Rubrik: Recht

Die Mediation als sinnvolles Verfahren fürs Miteinander

In Leitungsgremien, zwischen Vorstand und Genossenschaftsmitgliedern, unter Mietparteien oder mit Vertragspartnern treten manchmal Differenzen auf. Wenn ein klärendes Gespräch nicht fruchtet, bietet sich eine Mediation unter Einbezug der Beteiligten sowie unter Leitung einer Fachperson an.

2022/03

Die Mediation ist ein alternatives Streitbeilegungsverfahren, das im Idealfall zu einer von den Parteien getragenen Lösungsvereinbarung führt. Das Vorgehen ist zukunfts- und ressourcenorientiert sowie eigenverantwortlich ausgestaltet und bindet die Beteiligten mit ihren Interessen ein.1 Zur Veranschaulichung diene folgendes Beispiel: Zwei Geschwister streiten sich um eine Orange. Anstatt diese einer Person zuzuteilen oder die Orange gleich zu halbieren, wird nach den Gründen gefragt. Dabei kann sich herausstellen, dass die Schwester gerne die Schnitze essen würde, während der ­Bruder die Schale für einen Kuchen benötigt. Schon ist eine einvernehmliche Lösung gefunden.

Vorteile der Mediation
Eine Mediation wird meist gewählt, wenn ein weiteres Miteinander angestrebt wird – etwa in Form einer Zusammenarbeit im Vorstand, bei Streitigkeiten wegen Lärm- oder Rauchimmissionen unter Nachbarn oder in Konfliktsituationen zwischen Genossenschafts- und Vorstandsmitgliedern. Bei der mediativen Lösungsfindung werden Themen einbezogen, die in einem Klageverfahren keine Berücksichtigung finden. Weitere Vorteile der Mediation sind die Kosten- und Zeitersparnis sowie die Vertraulichkeit. Aus diesen Gründen ist eine Mediation namentlich auch im Falle von Baumängeln eine Alternative zum gerichtlichen Weg.

Abgrenzungen
Abzugrenzen ist die Mediation zunächst von einem grundsätzlich öffentlichen und formalisierten Verfahren vor den staatlichen Gerichten, in dem die eigenen Positionen zu beweisen sind und nur die rechtlichen Gesichtspunkte einbezogen werden. Nicht zu verwechseln ist die Mediation insbesondere mit der Schlichtung, bei der von den Parteien selbst oder auf ihr Begehren hin von einer neutralen Stelle eine Fachperson oder ein Gremium bestimmt wird, welche/s ein meist endgültiges Urteil über die strittige Angelegenheit fällt. Ein Coaching weist gewisse Ähnlichkeiten mit einer Mediation auf, dort steht jedoch die Beratung im Fokus, und ein Coaching wird regelmässig anders strukturiert.

Grundsätze der Mediation
Die gesetzlichen Grundlagen zur Mediation finden sich in Art. 213 bis 218 der Schweizerischen Zivilprozessordnung.2 Voraussetzungen für eine Mediation bilden die Unabhängigkeit und Neutralität der Mediationsperson, die Bereitschaft zur Teilnahme der Betroffenen und die damit verbundene Freiwilligkeit sowie die Vertraulichkeit des Verfahrens.
Die Mediationsperson trägt die Verantwortung für die Einhaltung des Ablaufs und der vereinbarten Regeln, sie steuert den Prozess, gleicht ein allfälliges Ungleichgewicht aus und wahrt ihre Neutralität. Demgegenüber liegt die ­Lösungsfindung in der Verantwortung der Parteien, das heisst der Mediationsperson kommt keine Entscheidungskompetenz zu.

Das Mediationsverfahren
Klassischerweise wird eine Mediation in fünf Phasen gegliedert. Meist werden im Vorfeld die Vorgehenswahl getroffen, der Kreis der Teilnehmenden definiert und die Formalitäten in Bezug auf das Zeit- und das Kostenbudget geregelt. In der Einführungsphase stellen sich die Parteien vor, das Verfahren wird dargelegt, die Rollen geklärt und die Grundsätze der Zusammenarbeit werden vereinbart. In der zweiten Phase erhalten die Parteien die Gelegenheit, ihre Sichtweisen zu schildern. Gestützt darauf wird eine Themenliste erstellt und konsolidiert. Der dritte Schritt fragt nach den dahinterliegenden Interessen. Diese Interessenklärung wird oft als ungewöhnlich empfunden, bildet jedoch das zentrale Element für eine tragfähige Vereinbarung. Denn die Beteiligten werden sich ihrer eigenen Interessen bewusst und lernen die Interessen der anderen Parteien kennen. Die vierte Phase dient der Findung von Lösungsoptionen. Es werden kreative Lösungsvarianten gesammelt, bewertet und anhand der herausgearbeiteten Interessen auf ihre Realitätstauglichkeit überprüft. Es gilt, gestützt auf diese Ideen eine Lösung zu erarbeiten und die Eckpunkte festzuhalten. Schliesslich wird im fünften Schritt die Vereinbarung im Detail ausgehandelt und gestaltet, überprüft und geschlossen. Ziel ist eine für alle Beteiligten tragbare und nachhaltige Lösung.
Bei einer Mediation werden verschiedene Methoden und Ansätze kombiniert. Je nach Situation, Personenkreis, Thema und Komplexität sind mehrere Termine für eine Mediation erforderlich. Denkbar ist auch eine Kurz-Zeit-Mediation3 mit umfangreicher Vorbereitung, der Verkürzung gewisser Schritte und einem damit verbundenen Einsparungspotenzial.

Vorgehen
Es ist sinnvoll, sich bereits vor dem Auftreten von Streitigkeiten auf das Verfahren sowie die Anlaufstelle4 zu einigen: in Form einer statutarischen oder vertraglichen Mediationsklausel. Bei einem Konflikt empfiehlt es sich, frühzeitig eine Mediation zu erwägen und durchzuführen.

  1. Vgl. Merkblatt zur Mediation des Obergerichts des Kantons Zürich, Stand 2022.
  2. Schweizerische Zivilprozessordnung (Zivilprozessordnung, ZPO) vom 19. Dezember 2008, SR 272.
  3. Kurz-Zeit-Mediation nach Heiner Krabbe, vgl. Krabbe Heiner, Zeichen der Zeit – Die Kurz-Zeit-Mediation, in: pm Perspektive Mediation, 3/2012, S. 58 ff.
  4. Siehe Informationen beim Schweizerischen Dachverband Mediation (SDM) unter www.mediation-ch.org oder beim Schweizerischen Anwaltsverband (SAV) unter www.sav-fsa.ch

Katharina Bossert,

Rechtsdienst

katharina.bossert@wbg-schweiz.ch