BG Rotach ersetzt Siedlung aus den 1930er-Jahren im Zürcher Triemliquartier

Mit frischen Ideen unterwegs

Mit «Triemli 1» bekennt sich die Baugenossenschaft Rotach zu modernen Wohnkonzepten: In einem der sieben Häuser leben Menschen ab 60, daneben sorgt ein breites Wohnungsangebot für einen guten Bewohnermix. Die Siedlung mit 167 Wohnungen entspricht zudem den Zielen der 2000-Watt-Gesellschaft und ist autoarm. Kommunikative Aussenräume und Mitgestaltungs­möglichkeiten sollen ein lebendiges Wohnquartier schaffen.

Von Liza Papazoglou | Bilder: Georg Aerni | Mai 2017

Zehn Jahre bedeuten manchmal Welten. Gross waren Vorbehalte und Widerstand der Genossenschafterinnen und Genossenschafter gegenüber dem 2006 fertiggestellten Rotachneubau Triemli 2 an der Paul-Clairmont-Strasse am Fusse des Üetlibergs. Zu wuchtig, zu hoch, zu gediegen und vor allem zu teuer, lautete das Verdikt der Unzufriedenen, die das Projekt an der GV beinahe versenkt hätten (siehe Wohnen 11/2006).
Auf fast einhellige Zustimmung hingegen stösst die Ersatzneubausiedlung Triemli 1. Sie liegt auf einer genossenschaftseigenen Landparzelle, die unmittelbar an Triemli 2 und zwei weitere kleine Rotachliegenschaften angrenzt, und ist Ende 2016 bezogen worden. Hier überzeugten sowohl das Konzept, mit dem man bewusst andere Wege als bei der gehobenen Nachbarssiedlung beschritten hat, als auch das Bauprojekt vom Zürcher Büro Hauenstein La Roche Schedler Architekten zusammen mit Kirsch & Kuhn Freiräume und Landschaftsarchitektur GmbH, das 2009 den Wettbewerb gewonnen hat. Es bietet wohldurchdachte Antworten auf die Lage zwischen der grossen Verkehrskreuzung an der Ecke Birmensdorfer-/Schweighofstrasse und dem begrünten Gartenstadtquartier Friesenberg. Und es erlaubt eine moderate Verdichtung, bei der guten Wohnungsgrundrissen ebenso Gewicht beigemessen wurde wie einer sorgfältigen Aussenraumgestaltung.

Alle Wohnungen wurden nach aussen geöffnet, entweder über grosse «Freiluftzimmer» in den Balkontürmen oder über Gartensitzplätze.

Zwischen Stadt und Dorf
Insgesamt sieben vier- bis achtgeschossige Gebäude sind auf das 14 350 Quadratmeter grosse Areal gesetzt. Die Höhenstaffelung erlaubt schöne Aus- und Durchblicke, aber auch eine stimmige optische Anbindung ans Quartier, das von Wohnbauten unterschiedlicher Bau­epochen sowie vom nahen Triemlispital geprägt wird. Den städtischen Auftakt zur Siedlung bilden zwei schmale Längsbauten entlang der Verkehrsachsen, die als Lärmriegel dienen. Die Strenge der langen Strassenfassaden lockern Klinkerflächen, die an die Gebäudesockel und verspielt über die Fassaden gesetzt wurden. Zwischen den beiden Bauten führt eine Treppe hinauf in den weitläufigen, leicht ansteigenden Hofbereich. In ihm liegen versetzt fünf Punkthäuser.
Wegnetze und immer intimer werdende Plätze führen durch die ganze Anlage und verbinden Triemli 1 mit den benachbarten Siedlungen. Viel Wert wurde auf gut nutzbare Aussenräume gelegt, die eine hohe Aufenthaltsqualität bieten und Begegnungen ermöglichen. So gibt es einen Wechsel von ruhigen Zonen und dorfplatzähnlichen Treffpunkten, diverse Sitzgelegenheiten, ein grosses Wasserbecken, unterschiedliche Bepflanzungen – darunter Obstbäume und Beerensträucher, von denen genascht werden darf – und von Kindern in Workshops selber mitgestaltete Spielzonen; vorgesehen sind neben den üblichen Elementen etwa ein Trampolin und ein Baumhaus. Die Erdgeschosswohnungen sind zwar mit eigenen Sitzplätzen versehen, diese sind aber nicht streng vom übrigen Aussenraum abgetrennt. Und durch die hofseitig angesetzten, in den Raum greifenden Balkontürme verfügen alle Wohneinheiten über eine Art Freiluftwohnzimmer, das auf drei Seiten geöffnet ist und sie mit dem Aussenraum verzahnt.

