Max Renggli über die aktuelle Entwicklung im Holzbau

«Holz ist heute in jeder Beziehung konkurrenzfähig»

Dank der Lockerung der Brandschutzvorschriften werden immer mehr Wohnsiedlungen in Holz- oder Holz-Mischbauweise erstellt. Dabei hat die Branche technisch einen Quantensprung gemacht. Max Renggli, CEO der Renggli AG, ist denn auch überzeugt: Holz wird eine wichtige Rolle bei der Lösung der Zukunftsfragen im Bau- und Energiebereich spielen.

Interview: Richard Liechti | Bilder: Zeljko Gataric | Mai 2017

Wohnen: Holz ist im Trend – gerade bei den Baugenossenschaften, die der Nachhaltigkeit viel Beachtung schenken.

Max Renggli: Holz ist die nachhaltigste Art, wie man überhaupt bauen kann. Der Rohstoff ist in der Schweiz zur Genüge vorhanden, wächst nach – und sollte viel mehr genutzt werden. Doch Holz ist auch per se ein genialer Baustoff, der nicht nur statisch ein sehr gutes Verhalten aufweist, sondern eine sehr hohe Akzeptanz bei den Menschen geniesst. Gleichzeitig haben wir in den letzten zehn Jahren eine enorme technische Entwicklung erlebt.

Das hängt mit der Lockerung der Brandschutzvorschriften zusammen, die den Bau mehrgeschossiger Holzbauten erst möglich machte.

Der Fortschritt betrifft etwa den Tritt- oder Luftschall und die Brandsicherheit. Zusammen mit der Optimierung der Vorfabrikation führt dies dazu, dass Holz heute in jeder Beziehung konkurrenzfähig ist.

Preislich hiess es lange, Holz sei mindestens zehn Prozent teurer als Massivbau.

Das war früher eine Zusatzhürde für den Holzbau. Wenn man Gleiches mit Gleichem vergleicht, dann sind wir heute aber nicht mehr teurer. Man muss dabei bedenken: Holz hat den grossen Vorteil, dass es eine trockene und rasche Bauweise erlaubt. Eine Überbauung ist dann leicht in sechs bis acht statt in zwölf Monaten fertig. Gerade wenn man in dichten Quartieren baut oder im bewohnten Zustand saniert, ist das äusserst relevant.

Max Renggli (56) ist CEO und Inhaber der Renggli AG, Schötz. Er führt das 1923 gegründete Familienunternehmen in vierter Generation. Die Firma Renggli ist eines der führenden Unternehmen im Bereich Systemholzbau und gilt als Pionierin im nachhaltigen Bauen mit Holz. Sie tritt sowohl als Generalunternehmerin wie als Holzbaupartnerin für Architekten auf. Das Unternehmen beschäftigt an vier Standorten in Schötz, Sursee, Granges-Paccot und Muralto rund zweihundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zu den bekanntesten Bauten, die Renggli realisiert hat, gehören das erste sechsgeschossige Wohnhaus in Steinhausen (ZG), die erste Minergie-P-Sanierung einer grossen Wohnsiedlung (Bau­genossenschaft La Cigale, Genf) oder jüngst drei Holzbauten in der Grossüberbauung Freilager Zürich.

Bleiben wir bei der Nachhaltigkeit. Wird bei Renggli tatsächlich Schweizer Holz verbaut?

Das entscheidet der Bauherr. Wenn eine Baugenossenschaft hundert Prozent Schweizer Holz will, dann erhält sie hundert Prozent Schweizer Holz. Wir reden aber meist von «heimischem» Holz. Das stammt vor allem aus Deutschland, Österreich und der Schweiz oder aus nördlichen Ländern. Der Rohstoff wird in die Sägereien geliefert, zugeschnitten, getrocknet, verleimt und gelangt dann als fertiger Baustoff auf den europäischen Markt. Dabei kann es durchaus sein, dass Schweizer Holz in einer deutschen Sägerei verarbeitet wird und wieder zu uns zurückkehrt.

In Tat und Wahrheit könnten wir unseren Bedarf aber selber decken.

