Pro Familia in Altdorf (UR) erstellt Ersatzneubauten mit 48 Wohnungen

Mit den richtigen Partnern zum Ziel

Noch sind Ersatzneubauten ausserhalb der grossen Städte selten. Die Pro Familia in Altdorf (UR) wagte den Schritt trotzdem und baute anstelle unternutzter Zweifamilienhäuser eine moderne Wohnsiedlung. Sie ermöglicht nicht nur Bergsicht für alle, sondern plant auch die Gemeinschaftlichkeit mit ein. Der Vermietungserfolg war erstaunlich.

Von Daniel Krucker | Bilder: Roger Frei | Mai 2016

Ringhörigkeit, schlechte Isolation, Zimmer mit kaum zehn Quadratmetern Grösse und – vor allem – ständige Unterhaltsarbeiten. Das sind die bekannten Mängel eines Altbaus, die Genossenschaftsvorstände zum Nachdenken bringen. 2010 beschäftigten diese Themen auch die Verantwortlichen bei der Wohnbaugenossenschaft Pro Familia in Altdorf. Das Sorgenkind war die Stammsiedlung aus dem Jahr 1946. Neben baulichen Mängeln zählte dabei auch die Tatsache, dass in den elf Zweifamilien- Pro Familia in Altdorf (UR) erstellt Ersatzneubauten mit 48 Wohnungen Mit den richtigen Partnern zum Ziel häusern gerade mal 26 Genossenschafterinnen und Genossenschafter lebten. Nach ersten internen Diskussionen kontaktierten die Verantwortlichen die Förderstelle des Regionalverbandes Zürich. Für den Präsidenten Urs Amrhein ein logischer Schritt, weil der heutige Vorstand noch nie ein grösseres Projekt wie einen Neubau aufgegleist hatte. Er betont denn auch, wie wichtig und hilfreich der Austausch mit der Förderstelle und deren Beratungsleistungen für die Pro Familia waren.

Der Situationsplan zeigt die kreuzähnliche Ausrichtung der beiden Bauten.

Sämtliche Fenster reichen bis zum Boden und bringen viel Licht in die Wohnungen.

Von unten bis oben gleich: Die rationelle Bauweise wirkt positiv auf die Kosten.

Persönliche Gespräche

Viele der Bewohnerinnen und Bewohner der alten Siedlung lebten schon seit Jahrzehnten in einer der 64 Quadratmeter kleinen 4-Zimmer- Wohnungen und waren auch emotional stark mit ihrem Zuhause verbunden. Vizepräsidentin Bernadette Rubischung nahm sich deshalb viel Zeit für Gespräche. Sie besuchte alle betroffenen Genossenschafterinnen und Genossenschafter persönlich, um die Sichtweise des Vorstandes zu erklären. Bernadette Rubischung ist überzeugt, dass die transparente Information und vor allem die lange Vorbereitungszeit wesentlich zum guten Gelingen des Projekts beigetragen hätten. Nach den üblichen internen Abstimmungen holte sich die Genossenschaft mit dem Wohnbaubüro einen weiteren wichtigen Partner ins Boot. Die Dietliker Bauberater unterstützen und begleiten Projekte in einzelnen Abschnitten oder auch von Anfang bis Ende. Für die Pro Familia schrieb das Wohnbaubüro einen Studienauftrag aus, den das Büro Meletta Strebel Architekten mit Niederlassungen in Zürich und Luzern gewann.

Grosse Verdichtung

Reto Padrutt, Projektleiter beim Architekturbüro, erinnert sich, wie man am Anfang viel ausprobiert habe und zur Überzeugung gelangt sei, dass mit Zeilenbauten keine befriedigenden Aussenräume geschaffen würden. Die Jury überzeugt haben die Planer mit zwei identischen, kreuzförmigen Baukörpern, die leicht geknickt zueinander stehen. Diese Setzung sorgt dafür, dass die beiden Häuser keine monolithische Wirkung entfalten. Durch die Kreuzarme der Gebäude sind mehrere kleine Hofsituationen entstanden, «grüne Buchten» genannt. Die Genossenschaft lässt offen, wie diese in Zukunft genutzt werden sollen, und setzt auf die Eigeninitiative der Bewohnerinnen und Bewohner. Mit 15 Quadratmeter grossen Balkonen verfügen die 48 Wohnungen über einen privaten Aussenraum, der diesen Namen auch verdient. Gleichzeitig ist man dem Nachbarn nah – dies ist so gewollt und auch ein Ergebnis der fast maximal ausgeschöpften Ausnützungsziffer. Wer hier einzieht, weiss um die «Durchlässigkeit» der Balkone. Damit das auch so bleibt und daraus keine blickdichten Boxen werden, hat die Genossenschaft im Hausreglement ausdrücklich festgehalten, dass Sichtschutz nicht erlaubt ist.

