Solarwärme senkt Fernwärmebezug für Brauchwarmwasser und Heizung

Die Sonne heizt der Dusche ein

Heute werden viermal weniger Solarthermie-Kollektoren verkauft als noch vor zehn Jahren. Gegen den Strom schwimmt die Sowag AG für sozialen Wohnungsbau, die in Pratteln (BL) eine Solarwärme­anlage realisierte. Die Erwartungen wurden übertroffen.

Von Thomas Bürgisser | Bilder: Barbara Sorg, zVg | 2022/05

Die Sowag AG für sozialen Wohnungsbau will bezüglich Energie unabhängiger werden, nachhaltig handeln und in die Zukunft investieren. «Entsprechend schade wäre es, wenn die Flachdächer unserer drei Liegenschaften hier einfach ungenutzt blieben», erklärt Paul Rüst die Idee für ein Solarenergieprojekt in Pratteln. Der Sowag-Präsident holte sich als technischen Berater Martin Huber mit ins Boot, Baufachmann und Vorstandsmitglied des Regionalverbandes Nordwestschweiz von Wohnbaugenossenschaften Schweiz. Zuerst dachten die beiden an eine Photovoltaikanlage, womit sie aktuell nicht alleine sind: Innerhalb von zehn Jahren verzehnfachte sich die jährlich verkaufte Gesamtleistung von PV-Modulen auf fast 500 Megawatt im Jahr 2020. Anders die Solarwärme: Mit 40 000 Quadratmeter Kollektorfläche wurde 2020 viermal weniger verkauft als noch 2010.
David Stickelberger, Geschäftsleiter des Fachverbandes für Sonnenenergie Swissolar, sieht als Hauptgrund den Sinneswandel im Heizbereich. So nimmt die Solarthermie in den Mustervorschriften der Kantone im Energie­bereich (MuKEn) eigentlich eine prominente Rolle ein, weil sie je nach kantonaler Umsetzung die Erneuerung von Öl- und Gasheizungen ermöglicht. «Viele aber schwenken inzwischen auch im Bestand direkt auf erneuerbare Energien um. Vor allem die Wärmepumpe boomt, was wiederum die Stromfrage ins Zentrum stellt und gleichzeitig die Medienpräsenz für PV steigert.» Leo-Philipp Heiniger, Fachspezialist Solarenergie beim Bundesamt für Energie (BFE), führt ausserdem die attraktive Förderung für PV an. «Auch haben PV-Module in den letzten Jahren eine massive Kostenreduktion erfahren, die bei Solarthermiekollektoren so nicht beobachtet werden konnte. Gleichzeitig ist Solarwärme anspruchsvoller in der Umsetzung, vor allem mit Heizungsunterstützung.»

Vakuumröhrenkollektoren sind leistungsstärker als Flachkollektoren. Sie wurden auf ­einer Fläche von 90 Quadratmetern auf dem Dach eines Mehrfamilienhauses an der Siebenjurtenstrasse montiert.

Im ehemaligen Öltankraum des Mehrfamilienhauses stehen heute drei 4000-Liter-Wassertanks. Sie sorgen dafür, dass am Morgen meist noch sonnengewärmtes Wasser vom Vortag vorhanden ist.

25 Prozent Fernwärme eingespart
Für die Überbauung der Sowag in Pratteln aber empfahl die Planungs- und Installationsfirma Omlin Energiesysteme nach ersten Abklärungen trotzdem Solarwärme zur Brauchwasser­erwärmung. Zum einen hatte man bereits 1996 von Heizöl auf Fernwärme umgestellt. Diese stammt aktuell von einem erdgasbetriebenen Blockheizkraftwerk sowie zur Spitzenlastab­deckung von einem Ölheizkessel. In wenigen Jahren soll die Wärme von einem Wärmeverbundzusammenschluss kommen, voraussichtlich aus der Verbrennung von Holzschnitzeln sowie teilweise Öl und Klärschlamm. Zum ­anderen musste man die Warmwasserbereitung so oder so angehen. Bis anhin hatte man nur zwei Warmwassertanks mit je 1500 Litern. Vor allem morgens reichte das nicht für alle 64 Wohnungen mit rund 150 Bewohnenden. Aber auch sonst musste mindestens alle zwei Stunden intensiv nachgeheizt werden.
«Heute sorgen drei neue 4000-Liter-Warmwassertanks im ehemaligen Öltankraum dafür, dass am Morgen meist sogar noch sonnengewärmtes Warmwasser vom Vortag vorhanden ist», führt Huber aus. Gewonnen wird dieses seit Juni 2021 über eine 90 Quadratmeter grosse Thermosolaranlage auf nur einer Dachfläche. Bei den richtigen Dimensionierungen spielten der bisherige Verbrauch und die Bewohnerzahl eine Rolle, aber auch die Wahl von Vakuumröhrenkollektoren. Diese sind effizienter als Flachkollektoren, was einer vereinfachten, flachen Installation auf dem Dach entgegenkam. Jedoch besteht eine latente Überhitzungsgefahr. Diese wird mit dem Speichervolumen abge­federt und ergänzt von einem doppelten Überhitzungsschutz mit Abschaltautomatik sowie Sicherheitsventilen im Primärkreislauf. «Auf eine allfällige Beschattung können wir nach heutigem Ermessen verzichten», so Huber.
Allgemein sei für eine möglichst optimale Ausnutzung entscheidend, dass sämtliche Systemkomponenten und Abläufe perfekt auf­einander abgestimmt sind. Die Solarwärme wird über den Kamin in den Keller geführt und im unteren Bereich der Tanks eingebracht. Erst im oberen Drittel gelangt bei Bedarf die Fernwärme in die Tanks – «da Wärme steigt, wird so jeweils nur ein Teil mit Fernwärme gewärmt.» Die ersten vier Monate bis Oktober war dies aber gar nie nötig, womit die Erwartungen übertroffen wurden. Über den gesamten Jahresverlauf dürfte der Warmwasserbedarf zu gut 55 Prozent mit Solarwärme gedeckt werden. Dadurch sinkt der Fernwärmebezug für Brauchwarmwasser und Heizung gesamthaft um rund 25 Prozent, wobei sich hier auch eine gleichzeitig sanierte Heizungssteuerung und -verteilung auswirken.

