Holzküchen werden bei Genossenschaften beliebter

Edel, wertig und robust

In Genossenschaftswohnungen sind Küchen mit furnierten Fronten oder sogar aus Massivholz immer häufiger zu sehen. Worauf achten Wohnbaugenossenschaften bei der Auswahl? Und wie nachhaltig sind diese Küchen?

Von Patrizia Legnini | Bilder: Daisuke Hirabajashi, Hüsser AG, Kathrin Schulthess, Lindauer AG, Markus Kaech, zVg | 2024/02

«Ich stehe gerne in unserer Küche. Durch das viele Holz strahlt sie Wärme und Lebendigkeit aus, und die Oberflächen sind von der Haptik her sehr angenehm», sagt Lars Uellendahl. Das Vorstandsmitglied der Basler Genossenschaft Zimmerfrei bewohnt seit sechs Jahren eine Wohnung in der Stadterle und benutzt die Küche jeden Tag. «Weil sie mitten in der Wohnung liegt, prägen die auffällig marmorierten Holzfronten stark das Raumgefühl.» Wie schon bei den Zimmertrennwänden hatte sich das Architekturbüro in der Küche für einfache Sperrholzplatten aus Seekiefer entschieden, die mit dem Sichtbeton der Wohnungstrennwände und Decken kontrastieren. Dazu liessen sie spezielle Griffe aus Eichenholz anfertigen. Die Mietenden konnten wählen, ob sie die Küche in Türkis, Grün, Rot, Rosa, mit einer weissen Lasur oder gänzlich unbehandelt haben wollten.
Die anfängliche Befürchtung der Verantwortlichen, dass die Multiplexplatten nicht so widerstandsfähig sein würden wie andere, hat sich laut Uellendahl nicht bewahrheitet. «Zwar mussten wir im Haus ganz am Anfang ein paar Schranktüren ersetzen, die sich etwas verzogen hatten. Aber dank ein paar Tricks bekamen wir das Problem bei den anderen schnell in den Griff», sagt er. Auch die Reinigung der Fronten sei einfach: «Mit einem Metallschwamm würde man natürlich den Lack zerkratzen. Aber mit einem feinen Tuch geht das bestens. Sechs Jahre nach dem Einzug sehen die Küchen noch tipptopp aus.» Da man sie beim Schreiner habe herstellen lassen, seien sie mit 17 000 Franken im Vergleich mit anderen Modellen relativ teuer gewesen. «Aber das Ziel ist, dass sie noch viele Jahre halten. Wir würden uns heute mit Sicherheit wieder für dieselben Küchen entscheiden.»

In den Küchen der Genossenschaftssiedlung Schachenweg in Hedingen wurde Seekieferholz verbaut. Dabei wurden hauchdünne Furniere auf Spanplatten geklebt.

Die Wobe Biel kombinierte Unterschränke aus Bakelit mit Hochschränken aus Buchenholz, montierte die Holzfronten aber bald wieder ab (s. Box).

Die Bau- und Wohngenossenschaft Lebenswerte Nachbarschaft hat auf dem Westfeld in Basel Küchen aus einheimischer Esche eingebaut.

Nicht mehr wie im Ferienhaus
Holzküchen stehen für Sinnlichkeit, für ein angenehmes Wohngefühl, für Behaglichkeit. Und sie scheinen hierzulande wieder stärker gefragt zu sein als auch schon. Der Blick in neuere oder sanierte Genossenschaftswohnungen zeigt, dass in den Küchen mehr Holz zu sehen ist – vor allem bei den Fronten, die den optischen Eindruck der Küche am stärksten prägen. «Holz ist ein langlebiges Naturprodukt. Küchen aus Holz sind Unikate, sie wirken edel und wertig», sagt Marcel Halbheer von der Arbeitsgruppe Technik des Branchenverbands Küche Schweiz. An den Küchenfronten in Mietwohnungen sieht man ihm zufolge echtes Holz aber selten – die meisten Fronten würden aus Lack- und Kunstharz und vor allem aus Kunststoff gefertigt. In der Regel bestehen Küchenfronten aus einer Trägerplatte, also einer MDF- oder Spanplatte, die mit einer Folie beklebt, lackiert oder mit anderen Materialien beschichtet wird. «Die Vielfalt an hochwertigen Materialien, Designs, Farben und Dekoren ist in diesem Bereich riesig. Und nicht immer bestehen Fronten mit Holzmaserung tatsächlich aus Holz. Ein gutes Holz-imitat aus Kunstharz ist von echtem Holz kaum zu unterscheiden.» Gerade Massivholzküchen, die in der Regel von lokalen Schreinereien nach Mass hergestellt werden und dementsprechend teurer seien, hat Halbheer in Mietwohnungen noch «äusserst selten» gesehen. Sie würden eher in Einfamilienhäusern oder in Bergregionen eingebaut.
Allerdings sehen Küchen aus massivem Holz längst nicht mehr so rustikal aus, wie man sie von den Ferien im Engadiner Ferienhaus vielleicht in Erinnerung hat – gefragt sind heute eher moderne, schlank-minimalistische Varianten. Massivholzküchen gelten als besonders robust. «Sie halten ewig, sie gehen nicht kaputt», sagt Halbheer. «Und wenn man irgendwo mal einen Hick oder eine Delle reingemacht hat, kann man die Front abschleifen und neu lackieren.» In der Regel bestehen bei Massivholzküchen der komplette Korpus sowie die Fronten mitsamt dem Rahmen aus massivem Holz; manchmal werden die Böden der Schubkästen und Auszüge sowie die Schrankrückwände aber aus anderem Material gefertigt. Aus Kostengründen kombinieren Küchenbauer Massivholzfronten teils auch mit einem Korpus aus beschichteten MDF- oder Spanplatten.

