Eigenverbrauch macht Solarstrom rentabel

Sonnige Zeiten für «Prosumenten»

Wer Solarstrom produziert, darf diesen seit 2015 selbst verbrauchen. Nur Überschüsse werden ins öffentliche Netz eingespeist. Finanziell ist dieses «Prosumenten»- Modell attraktiver als Normalstrom vom Elektrizitätswerk. Baugenossenschaften müssen dabei einige Besonderheiten beachten, wie das Beispiel der Wohngenossenschaft Rossfeld in Bern zeigt.

Von Elias Kopf | Bild: Andreas Bevern | Juni 2016

Mit der 2008 eingeführten kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) wollte der Bund den Betrieb von Solarstromanlagen rentabel machen. Das Förderkonzept führte anfänglich zwar zu einem starken Ausbau der Solarenergie in der Schweiz, doch mittlerweile hat das System einen gravierenden Haken: «Wer aktuell eine Photovoltaikanlage anmeldet, hat kaum mehr realistische Chancen, in die KEV-Förderung aufgenommen zu werden», teilte das Bundesamt für Energie im «KEV-Faktenblatt Photovoltaik» vom 22. Januar 2016 mit. Über 35 000 Anlagen stehen mittlerweile auf der Warteliste; im laufenden Jahr werden bloss jene Anlagen in die KEV aufgenommen, die vor dem 9. November 2011 angemeldet worden sind. 2017 sollen dann die restlichen November- 2011-Anmeldungen in die Kränze kommen. Somit liegt man bei den KEV-Bewilligungen inzwischen nicht nur fünf Jahre zurück, sondern arbeitet pro Jahr zudem bloss die Anmeldungen eines einzigen Monats ab. Nach Adam Riese ergäbe das für ein heute eingereichtes Gesuch eine Wartezeit von über einem halben Jahrhundert.

Eigenverbrauch ermöglicht Rentabilität

Daher empfiehlt Lars Konersmann, Photovoltaikexperte beim Verein Energie Zukunft Schweiz (EZS), sich nicht bis zum Sankt-Nimmerleins- Tag zu gedulden, sondern für neue Anlagen statt der KEV eine Einmalvergütung zu beantragen. Dieses Förderinstrument des Bundes wurde für Photovoltaikinstallationen unter 30 kW Leistung geschaffen – das entspricht einer Panelfläche von bis zu 180 Quadratmetern. Mit der Einmalvergütung erhält der Anlagenbetreiber innerhalb von sechs Monaten bis zu dreissig Prozent der Investitionskosten ausbezahlt. «Weil sich die Solartechnologie in den vergangenen Jahren stark entwickelt hat, kostet die Produktion von Solarstrom heute bereits weniger als Strom aus dem öffentlichen öffentlichen Netz», erklärt Lars Konersmann. Wer in die Sonnenenergie investiere, leiste somit nicht nur einen Beitrag zum Umweltschutz, sondern spare obendrein auch Geld. Damit sich die Sache tatsächlich rechnet, muss allerdings das sogenannte Eigenverbrauchsmodell umgesetzt werden. Bei diesem Konzept wird der auf dem eigenen Dach produzierte Solarstrom nicht wie bei der KEV vollständig ins öffentliche Netz eingespeist, sondern so weit wie möglich im eigenen Haus verbraucht. Nur in sonnigen Perioden, wo mehr Solarstrom anfällt, als für den Eigenverbrauch benötigt wird, werden die Überschüsse ans Elektrizitätswerk (EW) verkauft. Bei Bewölkung hingegen oder nachts, wenn Solarstrom ganz fehlt, wird die zusätzlich benötigte Strommenge wie bisher aus dem öffentlichen Netz bezogen. Seit Anfang 2015 sind alle Schweizer Stromversorger verpflichtet, ihren Kunden solche flexiblen Eigenverbrauchsmodelle zu ermöglichen.

