Gestiegene Zinsen machen Finanzierungen anspruchsvoller

Staffeln, ausschreiben, optimieren

In Zeiten von Inflation und Zinsanstieg sind Baugenossen­schaften gefordert. Wie lassen sich unter den neuen Vorzeichen Neubauten und Sanierungen zinsgünstig finanzieren? Die richtige Strategie und eine professionelle Ausschreibung sind in diesem Umfeld viel wert. Das zeigen etwa die Beispiele der Genossenschaften ABL, Luppmenpark und Redingbrücke.

Von Jürg Zulliger | Bilder: Baumberger und Stegmeier AG, zVg | 2023/01

Wer im Wohnungsbau tätig ist, bekommt die Inflation deutlich zu spüren. Die Baupreise haben in den letzten zwölf Monaten rund acht Prozent aufgeschlagen. Kommt hinzu, dass die Notenbanken die Inflation mit höheren Leitzinsen in Schach halten wollen. Die Phase negativer Leitzinsen in der Schweiz ging im Sommer 2022 zu Ende. Blenden wir zurück: Ab 2015 verfolgte die Schweizerische Nationalbank (SNB) eine lockere Geldpolitik mit einem negativen Leitzins, vor allem um der Aufwertung des Schweizer Frankens entgegenzuwirken. Ab Sommer 2022 kam es dann in mehreren Schritten zu Erhöhungen des Leitzinses auf aktuell ein Prozent (Stand Mitte Januar 2023).
Giampiero Brundia vom Finanzierungsspezialisten Oxifina, der im Auftrag des Verbands Wohnbaugenossenschaften Schweiz auch die Plattform «Finanzierungsmarkt» für gemeinnützige Wohnbauträger betreibt, sagt dazu: «Mit der anziehenden Inflation und der Erhöhung des Leitzinses hat sich die Zinslandschaft in kurzer Zeit grundlegend verändert.» Während Wohnbaufinanzierungen beziehungsweise Hypotheken über mehrere Jahre praktisch umsonst zu haben waren, kosten die Kredite jetzt wieder etwas. Weil sich die Trendwende schon länger abgezeichnet hatte, stiegen die Zinsen für Festhypotheken mit mehreren Jahren Laufzeit schon Anfang 2022 an. Die sogenannten Saron-Hypotheken, die kurzfristiger Natur sind und mehr oder weniger die Bewegungen des Leitzinses mitmachen, sind erst in den letzten Monaten teurer geworden.

Hypotheken staffeln
Martin Buob, Geschäftsleiter der Allgemeinen Baugenossenschaft Luzern (ABL), verfolgt die Trends sehr aufmerksam: «Natürlich sind steigende Zinsen im Wohnungsbau unschön. Aber für uns sind die Veränderungen tragbar.» Für die Mieterinnen und Mieter der rund 2200 Wohnungen der ABL gibt es sogar eine klare Entwarnung: Im laufenden Jahr werde es keine Mietzinserhöhungen geben, weder wegen steigender Zinsen noch aus anderen Gründen.
Buob erklärt, dass die Genossenschaft bei institutionellen Partnern wie Banken und Pensionskassen nur fest verzinsliche Hypotheken abschliesse. Im Kern zielt die Strategie darauf ab, die Laufzeiten aller Hypotheken auf der Zeitachse optimal zu verteilen. So kommt es nie vor, dass im gleichen Jahr plötzlich viele Hypotheken neu zu verhandeln sind. Was im aktuellen Umfeld an Mehrkosten nicht zu vermeiden ist, wird die ABL im Wesentlichen durch Effizienzsteigerungen und Verhandlungen wieder wettmachen. Sie will ihre bewährte, langfristige Finanzierungsstrategie auch in den nächsten Jahren fortführen.