Furnierfronten günstiger als Massivholz
Von den Massivholzküchen zu unterscheiden sind die sogenannten Echtholzküchen, die Fronten mit Furnieren aufweisen. Furniere sind dünne Holzblätter, die durch verschiedene Säge- und Schneideverfahren vom Stamm abgetrennt werden. Echtholzküchen sind kostengünstiger als Massivholzküchen, da die Furniere in der Regel auf eine Trägerplatte geklebt werden. Furnierfronten lassen sich je nach Geschmack lasieren, beizen, kalken, patinieren und mit Farben lackieren und werden abschliessend mit einem Lack versiegelt. Da auch die Kanten mit Furnier versehen werden, sind Echtholzfronten auf den ersten Blick von Massivholzfronten kaum zu unterscheiden.
Gute Erfahrungen mit furnierten Fronten hat zum Beispiel die Zürcher Baugenossenschaft Süd-Ost gemacht. Für die zwölf Küchen in den Wohnungen der neuen Siedlung Schachenweg im zürcherischen Hedingen hatten sich die Architekt:innen – wie bei der Stadterle in Basel – Seekieferholz gewünscht. «Am Anfang zogen wir die Verwendung einer Mehrschicht- respektive Multiplexplatte als Küchenfront in Betracht. Aufgrund ihrer mangelnden Formstabilität kamen wir von diesen Plänen aber wieder ab», sagt André Mäder, Leiter Bau und Unterhalt. Als Alternative habe man schliesslich ein Schälfurnier aus Seekieferholz auf herkömmliche Spanplatten legen lassen. «Dadurch konnte die ursprünglich geplante Holzoptik beibehalten werden.» Nach dem Wunsch der Architektinnen und Architekten wurden die Küchenfronten zudem mit einem Grünton bedeckt, aber so, dass die Holzmaserung immer noch gut sichtbar blieb. «Die Mietenden haben die Holzküchen äusserst positiv aufgenommen», sagt Mäder. Auch die Reinigung und der Unterhalt seien unkompliziert.
Bei der Auswahl der Küchenfronten legt die Süd-Ost besonderen Wert auf Qualität, Langlebigkeit, Ökologie und Benutzerfreundlichkeit. Dabei engagiere man sich nachdrücklich für die Wertschöpfung in der Schweiz, so Mäder. Das verwendete Seekieferholz stammt aus Italien, Österreich und der Slowakei und ist PEFC-zertifiziert, es stammt also aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern. Pro Küche hat die Genossenschaft rund 17 500 Franken inklusive Geräte bezahlt. Eine Massivholzküche wäre laut Mäder nicht in Frage gekommen – in erster Linie aus Kostengründen. «Jeder ausgegebene Franken beeinflusst unmittelbar die Mietkosten. Meiner Ansicht nach sind derartige Küchen eher für Wohneigentum geeignet.»

Bei den Massivholzküchen, die als besonders robust gelten, sind heute schlank-minimalistische Varianten besonders gefragt. Die Küchen auf dem Westfeld in Basel wurden mit mechanischen Holzverbindungen zusammengebaut, also ohne Leim, weshalb sie später rezykliert werden können.

