mieten haben um 35 Prozent zugelegt – mehr als der Schweizer Durchschnitt. Wie wirkt sich das aus?

M.B.: Es führt dazu, dass sich Menschen mit niedrigem Einkommen eine Wohnung ausserhalb der Städte suchen. An der Peripherie sind die Kosten für die Mietwohnung oder das eigene Haus noch tiefer. Das aber verschlimmert die Verkehrssituation noch mehr und trägt zur Zersiedelung bei.
R.W.: Der Autoverkehr ist eines der grossen Probleme in der Südschweiz. Man bedenke, dass allein 60 000 Grenzgänger täglich zur Arbeit ins Tessin fahren.

Gibt es keine Tendenz «zurück in die Stadt», wie wir sie in der Deutschschweiz erleben?

M.B.: Nein, dafür sind die Preise einfach zu hoch. In Lugano als grösster Stadt ist die Preissituation extrem, weil viele Auswärtige Wohneigentum als Investition erwerben. Alte Häuser werden abgerissen, um an ihrer Stelle neue Gebäude in höherem Standard zu erstellen.
R.W.: Zudem besitzt das Tessin als Tourismuskanton einen grossen Zweitwohnungspark. Auch die Abwanderung aus den Tälern verstärkt den Druck auf die Agglomerationen.

Dabei ist auch im Tessin in den letzten Jahren viel gebaut worden. Entschärft sich die Situation langsam?

R.W.: Ja, gebaut wird wie wahnsinnig – aber leider am Bedarf vorbei. Es entstehen vor allem teure Wohnungen, sei es im Eigentum oder in Miete. Manche Investoren bauen nur noch deshalb, weil sie viel flüssiges Kapital haben, für das sie bei den Banken Negativzinsen bezahlen müssten. Diese Entwicklung ist volkswirtschaftlich kaum sinnvoll. Bereits ist eine Zunahme der Leerstände zu verzeichnen, auch beim Mietsektor.

Monique Bosco-von Allmen, dipl. Arch. ETH/SIA, arbeitete von1996 bis 1998 in Mailand bei Antonio Citterio & Partners. Seit 1998 ist sie als selbstständige Architektin tätig, zuerst in Mailand und seit 2012 in Lugano. Im Frühjahr 2017 wurde Monique Bosco-von Allmen zur Präsidentin der Sezione Svizzera Italiana des Verbands Wohnbaugenossenschaften Schweiz gewählt.

Rolf Würth, lic. oec. HSG, war viele Jahre in der Beratung und Führung gemeinnütziger Wohnungsunternehmen tätig. 2006 delegierte ihn das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) in den Verwaltungsrat der Alloggi Ticino SA, der er ab 2007 als Direktor vorstand. Im Juni 2017 hat Rolf Würth dieses Amt an Susanna Ziliotto weitergegeben. Er wirkt weiterhin als Delegierter des Verwaltungsrats. Rolf Würth ist Vorstandsmitglied der Tessiner Verbandssektion, die er als Delegierter im Dachverband vertritt.

Hat das Alptransitprojekt mit den massiv ­verkürzten Reisezeiten zwischen Deutschschweiz und Tessin Folgen für den ­Wohnungsmarkt?

R.W.: Der kürzlich in Betrieb genommene Gotthard-Basistunnel ist weniger von Bedeutung, denn er dient vor allem den nationalen und internationalen Verbindungen. Was die Wohnlandschaft im Kanton ­Tessin aber umpflügen könnte, ist der Ceneri-Basistunnel, der 2020 fertig wird. Dann wird es möglich, in zwanzig Minuten von Locarno nach Lugano zu reisen. Man kann also irgendwo am Lago Maggiore leben, wo die Wohnungen noch günstig sind, und in den Raum Lugano pendeln. Fragen der Raumplanung, der Verdichtung und des preisgünstigen Wohnungsbaus erhalten damit eine ganz neue Dimension.