Die beiden Längsbauten bilden Lärmriegel zu den Strassen und Auftakt in die Siedlung.

Gute Durchmischung erreicht
Diese kommunikativen Qualitäten waren der Baugenossenschaft Rotach besonders wichtig, wie Christian Stelzer, Leiter Bau, erklärt. Denn mit Triemli 1 sollte ein lebendiges Quartier entstehen, in dem sich Menschen aller Lebensphasen und -alter wohl fühlen. Erklärtes Ziel waren denn auch zahlbare Wohnungen und eine gute Durchmischung von Familien-, Paar- und Singlehaushalten. Dies auch, weil ein Grossteil der Rotachsiedlungen aus den 1920er- und 1930er-Jahren stammt. Deshalb besteht ein Überhang älterer Dreizimmerwohnungen, die sich weder für Familien noch für Betagte eignen. Die neue Siedlung schafft nun Abhilfe: Ein breiter Mix verschieden geschnittener Wohnungen mit zweieinhalb bis fünfeinhalb Zimmern, darunter auch Atelier- und Maisonettewohnungen, ermöglicht unterschiedlichste Wohnformen. 167 Einheiten sind es insgesamt, ein Drittel mehr als in den Vorgängerbauten.
Seit dem Winter leben 400 Menschen von
0 bis 88 Jahren und mit zwanzig verschiedenen Nationalitäten hier. 110 davon sind Kinder. Bei der Vermietung konnten viele Neumitglieder berücksichtigt werden, sagt Geschäftsführer Jürg Aebli: «Ein Drittel der Wohnungen wurde an langjährige Genossenschafter vergeben. Die übrigen zwei Drittel gingen an Externe, die mehrheitlich bereits in den umliegenden Quartieren lebten.» Von den Mieterinnen und Mietern der Vorgängersiedlung hingegen sind nur vier Parteien wieder hergezogen. Dies wohl auch, weil alle, die dies wünschten, vor dem Abbruch in anderen Siedlungen der Rotach oder benachbarter Genossenschaften untergekommen sind. Möglich war dies dank einer frühzeitigen Planung und Kommunikation sowie der aktiven Unterstützung bei der Wohnungssuche – allen Mietern wurden zwei Objekte angeboten.

Blick in die Wohnungen. In den Langhäusern wurden Anhydritböden eingebaut, die Wohnungen in den Hofhäusern verfügen über Parkettböden.