Zinsen könnten laut Experten wieder sinken
Die letzten Monate haben gezeigt, dass sich eine langfristige Strategie auszahlt. Denn die kurzfristigen Trends und Zinserwartungen ändern sich laufend. Mitte 2022 gab es bei den langfristigen Zinsen eine deutliche Bewegung nach oben, die sich dann aber wieder abgeschwächt hat. Damit ist auch klar geworden, dass es selten wirklich absolut zuverlässige Zinsprognosen gibt. Je nach Inflation, Konjunktur und Geldpolitik in verschiedenen Ländern kann es immer in die eine oder andere Richtung gehen. Eine Mehrheit von Fachleuten erwartet für das laufende Jahr allerdings, dass die Leitzinsen und auch der allgemeine Trend weiter nach oben gehen. Sobald sich die Inflation wieder abschwächt, könnten die Zinsen in ein bis zwei Jahren wieder sinken.
Was heisst das nun für Genossenschaften? Gerade weil die Zinsprognosen nie ganz ins Schwarze treffen, sollten die Schuldner ihre Hypotheken zeitlich gut diversifizieren. Es gilt, einen Mix an unterschiedlichen Hypotheken und unterschiedlichen Laufzeiten anzustreben. Damit hat eine Genossenschaft konstant einen Spielraum, um auslaufende Hypotheken günstig neu zu finanzieren, falls die Zinsen wieder sinken sollten. «Im Kern muss die Strategie also lauten, die Hypotheken zeitlich zu diversifizieren», fasst Brundia zusammen.

Die Genossenschaft Alterswohnungen Luppmenpark will im Zürcherischen Hittnau 38 Wohnungen erstellen. Beim Aufgleisen der Finanzierung wurde sie unterstützt vom Finanzierungsmarkt des Dachverbands.

Flexibel bleiben
In der Praxis kommt es aber immer wieder zu falschen Einschätzungen und einer Strategie, die zu wenig flexibel ist. Manche Genossenschaften regeln die Finanzierung zum Beispiel für jede einzelne Siedlung separat. Oder anders gesagt: Auf den Siedlungen A, B und C lasten Fest­hypotheken mit verschiedenen Laufzeiten von zum Beispiel drei, fünf und zehn Jahren. Wegen der langen Bindung einzelner Tranchen ist es schwierig, Konkurrenzofferten berücksichtigen zu können. Die Genossenschaft bleibt dann bei jeder einzelnen Siedlung lange an
einen bestimmten Darlehensgeber gebunden. Laut Brundia gibt es dazu alternative, flexiblere Varianten, um gegebenenfalls auch weitere Kre­ditgeber mit ins Boot zu nehmen; er empfiehlt eine Strategie für ein ganzes Portfolio anstatt für jede Siedlung einzeln. Neben einer möglichst optimalen Diversifikation sei es für gemeinnützige Bauträger ausserdem von Vorteil, die verschiedenen Förderinstrumente einzubeziehen. Dazu gehören die Emissionszentrale für gemeinnützige Wohnbauträger (EGW), der Fonds de Roulement und der Solidaritätsfonds des Dachverbands.
Mit einer professionellen Ausschreibung und mit einem breiten Kreis potenzieller Darlehensgeber lassen sich die Zinskosten in der Regel deutlich senken. Denn laut Brundia weichen die Konditionen je nach Anfrage und je nach Bank beziehungsweise Darlehensgeber stark voneinander ab. Die Marge, welche die Banken gegenüber einem Referenzzins verrechnen, schwankt zwischen etwa 0,35 und 1,2 Prozent. Zur Illustration verweist Brundia auf das Beispiel einer Baugenossenschaft, die im November 2022 bei einer Ausschreibung für eine zehnjährige Festhypothek Angebote in einer Bandbreite von 1,9 bis rund 3 Prozent erhalten hat.
Wichtig ist in jedem Fall, den Finanzen und der Finanzierungsstrategie die nötige Aufmerksamkeit zu schenken. Aufgrund der starken Bauteuerung lässt es sich auch kaum vermeiden, dass Kostenvoranschläge, Kreditofferten und Mietzinskalkulationen angepasst werden müssen. Es wäre aber falsch zu befürchten, dass die Bauteuerung ganz allgemein Projektentwicklungen gefährdet. «Genossenschaften arbeiten ja nach dem Modell der Kostenmiete. Wenn nun die Kostenschätzung von zum Beispiel 18 auf 20 Millionen Franken erhöht werden muss, wird sich nach dem Kostenmodell auch das Mietpreisniveau erhöhen», sagt Brundia. Eine entsprechend höhere Ertragskraft schafft immer auch Spielraum, einen etwas höheren Kredit verkraften und finanziell tragen zu können.