Beratung schützt vor Überraschungen

Eine erste Abschätzung des Eigenverbrauchs kann eine interessierte Baugenossenschaft mit dem Internettool www.eigenverbrauchsrechner. ch leicht selbst durchführen. Doch besteht der Strommarkt in der föderalistischen Schweiz aus über 700 Energieversorgern, so dass die Spielregeln und Tarife von Ort zu Ort wieder etwas anders aussehen. Wenn zwei Genossenschaften die gleiche Anlage aufs Dach setzen, können somit ganz unterschiedliche Rentabilitäten resultieren. «Bevor man sich auf ein konkretes Projekt einlässt, empfiehlt sich eine professionelle Wirtschaftlichkeitsbetrachtung und Machbarkeitsabschätzung, um unangenehmen Überraschungen vorzubeugen», rät Lars Konersmann. Neutral ist beispielsweise der 130 Franken teure Quick-Check von EZS, da das Beratungsbüro die Projekte nicht selbst umsetzt und deshalb vom allfälligen Bau einer Anlage auch nicht profitiert. Für die technische Planung und Installation der Anlange empfiehlt es sich, ein professionelles Unternehmen zu engagieren. Adressen erfahrener Fachleute finden sich unter www.solarprofis.ch.

Stromabrechnung via Nebenkosten

Ist die Eigenverbrauchsanlage installiert, gilt es, ein paar Besonderheiten zu beachten. So müssen etwa bei bestehenden Gebäuden die bisherigen Stromliefervereinbarungen der einzelnen Wohnungen mit dem Energieversorger gekündigt werden. Dazu ist die Unterschrift der betroffenen Mieter nötig, erklärt Lars Konersmann. «Bei Genossenschaften und insbesondere bei Genossenschaftsneubauten ist es daher empfehlenswert, das Eigenverbrauchskonzept vorgängig im Leitbild oder in den Statuten zu verankern. Dadurch wird die Eigen-verbrauchsgemeinschaft für alle Mieter de facto verpflichtend. Dies ist insofern unproblematisch, als sich kein Preisnachteil gegenüber dem Normalstrom ergibt.» Hat sich eine Genossenschaft als Eigenverbrauchsgemeinschaft konstituiert, rechnet das EW den Normalstrom, den man zum Beispiel während der Nacht bezieht, nicht mehr wohnungsweise, sondern nur noch am zentralen Netzanschlusspunkt des Gebäudes ab. Um Messung und Ablesung des Verbrauchs der einzelnen Wohnungen kümmert sich das EW aber weiterhin. Es stellt dann die Daten der Eigenverbrauchsgemeinschaft zur Verfügung, die die Kostenabrechnung für die Mieter macht – zum Beispiel via Nebenkostenabrechnung. «Für diese interne Kostenabrechnung haben wir eine einfache Software entwickelt», erklärt Lars Konersmann. Bei Bedarf kann EZS auch die gesamte Administration der Stromrechnung übernehmen; vereinzelt gibt es bereits auch Energieversorger, die diese Zusatzdienstleistung anbieten. «Für Genossenschaften mit professioneller Verwaltung stellt die Verrechnung der Stromkosten via Jahresnebenkosten allerdings keine Herausforderung dar», betont der Experte. Und falls man, insbesondere bei kleineren Anlagen, eine noch einfachere Lösung wolle, gebe es den Trick, die Wohnungen weiterhin nach herkömmlicher Manier am normalen Netzstrom anzuschliessen und bloss den allgemeinen Gebäudestrom via Solaranlage und Eigenverbrauchsmodell zu decken. «Dadurch sinkt der administrative Mehraufwand deutlich.»

Schema von typischen Strom- und Geldflüssen.

Der nicht direkt von den Mietern gebrauchte Überschussstrom wird ins Netz eingespeist; wenn im Haus mehr Strom gebraucht als produziert wird, beziehen Mieter den Strom vom Netzbetreiber.

Rossfeld wagte den Schritt

Doch trotz professioneller Beratung und Finanzförderung der öffentlichen Hand steckt hinter einer Eigenverbrauchsgemeinschaft immer auch viel persönliches Engagement. Dies zeigt die 2011 gegründete Wohnbaugenossenschaft Rossfeld in Bern, die drei Häuser mit insgesamt 42 Wohnungen umfasst. Als 2014 die Renovation anstand, beschloss man, eine Photovoltaikanlage gemäss dem damals brandneuen Eigenverbrauchsmodell umzusetzen. «Uns gefiel die Idee, als Prosumenten, also als Stromkonsumenten und -produzenten in Personalunion, einen Beitrag zur Energiewende zu leisten», erklärt Rossfeld-Genossenschafter Christoph Schafroth. Um eine Haftung der Genossenschaft juristisch auszuschliessen, wurde der Betreiberverein NEZ (Verein für nachhaltige Energieerzeugung und zukunftsfähige Lebensweisen) gegründet, der gegenüber dem EW als alleiniger Vertragspartner auftritt und auch die Finanzierung der Anlagen mittels Anteilsscheinen besorgt. Ein Anteilsschein kostet tausend Franken; dabei handelt es sich um ganz normale Wertpapiere, die auch von Personen ausserhalb der Genossenschaft – Bekannte, Gönnerinnen, ehemalige Rossfeld-Bewohner – erworben werden können.