In welchen Segmenten fehlt es denn heute an Wohnraum?

R.W.: Besonders junge Familien, die Platz brauchen, finden keine passende Wohnung. Grosse Wohnungen werden oft von Alleinlebenden belegt, die dort bleiben, weil diese Wohnungen günstig sind.

Dann müssten bezahlbare Alterswohnungen ein Renner sein. Die Alloggi Ticino hat in Gordola gerade eine Siedlung mit hindernisfreien Wohnungen und Gemeinschaftsangebot fertiggestellt (siehe auch Separatbeitrag). Welche Erfahrungen machen Sie?

R.W.: Tatsächlich hatten wir mit einer langen Warteliste gerechnet. Doch vier Monate nach Fertigstellung sind erst rund 10 von 44 Wohnungen vermietet. An den Mietpreisen kann es nicht liegen, denn diese orientieren sich an den Mietzinsmaxima für AHV-Ergänzungsleistungen. Wir sind vielmehr zur Überzeugung gelangt, dass die Zeit für solche Modelle im Tessin einfach noch nicht ganz reif ist. Die Tessiner wollen noch immer so lange wie möglich im eigenen Haus leben. Zudem gibt es eine stärkere Bindung an die Familie, die stets mitredet. Dabei besteht die unselige Tendenz, dass man wie in Italien eine «Badante» engagiert, meist eine Frau aus Osteuropa, die für einen tiefen Lohn Pflege und Haushalt der Betagten erledigt.

Eine Studie des ETH-Wohnforums bestätigt, dass die Diskussion um altersgerechtes Wohnen im Tessin «zeitversetzt stattfindet». Und tatsächlich ist es so, dass die gemeinschaftliche Wohnform par excellence, nämlich die Baugenossenschaft, im Tessin nicht existiert.

M.B.: Das ist sicher eine Folge unserer Wohnkultur. Es gibt zwar die Tradition gemeinschaftlicher Wohnformen in der Grossfamilie und der nachbarschaftlichen Unterstützung. Doch die Menschen haben sich in den letzten Jahren stärker auf die Kleinfamilie konzentriert und kennen oft auch die Nachbarn kaum mehr. Man ist sehr individualistisch, so dass etwa auch die Bewegung des «Sharing» hier noch nicht angekommen ist.


"Bei der Ökologie haben wir viel Nachholbedarf"


Sie möchten den genossenschaftlichen Wohnungsbau im Tessin bekannter machen. Dazu wird die Tessiner Sektion von Wohnbaugenossenschaften Schweiz, die lange inaktiv war, zu neuem Leben erweckt. Sie, Frau Bosco-von Allmen, haben das Präsidium übernommen. Welches sind Ihre Motive?

M.B.: Ich habe mir überlegt, wie unsere Zukunft aussieht. Wenn ich ins AHV-Alter komme, werden im Tessin überdurchschnittlich viele alte Menschen leben. Deshalb stellt sich die Frage, ob wir heute genug für junge Familien tun. Denn es besteht durchaus die Gefahr, dass viele abwandern, wenn die wirtschaftliche Existenz noch schwieriger wird. Gleichzeitig wird der Bedarf an altersgerechtem Wohnraum stark steigen. Eine der möglichen Antworten auf diese Entwicklung könnte die Mischung der Generationen sein. Und weil heute die Grossfamilien fehlen, könnte die gemeinschaftliche Nachbarschaft diese Funktion übernehmen. Wir möchten den Leuten deshalb zeigen, dass dafür genossenschaftliche Modelle existieren und welche Vorteile sie bieten. Es geht also nicht nur ums Geld, den bezahlbaren Mietzins, sondern um soziale Aspekte, die Beziehung zwischen den Menschen. Hinzu kommen Fragen der Ökologie, der Verdichtung, des Verkehrs – und da haben wir im Tessin viel Nachholbedarf.

Ist sich der Kanton der Probleme bewusst?

