So nutzen Baugenossenschaften digitale Kanäle

Mehr als Kommunikation

Website, Newsletter, Social Media oder App? Wohnbaugenossenschaften nutzen digitale Kommunikationskanäle vielseitig. Sie ermöglichen nicht nur Informationsvermittlung, sondern verschlanken Verfahren zur Wohnungsvergabe, dienen als Buchungs- oder Vernetzungsplattform und vereinfachen administrative Prozesse.

Von Thomas Bürgisser | Bilder: zVg | 2024/01

Einmal im Monat erhalten die Genossenschaftsmitglieder der Allgemeinen Baugenossenschaft Luzern (ABL) das ABL-Magazin mit einer Übersicht zu freien Wohnungen sowie News und Hintergrundgeschichten zugestellt. Ob gedruckt oder digital, entscheidet die Leserschaft. Denn seit rund drei Jahren werden die Beiträge auch für die Website aufbereitet und direkt aus dem gleichen Tool per Newsletter verschickt – auch an Externe. «So stehen die Informationen einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung. Zudem bevorzugen einige unserer Mitglieder den digitalen Kanal», sagt Benno Zgraggen von der ABL.
Auch über die sozialen Medien lassen sich die Beiträge dadurch einfach streuen. Die ABL ist auf Facebook, Instagram und Linkedin aktiv. «Mit Linkedin haben wir im Geschäftsbereich sehr gute Erfahrungen gemacht, etwa wenn wir freie Stellen zu vergeben haben. Auf Facebook wiederum haben wir rund 1700 Follower, bei rückläufiger Tendenz, während wir bei Instagram zulegen und aktuell bei über 800 sind.» Im Vergleich zu den rund 4000 Newsletter-Adressen sind die Zahlen gering. «Trotzdem möchten wir bei den sozialen Medien dranbleiben, weil wir über sie weitere Gruppen erreichen. Zum Beispiel jüngere Personen oder Landbesitzende.» Zudem halte sich der Aufwand in Grenzen: Nach Erscheinen des ABL-Magazins programmiert das Kommunikationsteam die Posts auf den verschiedenen Plattformen vor, so­dass die digital aufbereiteten Beiträge verteilt über mehrere Tage erscheinen. Nachbetreu­ung falle kaum an, da nur wenig und meist anständig kommentiert werde.

Plattform mit Zusatzangeboten
Ähnlich klingt es bei anderen Genossenschaften bezüglich sozialer Medien. Die Basler Baugenossenschaft «Wohnen&mehr» etwa nutzt Instagram vor allem, um ihr Wohnungsangebot auch bei einem jüngeren Publikum zu vermarkten, mit 200 Abonnements sei dies aber kein primärer Kommunikationskanal. Auch die Gemeinnützige Wohnbaugenossenschaft Winterthur (GWG) ist auf Facebook und Instagram aktiv. Sara Tiboni und Fabian Lück von der GWG erarbeiten zurzeit aber ein Konzept, wie die Kanäle noch strategischer eingesetzt werden könnten. Eine Frage dabei sei, wen man ansprechen wolle. «Werbung für unsere Wohnungen müssen wir nicht machen», so Tiboni. Zum einen ist die Nachfrage bereits riesig, zum anderen hat die GWG dafür ihren Wohnungsnewsletter inklusive digitalem Bewerbungsformular. Über dieses können sich Interessierte für eine Besichtigung bewerben, ein Tool lost die begrenzten Termine automatisch aus. «Es handelt sich um eine Eigenentwicklung, die ein faires Vermietungsverfahren ermöglicht und uns viel administrativen Aufwand abnimmt», sagt Tiboni.
Auch bei der digitalen Kommunikation mit den Bewohnenden hat sich die GWG vor drei Jahren für eine Eigenlösung entschieden. Auf der webbasierten Plattform «Meine GWG» finden sich Mieterinformationen, bei Bedarf auch zielgerichtet für einzelne Siedlungen. Ein Angebot, das gemäss einer Umfrage sehr geschätzt wird. «Viele haben aber auch gewünscht, dass weiterhin über mehrere Kanäle informiert wird. Vor allem unser gedrucktes Magazin ‹GWG aktuell›, das dreimal jährlich erscheint, hat mit neunzig Prozent Zustimmung sehr gute Werte», führt Fabian Lück aus. Für die GWG ist entsprechend klar, dass man auch zukünftig nicht ausschliesslich auf digitale Kommunikation setzt. Gleichzeitig ermöglicht diese aber viele Zusatzangebote. So ist «Meine GWG» unter anderem auch Marktplatz, Leihraum, Buchungsplattform für Elektroauto-Ladestationen, Räume oder Gästezimmer und dient den Bewohnenden zur Organisation von Veranstaltungen. «Bewusst verzichtet haben wir bisher auf eine Chat-Funktion, da es dafür schon genügend externe Angebote gibt.»