Mehrwert selbst vermarkten

Bisher sind vier Anlagen auf zwei Häusern installiert; zwei weitere Anlagen auf dem dritten Haus folgen diesen Sommer. Rechtlich fungiert jeder der insgesamt sechs «Hauseingänge» als separate Eigenverbrauchsgemeinschaft à sieben Wohnungen. Durch diese Aufteilung kommt auch die Leistung der einzelnen Anlagen unter 30 kW zu liegen, so dass die Einmalvergütung geltend gemacht werden konnte. «Diese Umstellung von Normalstrom auf Eigenverbrauch wurde an unserer Genossenschafts- GV als Grundsatzentscheid beschlossen », so Christoph Schafroth. Das Konzept habe grossen Anklang gefunden. Die vier bereits installierten Anlagen ergeben eine durchschnittliche Jahresausbeute von je 10 000 Kilowattstunden. Davon fliessen rund 45 Prozent in den Eigenverbrauch, der Rest wird ans EW verkauft – allerdings zu einem sehr schlechten Tarif, wie der Genossenschaftsvertreter bemängelt. Sowieso hätten sich die Verhandlungen mit dem EW zunächst schwierig gestaltet, da dort noch wenig Erfahrung im Umgang mit Prosumenten bestand. Dennoch ist es für den Betreiberverein NEZ kein Problem, dass die im Vergleich zu Normalstrom höheren Gestehungskosten des Solarstroms vom EW nicht genügend vergütet werden. «Wir vermarkten diesen so genannten ökologischen Mehrwert in eigener Regie an Personen mit Bezug zu unserem Projekt, da wir das Direkte und Kleinräumige fördern wollen», erklärt Christoph Schafroth. Zu diesem Zweck wurde im Bekanntenkreis der Genossenschaftsbewohner mit Erfolg Kundschaft geworben, die gerne Solar- statt Normalstrom beziehen möchte. Statt den Aufpreis dem Elektrizi tätswerk zu entrichten, geht dieses Geld direkt an den Betreiberverein NEZ. Dieser weist Solarstromproduktion, Eigenverbrauch, Netzeinspeisung und Mehrwertverkäufe transparent aus – sowohl in der Jahresrechnung als auch im regelmässigen Newsletter. «Da wir unsere Kunden gut kennen, können wir unseren Solarstrom auf Vertrauensbasis vertreiben und sparen so die Stromzertifizierungskosten», erklärt Christoph Schafroth.

Gespräche zahlen sich aus

Doch ist der administrative Aufwand erheblich, nicht nur für die interne Abrechnung der Stromverbräuche der einzelnen Wohnungen, sondern auch für die Ausgabe der Anteilscheine und die Vermarktung des Solarstrom-Mehrwerts, der aktuell für 20 Rappen pro Kilowattstunde vertrieben wird. «Diese Arbeiten haben wir im NEZ-Vorstand bisher völlig ehrenamtlich erledigt», meint Christoph Schafroth. Immerhin werde der Aufwand für die interne Stromabrechnung der Wohnungen in Zukunft von der Genossenschaft abgegolten. Und die vielen Gespräche der letzten Jahre hätten auch geholfen, den Menschen in und um die Genossenschaft die Bedeutung einer nachhaltigen Energieversorgung bewusst zu machen und damit zwei Fliegen auf einen Streich zu schlagen: «Externe Personen, die einen Anteilschein erwerben, kaufen nach Inbetriebnahme ‹ihrer› Anlage oft auch den ökologischen Strommehrwert bei uns ein.»

Im Keller ist nur der Wechselrichter – top ist dafür die Motivation der Genossenschafter. Und sie verkaufen ihren Strom mit ökologischem Mehrwert auch erfolgreich an Nichtgenossenschafter.