Thomas Elmiger,
Rechtsdienst
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Wegen der unsicheren Pandemielage planen viele Baugenossenschaften, auch die diesjährige Generalversammlung schriftlich abzuhalten. Bis Ende 2021 ist aber auch eine Durchführung via Online-Tools möglich. Was gilt es dabei zu beachten?
März 2021
Die Covid-19-Verordnung 31 sieht in Art. 27 Abs. 1 vor, dass Versammlungen in schriftlicher wie auch in elektronischer Form durchgeführt werden können. Diese Möglichkeit gilt von Gesetzes wegen bis zum 31. Dezember 2021, das heisst, dass dafür keine spezielle statutarische Grundlage erforderlich ist. Somit können alle Genossenschaften eine solche virtuelle Generalversammlung durchführen. 2 Nach Ablauf der Covid-19-Verordnung 3 Ende Jahr werden virtuelle Generalversammlungen in Genossenschaften unzulässig sein beziehungsweise kommen sie erst wieder nach Inkrafttreten des revidierten Obligationenrechts im Jahr 2022 in Frage. Voraussetzung für die Durchführung wird dann aber sein, dass die Statuten der Genossenschaft die Möglichkeit der elektronischen Durchführung vorsehen.3
Übertragungsmittel
Die virtuelle Generalversammlung wird (fast) ausschliesslich über das Internet durchgeführt und kann von den Genossenschafterinnen und Genossenschaftern mittels Bild- und Tonübertragung in Echtzeit mitverfolgt werden. Mittlerweile haben sich bereits mehrere Anbieter solcher Online-Tools etabliert. Diese dürften aber aus Kostengründen für kleine oder mittlere Genossenschaften nicht in Frage kommen. Als Alternativen bieten sich Zoom beziehungsweise MS Teams an, wobei bei beiden Tools die Maximalzahl der gleichzeitig auf dem Bildschirm visualisierbaren Teilnehmer zurzeit beschränkt ist.
Recht auf Teilnahme
Vorweg ist anzumerken, dass das Recht auf Teilnahme besagt, dass jedes Genossenschaftsmitglied zwingend das Recht hat, an der Generalversammlung teilzunehmen. Falls zahlreiche Personen zum Beispiel aus technischen oder persönlichen Gründen nicht teilnehmen können, sollte auf eine elektronische Generalversammlung verzichtet werden und eine schriftliche durchgeführt werden. Wenn ein namhafter Teil der Mitglieder nicht an der elektronischen Generalversammlung teilnehmen kann, kann deren Gültigkeit in Frage gestellt werden. Verhinderungen wegen technischer Unzulänglichkeiten müssen Einzelfälle sein.
Im Rahmen der virtuellen Generalversammlung sind sämtliche Vorschriften zu beachten, die auch im Zusammenhang mit der Durchführung einer herkömmlichen Generalversammlung zur Anwendung gelangen, wie die Einberufung oder das Erstellen eines Protokolls. In einigen Bereichen bedingt aber die Technologie eine spezielle oder ergänzende Regelung.
Im Rahmen der Revision des Obligationenrechts (nachfolgend: E-OR), die voraussichtlich im Jahr 2022 in Kraft treten soll, wird die virtuelle Generalversammlung im Aktien- und Genossenschaftsrecht eingeführt. Die im Entwurf zum neuen Art. 701e Abs. 2 E-OR festgehaltenen Grundsätze können analog auf die virtuelle Generalversammlung einer Genossenschaft angewendet werden.4 Der vorgenannte Artikel nennt vier Anforderungen, die bei der Verwendung elektronischer Mittel sowohl mit Blick auf die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte als auch in Bezug auf die Durchführung einer virtuellen Generalversammlung erfüllt sein müssen:
Einberufung
Da die Durchführung der Versammlung selber elektronisch erfolgt, gilt dies auch für die Einberufung, die auch per E-Mail erfolgen kann, sofern alle Genossenschafter dadurch erreicht werden können. Ansonsten muss die Einberufung in der statutarisch vorgesehenen Form erfolgen. Falls eine namhafte Anzahl von Mitgliedern nicht über eine E-Mail-Adresse verfügt, sollte von der Durchführung einer virtuellen Generalversammlung abgesehen werden. Die zur Durchführung einer virtuellen Generalversammlung notwendigen Unterlagen sind im Wesentlichen die gleichen wie bei einer schriftlichen.
