Die Baugenossenschaft Glattal Zürich (BGZ) hat erstmals einen Spielplatz partizipativ erstellt

Ein Spielplatz zum Abheben

Von der Idee bis zum Bau: Der Spielplatz in der BGZ-Siedlung Pfaffenlebern in Rümlang (ZH) ist gemeinsam mit den Kindern, die ihn nutzen werden, entstanden. Die Erkenntnisse aus dem Projekt will die BGZ künftig in die Freiraumgestaltung einfliessen lassen.

Von Liza Papazoglou | Bilder: Regula Fritz, zVg | Oktober 2020

Strahlender Sonnenschein, strahlende Kinder: Mitte September konnten die jungen Bewohnerinnen und Bewohner der Siedlung Pfaf­fenlebern im flughafennahen zürcherischen Rümlang ihren neuen Spielplatz offiziell in Betrieb nehmen – und damit ihr eigenes Flugzeug samt Tower. Denn genau dies wünschten sich die Kinder für die aus Holz erstellten Kletter- und Spielanlagen. Die Idee dazu hatten sie in Workshops vor Einzug entwickelt, die die Baugenossenschaft Glattal Zürich (BGZ) im Herbst 2018 für sämtliche künftigen Mieter der neuen Siedlung angeboten hatte. Selber Hand anlegen konnten sie nun endlich in diesem Sommer; die Kinder haben beim Bau der Anlagen tatkräftig mitgewirkt und etwa die Flugzeugflügel aus Holz gefügt und mit Karretten Holzschnitzel als Fallschutzbelag hinzugekarrt.
Auch wenn Kinderpartizipation in den letzten Jahren immer öfter zum Einsatz kommt, wenn es um die Gestaltung von Aussenräumen geht: Die 1942 gegründete Traditionsgenossenschaft betritt damit Neuland. Bei vielen BGZ-Siedlungen seien die Baubudgets üblicherweise zu knapp, als dass Ressourcen für solche aufwändigen Prozesse übrigblieben. Zudem sei es unüblich, solche grössere zum Bau gehörende Spielelemente zeitlich weit nach Fertigstellung eines Ersatzneubaus umzusetzen, erzählt René Fuhrimann, Leiter Fachbereich Zusammenleben. In Rümlang hingegen seien die Bedingungen günstig gewesen: «Wir konnten uns Zeit nehmen für alle Prozessphasen, auch nach dem Einzug.» Wegen der Vorgaben der Gemeinde bezüglich Biodiversität war eine naturnahe Gestaltung eh gegeben, sodass unter anderem Spielwiesen statt Rasen angelegt wurden.

Für alle Altersstufen
Die BGZ nutzt nun das Projekt, um Erfahrungen zu sammeln. Zwei wichtige Erkenntnisse könne man auf jeden Fall jetzt schon mitnehmen, sagt René Fuhrimann: Erstens brauche es einen zentralen Begegnungsort in der Siedlung als generationenübergreifenden Treffpunkt für alle, der über genügend Schatten sowie Sitzgelegenheiten mit Lehnen auch für die älteren Menschen verfügen müsse. Zweitens sollten die Anlagen vielfältig nutzbar sein und für Kinder aller Altersstufen funktionieren.
Wie das geht, weiss Jerry Wissmann. Der ehemalige Primarlehrer und Schreiner hat mit seiner Firma Krummholz, die auf individuelle Spielgeräte aus Massivholz spezialisiert ist, den Spielplatz zusammen mit der BGZ und den Bewohnenden geplant und umgesetzt. «Bei solchen Anlagen ist es wichtig, dass Kinder lernen können, Höhe zu erleben, Risiken einzuschätzen und zu beurteilen, wo sie hoch- und selber wieder runterkommen.» Beim Turm etwa erreichen kleinere, noch nicht so kräftige Kinder dank grossen Abständen nur die unteren Bereiche, grössere Kinder können ihn ganz erklimmen. Und während Jüngere die Flugzeugflügel einfach queren, nutzen Ältere sie zum Beispiel als Bühne, um sich zu produzieren.