Alterswohnen Luppmenpark: Bankenzusagen
Trotz schwierigeren Voraussetzungen sind auch junge und kleine Genossenschaften dur­chaus in einer guten Verhandlungsposition – sofern sie der Finanzierung von Anfang an die nötige Aufmerksamkeit schenken. Das zeigt ein aktuelles Beispiel, das über die Plattform Finanzierungsmarkt begleitet worden ist. Konkret geht es um die im Jahr 2013 gegründete Genossenschaft für Alterswohnen Luppmenpark (GAL) in Hittnau, im Zürcher Oberland: Die Gemeinde gewährt der Genossenschaft ein Baurecht auf einem wunderschönen, aber in die Jahre gekommenen Park gleichen Namens. Die Genossenschaft wird hier 38 Alterswohnungen realisieren und betreiben.
Die fachliche Unterstützung in Finanzierungsfragen durch den Finanzierungsmarkt hat massgeblich dazu beigetragen, dass das Projekt nach einer längeren Vorgeschichte vorankam. Teil dieses Mandats waren eine erste Analyse der Ausgangslage, in der Herkunft und Umfang des Eigenkapitals sowie die finanzielle Machbarkeit überprüft wurden, und ein Finanzierungskonzept. Das wiederum war die Grundlage, um überhaupt Verhandlungen mit Banken und potentiellen Darlehensgebern führen zu können. «Uns ist es bei der Finanzierung darum gegangen, die nötige Expertise und Professionalität von aussen beizuziehen», betont Bruno Schiess, Präsident der Genossenschaft. Laut Schiess ist es gelungen, diese Hürden zu meistern und die Finanzierung sicherzustellen. «Uns liegen klare Absichtserklärungen von Banken vor», freut er sich. Die Gemeinde Hittnau wird nun am 12. März in einer Volksabstimmung definitiv über das Projekt entscheiden.

Redingbrücke: Neuausschreibung lohnt sich
Ein zweites Beispiel aus Basel zeigt, dass jedes Portfolio von Hypotheken periodisch überprüft und gegebenenfalls neu ausgeschrieben werden sollte. Die 1951 gegründete Wohngenossenschaft Redingbrücke (WGRB) mit 79 Wohnungen hat letztes Jahr genau dies erfolgreich umgesetzt. Stephan Widmer, der im Vorstand für die Finanzen zuständig ist, erläutert die Ausgangslage: «Wir hatten seit vielen Jahren Festhypotheken von unserer bisherigen Hausbank.» Die Laufzeiten waren gestaffelt, und jedes Mal, wenn eine Tranche auslief, wurde sie bei der gleichen Bank wieder verlängert. Dabei war es die Bank, die die Zinskonditionen festlegte.
Nun hat die Genossenschaft die Finanzierung letztes Jahr über den Finanzierungsmarkt des Dachverbandes neu aufgestellt. Im Kern ging es darum, alle für die Banken benötigten Unterlagen professionell aufzubereiten und die gesamte Finanzierung neu auszuschreiben. Auf diesem Weg holten die Fachspezialisten mehrere, breit abgestützte Offerten von verschiedenen Banken, aber auch von Versicherungen und Pensionskassen ein. «Im Sommer sind die Zinsen am Markt tendenziell gestiegen. Uns ist aber aufgefallen, dass zum Beispiel die Pensionskassen als Darlehensgeber diese Zinsbewegung nicht umgehend mitgemacht haben», schildert Widmer die Situation. Für die Genossenschaft hat sich dieses Vorgehen bezahlt gemacht: Sie brachte die ganze Finanzierung neu bei einer Pensionskasse unter Dach und Fach, bei einem Vertragspartner, der sehr seriös und langfristig orientiert ist. Und die Zinskonditionen? «Wir fahren jetzt deutlich günstiger», so Widmer: Die Zinskosten seien gegenüber den zu diesem Zeitpunkt üblichen Marktkonditionen de facto fast halbiert worden.
Als Fazit lässt sich festhalten, dass es in fast allen Fällen sowohl bei den Zinskosten als auch bei der Finanzierungsstrategie Optimierungspotenzial gibt. Das gilt nicht nur für grosse, sondern auch für kleinere und mittlere Genossenschaften.

Verbandsdienstleistungen von Wohnbaugenossenschaften Schweiz zur Finanzierung