M.B.: Das ist er durchaus. Er hat einen kantonalen Wohnungsplan erarbeitet, der vorsieht, auch den gemeinnützigen Wohnungsbau zu stärken. Als Erstes will er ein Kompetenzzentrum aufbauen, das Antworten auf die neuen Herausforderungen gibt. Nach jetzigem Stand sollte es bei der Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana (SUPSI), der Tessiner Fachhochschule, angesiedelt werden. Dabei spielte übrigens ein Treffen des Vorstands von Wohnbaugenossenschaften Schweiz mit dem damaligen Regierungsratspräsidenten eine wichtige Rolle. Dort wurden die Weichen gestellt, damit die Baugenossenschaften im Tessin einen neuen Stellenwert erhalten.

Welche Bedeutung werden die Baugenossenschaften und die Tessiner Verbandssektion im neuen Kompetenzzentrum haben?

M.B.: Das Kompetenzzentrum soll alle möglichen Wohnformen dokumentieren, aber auch beispielsweise über das kostengünstige Bauen informieren. Das soll es ermöglichen, einem Landbesitzer, der ein sinnvolles Projekt starten will, alle Optionen und Problemfelder aufzuzeigen. Dabei gehen wir davon aus, dass die Verbandssektion den genossenschaftlichen Teil einbringen wird. Das würde bedeuten, dass man dem Landbesitzer auch erklärt, dass er seinen Grund und Boden einer Baugenossenschaft im Baurecht abgeben könnte. Denn das teure Land ist das grösste Hindernis für den genossenschaftlichen Wohnungsbau.

Welche Rolle wird die Alloggi Ticino (siehe auch Separatbeitrag) als einziger grosser gemeinnütziger Wohnbauträger spielen?

R.W.: Sicher rechnet der Kanton mit uns, schliesslich ist er gemeinsam mit dem Bund Hauptaktionär. Mit den zehn Millionen Franken, die der Kanton für die nächsten zehn Jahre sprechen will, lässt sich allerdings kein Wohnungsbau betreiben, zumal auch das Kompetenzzentrum finanziert werden muss. Von uns aus werden wir das Problem sicher nicht lösen können. Einen wichtigen Beitrag leisten wir aber schon seit langem. Wir stehen mit verschiedenen Gemeinden in Kontakt, gerade bei der Frage des Alterswohnens. Bis ein Projekt zustande kommt, dauert es im Tessin aber.

Welche weiteren Pläne hat die Sektion, um die Genossenschaftsidee im Tessin bekanntzumachen?

M.B.: Wir stehen noch ganz am Anfang und werden nun damit beginnen, eine Kommunikationsstrategie aufzubauen. Dafür stehen wir auch mit der Stadt Lugano in Kontakt. Wichtig ist, dass wir bald etwas Konkretes vorweisen können. Wir möchten deshalb ein Pilotprojekt auf die Beine stellen. Diese erste genossenschaftliche Wohnsiedlung soll als Beispielprojekt dienen, um der Bevölkerung und den Behörden den Wert einer Wohnbaugenossenschaft für die Mitglieder und die ganze Gesellschaft vor Augen zu führen.

30 Jahre Alloggi Ticino SA - günstig wohnen von Biasca bis Chiasso

Mit über tausend Wohnungen ist die Alloggi Ticino SA die grösste Anbieterin gemeinnütziger Wohnungen im Kanton Tessin. Trotz eingeschränkten finanziellen Mitteln hat sie dieses Frühjahr eine vorbildliche Alterssiedlung fertiggestellt. Doch auch als Solarpionierin ist sie gerade ausgezeichnet worden.