Glas aus alten Fabrikgebäuden
Dass das nicht unbedingt so sein muss, zeigen die Beispiele zweier anderer Genossenschaften, die sich für Küchen aus Massivholz entschieden haben. Die Bau- und Wohngenossenschaft Lebenswerte Nachbarschaft hat auf dem Westfeld in Basel letztes Jahr 63 Küchen aus einheimischer Esche einbauen lassen und durchschnittlich 11 000 Franken pro Wohnung bezahlt. «Unsere Küchen sind aber deutlich kleiner als andere. Anstelle der Oberschränke verfügen sie zum Beispiel nur über zwei offene Regale», sagt Präsident Peter Würmli. «Aber wir sind sehr zufrieden mit ihnen, die Rückmeldungen sind sehr positiv. Die Küchen sind die Schmuckstücke unserer Wohnungen.» Bei der Entscheidung hätten Überlegungen zur Ästhetik und Nachhaltigkeit den Ausschlag gegeben. So achtet der Hersteller nach eigenen Angaben stark auf die Reduzierung der grauen Energie und auf Regionalität. Abgesehen davon, dass alle Materialien regional produziert und verarbeitet werden, werden die Küchen mit Hilfe von mechanischen Holzverbindungen zusammengebaut, also ohne Leim. Nach langer Nutzungsdauer können sie restlos rezykliert werden. Für die Tablare sowie die Böden von Korpus und Schubladen kommt zudem Glas aus alten Fabrikgebäuden zum Einsatz.
Das gleiche Küchenmodell hat kürzlich die Gemeinnützige Baugenossenschaft Limmattal (GBL) bestellt. Sie will nächstes Jahr in ihrem Ersatzneubau Langgrüt in Zürich Albisrieden insgesamt 156 Massivholzküchen einbauen – aus Gründen der Nachhaltigkeit und der Langlebigkeit, aber auch aufgrund der guten Auswirkungen auf die Raumluftqualität. «Weil ein besserer Unterhalt möglich ist als bei Standardküchen, rechnen wir mit einer deutlich längeren Lebensdauer, als die paritätische Lebensdauertabelle vorgibt», sagt Geschäftsführer Roman Stäger. Die höhere Anfangsinvestition lasse sich also über die längere Lebensdauer amortisieren, zudem würden die rund dreissig Prozent höheren Mehrkosten der Massivholzküchen zur Hälfte über einen Energie- und Nachhaltigkeitsfonds gedeckt. «Grundsätzlich fühlen wir uns dazu verpflichtet, beim Bauen Massnahmen im Bereich der Nachhaltigkeit und der Kreislaufwirtschaft umzusetzen, wenn die Mehrkosten vertretbar sind.»

Holzfronten wieder ausgewechselt

Nicht überall kommen Holzküchen bei den Mietenden gut an. Schlechte Erfahrungen hat diesbezüglich die Wohnbaugenossenschaft Wobe in Biel gemacht. Sie hat in einem Hochhaus, das vor vier Jahren totalsaniert wurde, die Holzfronten von 35 neuen Küchen wieder abmontiert. «Mit den Hochschränken aus Buchenholz und den Unterschränken aus rotem oder braunem Bakelit, einem Kunststoff, wollten wir den Geist der 1960er-Jahre übernehmen und in die heutige Zeit übersetzen», sagt Präsident Vincent Studer. Die Küchen seien im perfekten Kontrast zur von Hand gegossenen, originalen Betondecke gestanden, die man von diversen Farbschichten befreit und so wieder sichtbar gemacht hatte. «Allerdings hatten wir das Problem, dass die Wohnungen kleiner sind als 

vergleichbare Wohnungen auf dem Markt und dass die grosse Mehrheit der Wohnungsinteressent:innen den Sichtbeton und den Küchenstil überhaupt nicht mochte.» Zudem sei die Qualität der Fronten nicht so gut gewesen wie erwartet. Um die Wohnungen besser vermieten zu können, habe man nicht nur die Mietkosten etwas gesenkt, sondern sich «schweren Herzens» auch dazu entschieden, die Holzfronten durch gewöhnliche Melaminfronten auszutauschen. «Diese Erfahrung hat uns gelehrt, dass Sanierungen im Marktsegment der preisgünstigen Wohnungen so neutral wie möglich bleiben sollten», sagt Studer. Die Mehrkosten von einigen tausend Franken für den Wechsel hätten schnell absorbiert werden können.