Wohnen im Alter
Eine Besonderheit ist das Haus 60plus. Dieses wurde speziell für ältere Singles und Paare konzipiert, die sich für gemeinschaftsorientiertes Wohnen interessieren und bereit zu Eigeninitiative und Nachbarschaftshilfe sind. Es hat einen eigenen Gemeinschaftsraum, der neben der üblichen Infrastruktur auch über eine gemütliche Sofaecke verfügt. Davor liegt ein Platz, der mit einer Linde und einer Sitzbank zum Verweilen einlädt. Zudem beherbergt das Haus eine der beiden Pflegewohngruppen, die die Stadt in der Siedlung betreibt; die zweite liegt im Langhaus gegenüber. Selbstverständlich sind die Wohnungen barrierefrei, daneben punkten sie mit Details wie einfach be­dien­baren Drehknöpfen an den Herden, gut einsehbaren Glastablaren oder Küchenschemeln.
Beim Konzept habe man sich von guten Beispielen inspirieren und von Fachpersonen beraten lassen, erzählt Christian Stelzer. Das hat sich offenbar bewährt. «Das Interesse an den dreissig Zweieinhalb- und Dreieinhalbzimmerwohnungen war gross – bei unseren Mitgliedern, aber auch bei Externen, die sich für solche Wohnmodelle interessieren.» Bereits lange vor Bezug hat die Genossenschaft Workshops durchgeführt, in denen sich Interessierte einbringen konnten, und die Mietenden dabei unterstützt, eine Hausgemeinschaft zu bilden. Eine eigene Hauskommission vertritt nun die Anliegen der Bewohner 60plus, diese finanzieren mit einem Beitrag an eine Gemeinschaftskasse überdies gemeinsame Aktivitäten und Projekte.

Gemeinschaftlichkeit leben
Überhaupt wird Gemeinschaftlichkeit grossgeschrieben. Die gemeinsame Siedlungskommission der vier benachbarten Rotachsiedlungen sorgt für ein aktives Siedlungsleben und gute Vernetzung. Auf dem Dach eines Längshauses entsteht ein Gemeinschaftsgarten, der von Freiwilligen selber verwaltet und betrieben werden wird. Für Belebung sollen auch ein grosser Gemeinschaftsraum, ein Kinderhort und hoffentlich bald auch ein Café an der Strassenecke sorgen. Die nicht ganz einfache Suche nach einem geeigneten Betreiber läuft derzeit. Zur Verfügung stehen schliesslich zwei Gewerbeflächen im Erdgeschoss, deren Vermietung ebenfalls in Gang ist.
Die Nachfrage nach den Wohnungen war gross, obwohl die Mietzinse nicht ganz so günstig wie bei der Wettbewerbsausschreibung vorgesehen ausgefallen sind. Mit etwa 1100 bis 1440 Franken netto für eine Zweieinhalb- beziehungsweise 1980 bis 2640 Franken für eine Viereinhalbzimmerwohnung liegen sie für Zürcher Verhältnisse aber immer noch im erschwinglichen Bereich. Entschieden hat man sich für eine moderne, qualitativ hochwertige und langlebige, aber nicht luxuriöse Ausstattung, wie sie auch bei vielen anderen neueren Genossenschaftssiedlungen anzutreffen ist. Einen ungewöhnlichen Akzent setzen schmale freistehende Stützpfeiler in jeder Wohnung, die wie Sicht-Angelpunkte von den schmalen Gängen aus die Weite der Wohnräume eröffnen und die Diagonalen betonen.
Ein straffes Kostenmanagement sorgte dafür, dass der schliesslich an der GV bewilligte Baukredit von 73 Millionen Franken eingehalten wurde. «Dem ging eine anspruchsvolle Projektentwicklung voraus», sagt Christian Stelzer. In deren Verlauf wurden zum Beispiel die Grundrisstypen vereinheitlicht und optimiert, was eine leichte Erhöhung der Wohnungszahl ermöglichte. Gebaut wurde im konventionellen Modell mit örtlicher Bauleitung und Direkt­aufträgen. Verteuernd wirkte unter anderem der schwierige Baugrund; insbesondere galt es, ein Abrutschen des Lehmhangs zu verhindern – was beim Bau an der Paul-Clairmont-Strasse beinahe passiert wäre. 270 Pfähle von 25 Metern Länge sichern deshalb nun den Grund. In ihnen konnten Erdsonden in den Boden geführt werden, die zur Warmwasser- und Heiz­wärmegewinnung genutzt werden. Im Sommer wird Wärme in den Boden zurückgeführt.