Was der Schweizer Wald jährlich zur Verfügung stellt, könnte den Bedarf um ein Mehrfaches decken. Und wenn Sie mich nach der Nachhaltigkeit fragen: Ich bin der Meinung, dass der richtige Ressourcenverbrauch für die Zukunft entscheidend sein wird. Und damit meine ich nicht nur, dass man einen nachwachsenden Rohstoff verwendet, sondern auch die gesamte Energieproblematik, also dass wir von fossilen Brennstoffen wegkommen und Energie selbst herstellen, sei es über Solartechnik, Erdwärme oder Wärmepumpentechnologie.

Baugenossenschaften bauen ja nicht einfach drauflos, sondern stellen vor jeder umfassenden Erneuerung langfristige Überlegungen an. Ist Ihre Firma da schon dabei?

Die Firma Renggli hat sich in den letzten zwanzig Jahren intensiv mit dem Wohnungsbau auseinandergesetzt und dabei ein Vorgehen in verschiedenen Phasen entwickelt. Am Anfang steht immer eine präzise Analyse des jeweiligen Gebäudes oder der Siedlung. Wie sieht es baulich aus, stimmen die räumlichen Gegebenheiten noch, wie ist die Energieeffizienz? Daraus erarbeiten wir für die Bauherrschaft ein strategisches Konzept. Vielleicht lohnt es sich, eine Siedlung noch minimal zu restaurieren, so dass sie für eine Lebensdauer von weiteren zehn oder zwanzig Jahren funktioniert. Eine andere Variante ist, dass man das gesamte Grundstück mit einbezieht und eine innere Verdichtung mit Anbauten oder Aufstockungen vorsieht, kombiniert mit einer energetischen Sanierung der Gebäudehüllen. Als dritte Variante betrachtet man den Gesamtbestand und überlegt, wo man renovieren soll und wo ein Ersatz Sinn ergibt.


«Billiger bauen kann man nur durch gescheite Konzepte.»


Sie bieten also eine Gesamtleistung als Totalunternehmung an, die auch das Strategische umfasst?

Es dünkt mich ganz wichtig, dass man nicht einfach von GU oder TU spricht. Es ist ein Prozess zwischen Bauherrschaft, Investor, Bewohnern und uns. Deshalb sind die verschiedenen Etappen grundlegend: zuerst die Analyse, so dass man zu einer Strategie gelangt. Dann die zweite Phase, in der sich das Projekt immer mehr verdichtet, wo man auch die Kosten ermittelt und festlegt, wer im Team ist. Erst danach kommen wir in einen GU-/TU-Bereich.

Das Stichwort «Bewohner» ist gefallen. Diese haben bei den Mitgliedgenossenschaften natürlich einen grossen Stellenwert. Baufirmen interessieren sich dafür meist weniger.

Die Mieter müssen mit einbezogen, ihre Bedürfnisse abgeholt werden. Das beginnt damit, dass der Investor klare Vorstellungen davon hat, wie er die Wohnungen nach der Sanierung vermieten will und ob die Mieten für die jetzigen Bewohner überhaupt noch tragbar sind.

Sie haben vorher vom Ressourcenverbrauch gesprochen. Tatsächlich mehren sich kritische Stimmen über die Unmengen an Dämmmaterial, das bei der Sanierung von Altbauten verbraucht wird. Baugenossenschaften setzen denn auch oft auf Ersatzneubauten.

Ich bin klar der Meinung, dass man Baustoffe richtig einsetzen soll. Dabei ist es tatsächlich fraglich, ob es sinnvoll ist, jedes alte Haus zu sanieren. Über eine saubere Planung kann man auch zu einem anderen Entscheid kommen. Gerade bei Objekten, die nicht energieeffizient sind und räumlich nicht mehr stimmen, ist der Ersatz vielleicht der bessere Weg. Natürlich gibt es Zeitzeugen, die man schützen muss. Aber bei vielen 1940er-, 1950er- oder 1960er-Bauten muss man an die ganz anderen Rahmenbedingungen denken, unter denen sie entstanden sind. Die Zukunft, in der wir jetzt schon leben, ist kein Fortschreiben der Vergangenheit, sondern eine Auseinandersetzung mit neuen Themen – und ich bin überzeugt, dass die Schweizer Planungsbranche dafür sehr gut aufgestellt ist.


«Energieeffizientes Bauen ist nicht per se teurer.»


Viele der neuen Holzbauten gelten architektonisch als herausragend. Es scheint sogar, dass bei Wettbewerben oft Projekte gewinnen, die Holz – sei es als Konstruktionsmaterial oder als Fassadenverkleidung – vorsehen. Wie haben Sie die Architekten ins Holzboot geholt?