Die Solarwärme wird über den Kamin in den Keller geführt und im unteren Bereich der Tanks ­eingebracht.

Über den gesamten Jahresverlauf dürfte der Warm­wasserbedarf der drei Wohnblöcke dank der neuen Anlage zu gut 55 Prozent mit Solarwärme gedeckt werden.

Solarwärme oder ­Solarstrom
Ob sich eher Solarwärme oder Solarstrom lohne, sei sehr individuell, führt Leo-Philipp Heiniger vom BFE aus. «Das ist abhängig von Faktoren wie allfällige Elektromobilität, Lage und Ausrichtung der Liegenschaft oder Art der Wärmeerzeugung.» Das bestätigt auch David Stickelberger von Swissolar: «Manchmal kann auch die Kombination von Solarwärme mit Wärmepumpe Sinn machen, etwa zur Heizungsunterstützung oder zur Regeneration von Erdsonden.» Das seien aber individuelle Lösungen. Er sieht Solarwärme für Brauchwasser wie auch als Heizungsunterstützung neben der Gas- und Ölheizung als ideale Ergänzung zur Schnitzel- oder Pelletheizung, um Holz zu sparen. «Auch die Kombination mit Fernwärme aus Holzenergie ist naheliegend. Abwärme aus der Industrie oder Kehrichtverbrennung wiederum fällt das ganze Jahr an. Und nicht alle Anbieter begrüssen einen sinkenden Fernwärmebezug.»
Die Sowag ist mit dieser Frage direkt auf den Anbieter zugegangen, im Wissen darum, dass 2026 eine Vertragserneuerung ansteht. «Ausserdem glätten wir mit den grossen Speichern die Bezugsspitzen am Morgen», betont Rüst. Man sei auf Goodwill gestossen und konnte die überdimensionierte Fernwärmeanschlussleistung von 300 auf 150 Kilowatt und damit die jährliche Grundgebühr um 5000 Franken senken. «Nach zwei, drei Jahren Erfahrung können wir die Leistung allenfalls sogar um weitere 20 bis 30 Kilowatt reduzieren», hofft Huber. Allgemein blickt man optimistisch in die Zukunft und strebt an, dass die Anlage in 15 Jahren amortisiert ist. 410 000 Franken investierte Sowag und erhielt zusätzlich rund 40 000 Franken Fördergelder von Kanton und Gemeinde.
Für die Bewohnenden gab es eine Mietzinserhöhung, die zusammen mit weiteren Heizungs- und Erneuerungsarbeiten im Schnitt auf 60 Franken kam, während monatlich 15 Franken weniger Nebenkosten anfallen. «Gleichzeitig bieten wir aber mehr Komfort und sind weniger abhängig von Externen. Auch der Anlagenunterhalt hält sich in Grenzen und wird vom Hauswart gemacht», freut sich Rüst, der zusammen mit Huber bereits über ein nächstes Projekt nachdenkt. «Vielleicht lässt sich auf den anderen zwei Dächern jetzt noch eine PV-Anlage realisieren.»

Erfahrungen und Tipps zu Solarwärme

  • Leo-Philipp Heiniger zu Fördergeldern: «Während bei Solarstrom der Bund zuständig ist, sind es bei der Solarwärme die Kantone. Entsprechend verschieden sind die kantonalen Fördermechanismen bei Solarwärme. Eine gute Übersicht gibt es auf www.energiefranken.ch»
  • Leo-Philipp Heiniger zur Rentabilität: «Ob sich eher Solarstrom oder Solarwärme lohnt, hängt von sehr vielen Faktoren ab. Einen ersten spielerischen Überblick gibt es auf www.energieschweiz.ch/solarrechner
  • David Stickelberger zu Röhrenkollektoren: «Sie sind vor allem bei nicht ganz idealen Flächen interessant, etwa wenn Kollektoren nicht angewinkelt werden können. Gleichzeitig sind sie tendenziell anfälliger für Hagelschäden und Überhitzungen, weshalb sie weniger zum Einsatz kommen und sorgfältig geplant sein müssen.»
  • Martin Huber zur Traglast: «Hier empfehle ich genaue Abklärungen, nicht nur einen Blick in Schalungs- und Armierungspläne. Wir mussten die Traglast reduzieren und in der Folge Kollektorgruppen verbinden, um sie vor Böen zu sichern.»
  • David Stickelberger zu Herausforderungen: «Diese liegen bei der Solarwärme im Platzbedarf für die Speicher sowie in der Steuerung beziehungsweise dem Zusammenspiel von Heizung, Speicher und Kollektoren. Kompetente Fachplaner finden sich über die Solarprofi-Suche auf der Website von Swissolar.»