Community-Plattform
Acht Jahre lang hatte auch die Bau- und Wohngenossenschaft Kraftwerk1 in Zürich eine eigene digitale Plattform. «Früher gab es wenig bis nichts auf dem Markt, deshalb die Eigenentwicklung. Zum Schluss wurde die Programmiersprache aber nicht mehr weiterentwickelt», erzählt Anna-Katharina Ris. Im Mai 2023 wechselte man deshalb auf BeUnity, eine Plattform, bei der das Vernetzen und Kommunizieren im Zentrum steht. Gemäss Quentin Aeberli von BeUnity gehören neben zahlreichen Vereinen und Verbänden mittlerweile auch vierzig Schwei­zer Baugenossenschaf­ten zu ihrer Kund­schaft.
«Für unsere selbstorganisierten Siedlungen ist eine solche Plattform unabdingbar», sagt Ris. Rund zwanzig Arbeits- und Interessengruppen pro Siedlung nutzen die App bei Kraftwerk1, um ihre Hausversammlungen zu koordinieren, Veranstaltungen zu organisieren oder sich für die regelmässig stattfindenden Kochzirkel abzusprechen. Zudem stehen auch hier Funktionen wie ein Marktplatz oder ein Reservationstool zur Verfügung. Viele Mietende, so Ris, würden die App inzwischen sogar anstelle anderer Messenger-Dienste nutzen, sodass sie alle Themen rund ums Siedlungsleben auf einer Plattform hätten. Und auch die Geschäftsstelle setzt bei der Kommunikation mit den Siedlungen auf BeUnity. «Mieterinformationen publizieren wir praktisch ausschliesslich via App. Papier-Aushänge gibt es wenige.» Auch Genossenschaftsmitglieder von Kraftwerk1, die keine Bewohnenden sind, können sich für BeUnity registrieren. «Das ist für Personen interessant, die zum Beispiel in Arbeitsgruppen für eine neue Siedlung aktiv sind. Den meisten nichtwohnenden Mitgliedern reichen jedoch die Infos aus unserem Newsletter, oder sie konsultieren die Website, die wir für die externe Kommunika­tion nutzen.»

Alles am gleichen Ort
Eine ähnliche Strategie verfolgt Wohnen&­mehr: Neben Informationen auf der Website können sich Interessierte für einen Newsletter anmelden, der alle zwei bis drei Monate elektro­nisch verschickt wird und unregelmässig auch gedruckt erscheint. Für die Mieter­kom­munika­tion wiederum setzt man auf eine externe App-Lösung. Anders als Kraftwerk1 suchte man jedoch weniger eine Commu­nity- als vielmehr eine Betriebsplattform. Auf den Mietstart 2021 hin implementierte die Genossenschaft deshalb die Allthings-App, die sich vor allem als digitale Geschäftsstelle einen Namen gemacht hat. «Zwar setzen wir weiterhin stark auf Live-Veranstaltungen mit den Mietenden. Alltägliche Informationen, etwa wenn Umbauarbeiten oder ein Wasserunterbruch anstehen, laufen jedoch praktisch ausschliesslich über die App», sagt Claudio Paulin von Wohnen&mehr. «Aushänge gibt es kaum mehr. Einzig per Mail versenden wir die News jeweils auch noch, mit Link auf Allthings. Viele sind aber froh, dass sie alle Infos am gleichen Ort haben.» Tatsächlich finden die Bewohnenden auf ihrer App fast alles, was das Wohnen im Basler Westfeld betrifft: Von Restaurants in der Umgebung über Mobilitätsangebote auf dem Areal bis hin zu den Betriebsanleitungen ihrer Haushaltsgeräte.
Paulin: «Die App vereinfacht auch der Geschäftsstelle die Arbeit, vor allem weil sich viele Systeme von Drittanbietern direkt mit ihr verbinden lassen, wie beispielsweise die Buchung und Bezahlung von Räumen oder die Stammdatenverwaltung.» So werden etwa Mutationen, die in der Stammdatenverwaltung zu Personen oder Mietverhältnissen vorgenommen werden, automatisch auch im jeweiligen Profil in der App abgebildet. Allfällige Änderungen können Mietende über einen Servicepoint melden. Der Betreuungsaufwand für die App halte sich in Grenzen. Reagieren müsse man höchstens ab und zu auf Mitteilungen auf dem schwarzen Brett. Dieses gehört neben dem Buchungstool und dem Marktplatz zu den meist genutzten Funktionen.