Grosse und kleine Bewohnende der Siedlung Pfaffenlebern in Rümlang (ZH) haben im Frühsommer gemeinsam Hand angelegt. Und wo nötig auch mal eine Pause eingelegt.

Auch bei partizipativ entwickelten Aussenräumen ist eine Rutsche meistens auf dem Wunschzettel der Kinder. Auf dem Pfaffenlebern-Spielplatz wurde sie in den «Flughafentower» integriert.

Nutzbar für weitere Planungen
Mit dem Resultat sind alle glücklich. Doch auch der Weg dahin bedeutete eine wertvolle Erfahrung, sagt René Fuhrimann. Ein gutes Dutzend Kinder war schon zu Beginn des Prozesses involviert, als es darum ging, gemeinsam zu erarbeiten, was überhaupt gebaut werden sollte. Bei der ersten Versammlung konnten die Kinder mit Stiften zu Papier bringen, was sie sich wünschten. «Da kamen ganz viele Ideen zusammen», erinnert sich Siedlungsbewohner Agron Mustafai, der in der Arbeitsgruppe Spielplatz mitwirkt. Viele der Ideen seien aus Budget-, Platz- oder Unterhaltsgründen zwar nicht umsetzbar gewesen. Das Flugzeug und ein Flughafentower mit Rutschbahn aber schon. Zusätzlich wünschten sich die Kinder einen Sandkasten. Bei der Umsetzung fuhren Eltern und BGZ dann vorerst ohne Kinder weiter – bis zu dem Tag im Frühsommer, wo man sich gemeinsam an den Bau machte. Den eigenen Spielplatz mitbauen, selber anpacken – «mega cool» hätten das die Kinder gefunden, erzählt René Fuhrimann, und sie seien stolz auf ihren Beitrag.
Bei künftigen Projekten wird nicht jedes Mal wieder ein so umfassendes Partizipationsverfahren möglich sein. «Das hier war schon eine Maximalvariante, mit grossem Aufwand und nicht unerheblichen Kosten», sagt René Fuhrimann. Gelohnt habe es sich trotzdem. Die gemachten Erfahrungen würden sicherlich in weitere Planungen einfliessen. 08/15-Spielplätze jedenfalls soll es bei der BGZ nicht mehr geben. Deshalb spannt sie bei einem ihrer nächsten, eher kleinen Ersatzneubauvorhaben in Zürich Schwamendingen mit der reformierten Kirche zusammen, die gleich auf der Nachbarparzelle ebenfalls einen Ersatzbau erstellen will. Statt im Alleingang einen kleinen Spielplatz realisiere man besser gemeinsam eine richtig tolle Anlage.

Sicherheit für jeden Fall

Entstehen Freiräume partizipativ, kommen meist nicht klassische Spielgeräte zum Einsatz, sondern es werden individuelle Anlagen gebaut. Auch bei diesen sind Sicherheitsanforderungen nach dem Stand der Technik einzuhalten. Spezialisierte Planungsfirmen kennen diese selbstverständlich.
Doch auch Baugenossenschaften stehen in der Pflicht: Sie haften nämlich gemäss Art. 58 Obligationenrecht (OR) für Schäden, die fehlerhafte Anlagen oder mangelhafter Unterhalt verursachen. Als Eigentümerinnen müssen sie garantieren, dass Zustand und Funktion ihres Werks niemanden gefährden. Sie haften bei einem Unfall 

nur dann nicht, wenn bei Erstellung und insbesondere Unterhalt des Spiel­platzes alle objektiv erforderlichen und ­zumutbaren Sicherheitsvor­kehrungen getroffen wurden. Regel­mässige vi­suelle und operative Kon­trollen sind also unerlässlich. Die Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) empfiehlt für öffentlich zugängliche Spielplätze, sich an die Norm SN EN 1176 zu ­halten. Seit April 2020 sieht diese vor, dass die Hauptinspektion durch eine unabhängige Kontrollstelle zwingend jährlich durchzuführen ist; bisher wurde dies lediglich empfohlen.
Weitere Informationen: www.bfu.ch/de/ratgeber/spielplaetze