«Der Besteller muss genau hinschauen»

Die meisten Küchen wandern an ihrem Lebensende ins Sperrgut. Worauf man bei der Wahl einer Holzküche unbedingt achten sollte, erklärt der Architekt, Baubiologe und Energie-berater Jörg Watter.

Wohnen: In Genossenschaftswohnungen sieht man wieder mehr Holz. Der natürliche und nachwachsende Rohstoff gilt als ökologisch. Wie nachhaltig ist eine Küche, die aus viel Holz besteht?

Jörg Watter: Holz ist ein grossartiges Material. Für die Nachhaltigkeit einer Küche ist aber entscheidend, aus welchem Holz die Küche besteht und wie es verarbeitet wurde. Auch bei Küchen mit Kunststofffronten ist der Holzanteil gross, weil darunter verleimte Holzplatten stecken. Solche Küchenmöbel kann man aber schlecht reparieren und ausbessern, zum Beispiel, wenn Griffe abfallen, Scharniere ausbrechen oder Oberflächen beschädigt sind. Dadurch verkürzt sich ihre Nutzungsdauer. Zusätzlich kann man diese Materialien, wenn die Küche am Lebensende angelangt ist, nicht rezyklieren oder weiterverwenden. So wandern die meisten Küchen der grossen Möbelhäuser ins Sperrgut und werden verbrannt.

Wie sieht es bei Massivholzküchen diesbezüglich aus?

Massivholzküchen weisen andere Qualitäten auf. Sie sind sehr langlebig. Das hat den Vorteil, dass man den höheren Preis, den man für sie bezahlt, nicht über fünfzehn Jahre abschreiben kann, sondern über dreissig und mehr. Bei Flecken oder Schäden kann man das Holz abschleifen, die Teile reparieren oder ersetzen und schliesslich wiederverwerten. Seit 1993 habe ich zu Hause selbst eine Massivholzküche. Vor ein paar Jahren haben wir die Fronten abgeschliffen, Türen durch Schubladen ersetzt und die Beschläge erneuert. Wir konnten also Anpassungen vornehmen, ohne eine neue Küche kaufen zu müssen. Ein wertvoller Nebeneffekt ist zudem, dass Holz Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben kann und auf diese Weise das Innenraumklima reguliert.

Was sind weitere Kriterien für Nachhaltigkeit?
Wenn die Küchenbauer heimische Hölzer aus der Region verwenden, bleiben die Transportwege kurz. Wichtig ist aber auch, dass die Hölzer nicht mit Lösungsmitteln oder Formaldehyd belastet sind. Diese Schadstoffe kommen bei der Herstellung von Span- und Faserplatten häufig zum Einsatz.

Woher stammt das Holz, das in Holzküchen verbaut wird?

Das ist schwierig zu sagen. Der Holzhandel ist stark internationalisiert, und es ist nicht selbstverständlich, dass das bestellte Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt. Wenn man kein Birkensperrholz aus Sibirien bekommen möchte, ist es also wichtig, bei der Wahl des Holzes nicht nur auf den Preis zu schauen, sondern vom Küchenbauer auch ein Herkunftszertifikat zu verlangen. Gängige Holzlabels wie FSC und PEFC bieten eine gewisse Sicherheit bei der Auswahl. Wenn man auf Schweizer Holz (HSH) setzt, kann man wenig falsch machen.

Gewisse Küchenfirmen geben an, ihre Küchenmöbel klimaneutral herzustellen. Um Emissionen zu kompensieren, kaufen sie Klimazertifikate oder unterstützen ökologische Projekte. Ist das ein Schritt in die richtige Richtung oder Augenwischerei?

Es kann beides sein. Grundsätzlich ist es gut, wenn sich Firmen mit dem Thema auseinandersetzen. Der Besteller muss aber ebenfalls genau hinschauen, die richtigen Fragen stellen und nicht einfach hinnehmen, was die Hochglanzprospekte versprechen.

Wie müssten Unternehmen Küchen produzieren, um eine klimapositive Bilanz zu erreichen?

Der Kreislaufgedanke ist von grösster Bedeutung – in der Schweiz werfen wir viel zu viel weg. Dabei sollten die Sachen, die man herstellt, später nicht entsorgt werden müssen; die Wieder­verwendung von Bauteilen schont Ressourcen. Inzwischen gibt es auch Küchenfirmen, die mit Recyclingholz und anderen rezy-klierten Materialien arbeiten. Dass in diesem Bereich langsam ein Markt entsteht, ist absolut sinnvoll.