Dafür gab es zwei Grundvoraussetzungen: Die baurechtliche Situation, die mehrgeschossigen Holzbau erst möglich machte, hat dazu geführt, dass die Architekten Holz wieder entdeckt haben. Gleichzeitig hat die Akzeptanz dank des technischen Fortschritts und der tieferen Preise zugenommen. Viele gute Architekturbüros arbeiten überdies gern mit Holz, weil dies eine präzise Planung und Detail­ausführung bedingt und deshalb eine anspruchsvolle Auseinandersetzung erfordert.

Stellt die Vorfabrikation kein Hindernis für die Kreativität dar?

Die Holzbauer haben in den letzten Jahren grosses Verständnis für architektonische Qualität entwickelt, was sich etwa im mittlerweile prominenten Prix Lignum niederschlägt. Wir arbeiten heute viel mehr in einer Symbiose, wo man gute Projekte von Anfang an im Team verschiedener Fachspezialisten entwickelt. Dazu zählen Themen wie Energieeffizienz, Ressourcenverbrauch oder Vorfertigung ebenso wie gute Architektur. Ich bin überzeugt, dass Architektur und Vorfabrikation in Zukunft noch viel enger zusammenarbeiten werden.

Die Wirtschaftlichkeit ist auch bei den Baugenossenschaften ein grosses Thema. Wie können die Kosten im Rahmen gehalten werden?

Ich ärgere mich manchmal über die Diskussion um das teure Bauen in der Schweiz, wenn es dann um den Stundenlohn des einzelnen Arbeiters geht. Billiger bauen kann man nur durch gescheite Konzepte, durch die Konzentration auf das Wesentliche. Das betrifft auch den individuellen Wohnraum, wo es künftig mehr um Funktionelles als um Ästhetik gehen muss. Oder die Technik, wo nicht so viel wie möglich, sondern so viel wie nötig gelten soll.

2015 hat die Firma Renggli das grösste Projekt ihrer Geschichte realisiert: drei sechsgeschossige Grossbauten auf dem Zürcher Freilager-Areal. Diese Überbauung gilt wegen der dichten Bauweise in einem städtischen Umfeld als vorbildlich – und tatsächlich werden in den nächsten Jahren noch einige solcher Areale überbaut, gerade von Genossenschaften. Was waren die grössten Herausforderungen?

Erst mal brauchen solche Arealüberbauungen viel mehr Zeit in der Planung und der Entwicklung, auch deshalb, weil viele Leute mitreden und sie leicht durch Einsprachen blockiert werden. Dann benötigt die Logistik in einem städtischen Umfeld absolute Professionalität. Nur ein Beispiel: Allein von unserer Seite mussten 450 Sattelschlepper mit Material ausgeliefert werden. Da war eine präzise Planung jeder An- und Wegfahrt nötig. Gleichzeitig galt es, die industrielle Vorfertigung auf Montage und Logistik abzustimmen. Eine Erkenntnis daraus lautete, dass die Planungs- und Organisationsteams in permanentem Kontakt sein müssen. Dabei haben die neuen BIM-basierten Kommunikationstools vieles erleichtert.

Beim mehrgeschossigen Holzbau ist der Marktanteil innert zehn Jahren von fast null auf sieben Prozent gestiegen. Wie geht es weiter?

Wenn wir uns fragen, welches die richtigen Bauten für die Zukunft sind, dann bin ich überzeugt, dass die Vorfabrikation einen grossen Stellenwert aufweisen wird, egal ob dies nun mit Holz, Stahl, Beton oder Glas ist. Im Holzbau haben wir schon vor zwanzig Jahren mit der Vorfabrikation begonnen. Ich denke, dass Holz deshalb auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird – und dass es weiter aufwärts geht.

Sie gelten als Pionier des nachhaltigen Bauens. Wird der technische Fortschritt die Zukunftsfragen rund um die Energieproblematik lösen? Oder braucht es doch persönliche Einschränkungen?

Ich denke schon, dass wir uns in Zukunft nicht mehr so verhalten können wie bisher. Dabei glaube ich aber auch, dass wir mit den neuen Technologien qualitativ besser bauen werden, so dass es kaum Einschränkungen braucht. Energieeffizientes Bauen ist nicht per se teurer. Wir haben schon heute die Technik dafür, obwohl die Energiefrage zweifellos eine Generationenaufgabe ist.