Von Richard Liechti

Auch wenn sich das Baugenossenschaftsmodell im Kanton Tessin nie etabliert hat, besitzt der gemeinnützige Wohnungsbau einen gewissen Stellenwert. Dies ist auf das Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetz (WEG) zurückzuführen, dessen Fördermittel auch in der Südschweiz intensiv genutzt wurden. Neben Privatanbietern von WEG-Wohnungen traten verschiedene grössere gemeinnützige Gesellschaften auf, darunter die Logis Suisse (Ticino) AG, eine 1987 gegründete Tochtergesellschaft der nationalen Logis Suisse.
Die WEG-Geschichte ist bekannt (oder kann in Wohnen 3/2013 nachgelesen werden): In der Immobilienkrise der 1990er-Jahre gerieten viele Anbieter, die auf geförderte Wohnungen gesetzt hatten, in
finanzielle Schwierigkeiten. Das Fördersystem sieht nämlich eine anfängliche Verbilligung der Mietzinse vor, die später zurückgezahlt werden muss. In dieser Rückzahlungsphase müssen die Mieten sukzessive erhöht werden. Dies aber war in den Krisenjahren nicht mehr möglich, da die Wohnungen sonst zu teuer geworden wären. Die Folge: Verschiedene WEG-Gesellschaften mussten liquidiert werden, die verbliebenen bezahlen bis heute Bundesmittel zurück.

Auslaufende Subventionen
2006 beschloss man, die Logis Suisse (Ticino) SA, die damals 432 Wohnungen besass, in eine selbständige Firma umzuwandeln: die Alloggi Ticino SA. In der Folge fasste man im neuen Unternehmen den Bestand verschiedener «notleidender» WEG-Anbieter zusammen, so dass die Wohnungszahl der Alloggi auf gut tausend stieg. Dies machte den Betrieb einer effizienten eigenen Verwaltung möglich. Die Geschäftsstelle ist an zentraler Lage in Bioggio eingerichtet, erstreckt sich der Bestand doch über 26 Standorte von Biasca bis zur italienischen Grenze. Hauptaktionäre sind damals wie heute der Kanton Tessin (38 Prozent) und das Bundesamt für Wohnungswesen (35,5 Prozent).
Gut die Hälfte der Liegenschaften sind noch dem WEG unterstellt. Die dort lebenden betagten oder invaliden Mieter erhalten eine Mietzinsverbilligung des Bundes, die sogenannte Zusatzverbilligung II, sofern ihr Einkommen eine gewisse Höhe nicht überschreitet. «Für diese Mieterinnen und Mieter sind wir am interessantesten», räumt Rolf Würth ein, bis Juni 2017 Direktor der Alloggi Ticino SA und heute Delegierter des Verwaltungsrats. Da die WEG-Subventionen auf maximal 25 Jahre beschränkt sind, nimmt die Zahl dieser Wohnungen allerdings stetig ab. Nicht dass die Alloggi grössere Leerstände hätte. Doch die Nachfrage ist unterschiedlich, besitzt das Unternehmen neben guten Lagen wie Lugano doch auch Standorte, die weniger gefragt sind. Dabei sind es die grösseren Wohnungen, die eher Probleme bereiten.

Alterswohnen im Fokus
Ein weiterer Umstand bestimmt die Unternehmenspolitik: Der Grossteil der Alloggi-Siedlungen stammt aus den 1990er-Jahren, so dass in nächster Zeit viel Erneuerungsbedarf besteht. Insbesondere Aussensanierungen sind nötig, handelt es sich doch teils um einfache Blöcke ohne Vordächer. «Die Erneuerungskosten sind bereits stark gestiegen – und werden noch mehr zunehmen», erklärt Rolf Würth. Diese Finanzlast hat man mit kontinuierlichen Abschreibungen etwas abgefedert.
Trotz dem Zusatzaufwand, den dieses bauliche Erbe mit sich bringt, setzt die Alloggi jüngst wieder auf ein moderates Wachstum, nachdem ein letzter Zukauf von 2009 datiert. Dabei konzentriert sie sich auch hier auf das Zukunftsfeld Alterswohnen. Ursprünglich war die Zusammenarbeit mit Gemeinden geplant. Da sich diese zu langwierig gestaltete, handelte die Alloggi selbst: In der Neubausiedlung «Residenza Al Riale» in Gordola nahe Locarno hat sie eines von drei Gebäuden übernommen und dort ein Modell gemeinschaftlichen Wohnens umgesetzt, das für die Südschweiz noch neu ist.