Gebirge wird zum Blickfang

Altdorf ist umgeben von einer imposanten Bergwelt. Nicht zuletzt wegen dieser Szenerie entschieden sich Meletta Strebel Architekten für kreuzförmige Bauten. «Wir wollten allen Wohnungen einen möglichst vielfältigen Bezug zu allen Seiten geben», bringt es Reto Padrutt auf den Punkt. Tatsächlich orientieren sich die meisten Wohnungen auf drei Seiten, was vielfältige Weit- und Ausblicke ermöglicht. Auf Attikawohnungen wurde bewusst verzichtet. Nicht nur wegen der rationelleren Bauweise, die Genossenschaft wollte auch aus Gründen der Gleichheit keine Attikas anbieten. Die zertifizierte Minergiesiedlung wird durch Fernwärme mit Energie versorgt. Im benachbarten Schattdorf steht ein Holzschnitzel- Heizkraftwerk, das bisher Industriebauten mit Wärme belieferte und nun mit der Wohnsiedlung in Altdorf ein neues Kapitel aufschlägt. Das Potential ist vorhanden: Im gesamten Tal sollen in den nächsten Jahren bis zu 600 neue Wohnungen entstehen.

Réduit in der Küche und Einbauschränke im Gang: Für Stauraum ist gesorgt.

Einsicht erwünscht: Die Balkongeländer dürfen nicht abgedeckt werden.

Grundriss einer 4 ½-Zimmer-Wohnung mit 106 Quadratmetern Fläche.

Vermietung wie am Schnürchen

Der Neubau kommt ohne Gemeinschaftsraum aus, so wie alle anderen Siedlungen der Genossenschaft auch. Bernadette Rubischung erzählt, dass Feste der Pro Familia traditionell draussen stattfänden. Mit dem Neubau hat die Genossenschaft dafür einen zentralen Platz geschaffen, der von einem grossen Sportfeld dominiert wird: wahrlich ein tolles Angebot für Kinder und Jugendliche. Und falls das Wetter mal Kapriolen schlägt, ist ein Ausweichen in den Eingangsbereich, den sich die beiden Häuser des Ersatzneubaus teilen, problemlos möglich. Dieser ist nämlich nicht nur grosszügig bemessen, sondern durchaus auch als Begegnungsort gedacht, wie Reto Padrutt anmerkt. Warme Materialien und eine ruhige Lichtführung sorgen für eine angenehme Atmosphäre. Sämtliche Wohnungen waren denn auch innerhalb von drei Monaten vermietet – fast durchwegs an neue Genossenschafterinnen und Genossenschafter.

Baudaten

Bauträgerin:

Wohnbaugenossenschaft Pro Familia, Altdorf

Architektur, Kostenplanung und Bauleitung:

Meletta Strebel Architekten AG, Luzern

Unternehmen (Auswahl):

Josef Baumann AG, Flüelen (Baumeister)
ARGE Holz Uri, Altdorf (Fassadenbau)
Püntener Fenster GmbH, Erstfeld (Fenster)
Arnold AG, Schattdorf (Heizung)
Bissig AG, Schattdorf, und Markus Püntener
AG, Attinghausen (Küchen)
Kone (Schweiz) AG (Aufzüge)

Umfang:

48 Wohnungen (6 × 2 ½ Zimmer,
14 × 3 ½ Zimmer, 24 × 4 ½ Zimmer,
4 × 5 ½ Zimmer), 3 Studios (ohne Küche)

Baukosten (BKP 1–5):

22,3 Mio. CHF total
4825 CHF/m2 HNF

Mietzinsbeispiele:

3 ½-Zimmer-Wohnung 3. OG (86 m2):
1450 CHF plus 140 CHF NK
4 ½-Zimmer-Wohnung EG (106 m2):
1700 CHF plus 170 CHF NK
5 ½-Zimmer-Wohnung 3. OG (113 m2):
1910 CHF plus 190 CHF NK