Von der App ins echte Leben
Oft sind es Angebote wie ein Marktplatz oder ein Buchungstool, welche die Bewohnenden regelmässig auf eine Plattform bringen. Entsprechend wichtig sind diese Funktionen für das Funktionieren einer App als digitaler Kommunikationskanal, weiss Flavio Trolese von der Softwarefirma Panter. Sie hat die App Flink entwickelt und betreut sie. Die Kommunikations-, Partizipations- und Verwaltungslösung für Bau­genossenschaften wurde ursprünglich von der Allgemeinen Baugenossenschaft Zürich (ABZ) lanciert. Heute wird Flink von einer gemeinnützigen Interessensgemeinschaft getragen, zu der neben dem Regionalverband Zürich von Wohnbaugenossenschaften Schweiz inzwischen 15 Baugenossenschaften mit insgesamt mehr als 20 000 Nutzen­den gehören. «Wir merken, dass der Knowhow-Transfer innerhalb der IG von vielen sehr geschätzt wird», sagt Trolese. Davon könnten auch weitere Genossenschaften profitieren: «Viele schrecken aber leider noch immer vor der Digitalisierung zurück. Dabei unterschätzen sie, wie sehr sich damit administrative und kommunikative Prozesse vereinfachen lassen.»
Andrej Lehmann von der Baugenossenschaft Frohheim, die seit rund einem Jahr auf Flink setzt, hebt als Beispiel das Ticketing-System für Schadensmeldungen hervor. «Dadurch findet die Kommunikation neu direkt zwischen Hauswartung und Bewohnenden statt, inklusive Statusmeldung. Ganz ohne Umweg über die Geschäftsstelle.» Allgemein komme die App sehr gut an, auch wenn zurzeit erst rund zwei Drittel der Bewohnenden ein Login hätten. Lehmann betont aber auch, dass die Frohheim ausser dem Buchen der Gästezimmer weiterhin alles auch offline anbietet, um niemanden auszuschliessen. «Bezüglich Mieterkommunikation beispielsweise versenden wir zwar Erinnerungen für Veranstaltungen über die App, Aushänge gibt es aber weiterhin.» Flink soll bei der Frohheim neben der vereinfachten Verwaltung vor allem als Austauschplattform unter den Bewohnenden dienen. Interessanterweise funktioniere dies sogar auf mehreren Ebenen, sagt Lehmann. So wird Flink bei Genossenschaften jeweils über ein Götti-/Gotte-System eingeführt, bei dem digital erfahrenere Personen aus den Siedlungen anderen bei Anwendungsfragen helfen. «Das hat bei uns auch live zu ganz neuen Begegnungen über Generationen hinweg geführt», freut sich Lehmann. «Und auch über die Marktplatz- und Pinwand-Angebote nehmen Mietende vermehrt miteinander Kontakt auf.» Die App vernetzt somit Meinschen teils auch im echten Leben.

Was kosten solche Apps?

Die Kosten für die aufgezeigten App-Lösungen lassen sich kaum vergleichen, da sie unterschiedliche Bedürfnisse erfüllen. Auch werden die Preise meist individuell nach Anzahl Nutzenden und gewünschten Funktionen berechnet.
Bei BeUnity beispielsweise braucht es für Angebote wie Marktplatz oder Reservationstool die Pro-Version. Mit den hier maximal möglichen tausend Nut­ze­r:innen kostet diese pro registriertem User fünfzig Rappen im Monat. Für eine Enterprise-Version, die nach individuellen Bedürfnissen zusammengestellt wird und eine unbegrenzte Anzahl Nutzende ermöglicht, bezahlt man pro registriertem User zwischen einem und fünf Fran­ken im Monat.
Auch bei Allthings basiert die Kostenstruktur auf einer monatlichen Unit-abhängigen Verrechnung. Weitere Angaben waren nicht erhältlich. Bei Flink bezahlt man für den vollen Funktionsumfang inklusive Support, Mitgliedschaft in der IG und Miteigentum an der Software pro Wohneinheit zwischen 0,08 und zwei Franken pro Monat, je nach Anzahl Wohneinheiten, welche die App nutzen.