Neues Wohnmodell für Südschweiz
Beim Haus Riale C handelt es sich nämlich nicht um eine weitere Residenz für reiche Pensionäre, die ihren Lebensabend im Süden verbringen wollen. Die Mietzinse der 44 barrierefrei gestalteten Wohneinheiten für ein bis zwei Personen sind vielmehr so tief angesetzt, dass die Bewohnerschaft Ergänzungsleistungen der AHV beantragen kann. Erreicht hat die Alloggi dies ebenso durch die Reduktion der Wohnflächen wie auch durch eine geschickte Finanzierung: Mit einer Belehnung von drei Bestandesliegenschaften verschaffte sie sich ein günstiges Darlehen bei der Emissionszentrale EGW und deckte damit den teuren Baukredit. Mittel aus dem Fonds de Roulement ergänzten die Finanzierung.
Neu für die Südschweiz ist insbesondere das Konzept der Gemeinschaftlichkeit, die dafür sorgen soll, dass die Mieterinnen und Mieter länger autonom leben können: Treffpunkt ist dabei die «Sala multi­uso» mit vollständig eingerichteter Küche, die beim Hauseingang angelegt ist. In Zusammenarbeit mit der Pro Senectute ist eine Sozialarbeiterin für eine gewisse Betreuung besorgt, die insbesondere auch gemeinschaftliche Aktivitäten wie Mittagstisch oder Gymnastik umfasst. Für die individuelle Mobilität – es wurden nur 14 Parkplätze gebaut – steht ein Mobility-Auto zur Verfügung, das erste in der Gemeinde. Obwohl sich dieses Wohnmodell in der Deutschschweiz immer mehr durchsetzt, ist die Vermietung nicht ganz einfach (siehe dazu Interview). Bezüglich weiteren Wachstums meint Rolf Würth deshalb: «Ich bin etwas stutzig geworden.» Schliesslich wolle man nicht am Markt vorbei produzieren.

Ganzen Bestand altersgerecht gestalten
Das Thema «Alter» beschränkt sich aber nicht auf den Neubau. «Schliesslich wird der Grossteil unserer Mieterinnen und Mieter in den bestehenden Wohnungen alt», erklärt Rolf Würth. Deshalb hat man beschlossen, alle Siedlungen barrierefrei zu gestalten. Dafür liess man 2008 von der Fachhochschule SUPSI eine Studie erstellen. Bei rund der Hälfte der Siedlungen sind alle gemeinsamen Einrichtungen wie Hauszugänge, Treppenhäuser, Waschküchen bereits überprüft und wo nötig angepasst worden. Dies sei durchaus mit vertretbaren finanziellen Mitteln möglich. Die Wohnungen selbst gestaltet man dort um, wo Mieter dies tatsächlich benötigen.
Innovativ ist die Alloggi Ticino schliesslich auch bezüglich Energiesparen und des Einsatzes erneuerbarer Energie. Mit der Isolation von Dächern und Fassaden und dem Ersatz der Fenster im Rahmen von Erneuerungen bringt man die Gebäudehüllen auf den heutigen Stand. Doch auch bezüglich Energieproduktion ist die Alloggi eine Vorreiterin: Auf gut einem Drittel ihres Bestands hat sie Photovoltaikzellen erstellt, wobei sie – dies ein Novum für das Tessin – in einigen Siedlungen den Strom direkt den Mieterinnen und Mietern verkauft. Für dieses vorbildliche Verhalten durfte sie kürzlich vom WWF die Auszeichnung «Il sole sul tetto 2017» in Empfang nehmen.