Die Wohnungsgrössen variieren. Links Beispiel einer 4,5-Zimmer-Wohnung (110,6 m²) in einem Längshaus, rechts eine 3,5-Zimmer-Wohnung (69,6 m²) in einem Hofhaus.

Autoarm und 2000-Watt-orientiert
Die Siedlung orientiert sich an den Zielen der 2000-Watt-Gesellschaft und entspricht dem Minergiestandard. Auf eine Zertifizierung verzichtete die Rotach, weil man, so Christian Stelzer, Zusatzauflagen etwa bei der Dämmung nicht als sinnvoll erachtet habe. Dennoch wurde eine kontrollierte Lüftung mit Abluft- und Wärmerückgewinnung eingebaut. 670 PV-Module auf den Dächern versorgen die Siedlung mit Strom; erwartet wird ein jährlicher Energieertrag von gut 180 MWh, was dem Verbrauch von etwa 55 Personenhaushalten entspricht und einer Vermeidung von 133 Tonnen CO2.
Erstmals betreibt die Rotach mit Triemli 1 zudem eine autoarme Siedlung. Dafür musste sie ein Mobilitätskonzept erstellen und hat jedes Jahr einen Bericht an die Stadt abzuliefern. Dies ermöglichte es ihr, nur die Hälfte der üblichen Pflichtparkplätze zu erstellen. Die Bewohnenden ihrerseits verpflichten sich, nur in Ausnahmefällen ein Auto zu halten. Erleichtert wird dies durch die gute Erschliessung mit öffentlichen Verkehrsmitteln; ausserdem stehen 425 teils gedeckte Veloparkplätze und Ladestationen für E-Bikes zur Verfügung. Haushalte ohne Auto erhalten pro Jahr für 120 Franken Railchecks. Für die Miete eines der 46 Tiefgaragenparkplätze braucht es eine Bewilligung der Genossenschaft.
Man sammle nun Erfahrungen, sagt Christian Stelzer. Bei der Vermietung jedenfalls seien durch das reduzierte Parkplatzangebot kaum Probleme aufgetaucht. Für die urbane Mieterschaft sei das Konzept vielmehr eine Qualität. Eine von vielen: «Die Siedlung ist ausnehmend toll, und ich bin rundum überzeugt von ihren hohen Qualitäten und dem vielfältigen Angebot.» Die Mieter dürften wohl zustimmen. In zehn Jahren ist tatsächlich viel passiert.

Baudaten

Bauträgerin:

Baugenossenschaft Rotach, Zürich

Architektur:

Hauenstein La Roche Schedler
Architekten, Zürich

Landschaftsarchitektur:

Kirsch & Kuhn Freiräume und Landschaftsarchitektur GmbH, Wetzikon

Bauleitung:

GMS-Partner AG, Zürich

Unternehmen (Auswahl):

Marti AG (Baumeisterarbeiten)
Elibag Elgger Innenausbau AG (Küchen)
Kone (Schweiz) AG (Aufzüge)
Lenzlinger AG (Parkett, Plattenarbeiten)
Dolder Wärmetechnik AG (HLK)
4B Fenster AG (Fenster Holz/Holz-Metall)
Sada AG (Sanitäranlagen)

Umfang:

7 MFH
167 Wohnungen
2 Pflege­wohnungen
2 Gemeinschaftsräume
Kinderhort
3 Gewerbeflächen
425 Veloparkplätze
46 Autoeinstellplätze

Baukosten (BKP 1–5):

72,9 Mio. CHF total
4741 CHF/m² HNF (ohne Parkierung)

Mietzinsbeispiele:

2 ½-Zimmer-Wohnung (49–60 m²):
1101–1438 CHF plus 82–122 CHF NK
3 ½-Zimmer-Wohnung (63–78 m²):
1398–1869 CHF plus 92–107 CHF NK 4 ½-Zimmer-Wohnung (89–111 m²):
1981–2644 CHF plus 112–127 CHF NK