Restversammlung
Trotz virtueller Durchführung der Versammlung findet eine physische «Restversammlung» weiterhin statt. An der Restversammlung anwesend sind die/der Vorsitzende, ein Protokollführer sowie Stimmenzähler. 5
Identifikation
Das Recht auf Teilnahme bedingt die zweifelsfreie Identifikation der Teilnehmer. Für die virtuelle Generalversammlung genügt es, wenn dem Genossenschaftsmitglied die Zugangsdaten (bei Zoom und Teams der Link) zugesandt werden. Bei kleinen und mittleren Genossenschaften, wo die Zahl der Mitglieder überschaubar, die Fluktuation gering ist und die Mitglieder Wohnsitz in der Genossenschaft haben, dürfte angesichts der Bekanntheit von Mitgliedern ein zwei- bis dreistufiges Identifikationsverfahren genügen. Dieses besteht in der Aufnahme der Mitglieder in eine E-Mail-Liste, dem Versand des Links an die Mitglieder und einer Bildidentifikation. Die Bildübertragung ist nicht zwingend, ist aber der Identifikation dienlich.
Bei grösseren Genossenschaften, in denen aufgrund der Vielzahl von Mitgliedern eine gewisse Anonymität herrscht, dürfte eine zusätzliche Identifikation angezeigt sein, beispielsweise durch Nennung des Namens und der Adresse beim Rückversand der Abstimmungsunterlagen. Die Verwendung einer elektronischen Signatur scheidet aus Kostengründen zurzeit aus. Ein Versand der Unterlagen mittels verschlüsselter E-Mail ist möglich, aber nicht zwingend.
Diskussion /Debatte
Wegen des sogenannten Unmittelbarkeitsprinzips muss gewährleistet sein, dass die Genossenschafter und der Vorstand im gegenseitigen Informationsaustausch Voten abgeben, Anträge stellen und miteinander Beschlüsse fassen können. Wie bei der physischen Generalversammlung wird der Vorsitzende die Generalversammlung leiten und damit auch das Rederecht der Mitglieder zeitlich beschränken oder im Extremfall sogar das Wort entziehen. Idealerweise sollten ein paar elementare Regeln vor der Versammlung aufgestellt und in der Form einer Anleitung den Genossenschaftern mit der Einladung zugestellt werden.
Abstimmung
Der Vorstand hat beim Abstimmungsverfahren im technisch zumutbaren und vernünftigerweise zu erwartenden Rahmen zu handeln. Nach Schluss der Diskussion haben die Mitglieder die Möglichkeit zur Stimmabgabe. Die Abstimmung selber kann während der Versammlung (zum Beispiel über Zoom) stattfinden. Aus Beweisgründen empfiehlt es sich aber, dass sie per E-Mail erfolgt und das Abstimmungsergebnis danach ermittelt wird. Nach Eingang werden die E-Mails ausgewertet, die Absenderangaben mit dem Mitgliederverzeichnis abgeglichen und die Stimmen ausgezählt.
Bei einer rein elektronischen Beschlussfassung wird zurzeit aufgrund der unsicheren Rechtslage und der technischen Anforderungen hinsichtlich Identifikation, Abstimmungsresultate usw. davon abgeraten, ohne zusätzliche Vorkehrungen eine öffentliche Urkunde zu erstellen, wo dies notwendig ist (zum Beispiel bei einer Fusion beziehungsweise Abspaltung oder bei der Einführung der Nachschusspflicht für Genossenschafter).
Abbruch/technische Störung
Treten während der Generalversammlung technische Probleme auf, so dass sie nicht ordnungsgemäss durchgeführt werden kann, muss sie wiederholt werden. Beschlüsse, welche die Generalversammlung vor dem Auftreten der technischen Probleme gefällt hat, bleiben gültig.
Fazit
Die Bestimmungen der Covid-19-Verordnung 3 räumen den Genossenschaften im Hinblick auf die Durchführung einer Generalversammlung einen grossen Entscheidungsspielraum ein. So besteht neben der Durchführung einer schriftlichen Generalversammlung auch die Möglichkeit einer virtuellen. Bei kleinen Genossenschaften dürfte der Organisationsaufwand bei beiden Versammlungsformen etwa gleich hoch sein. Ob die virtuelle Generalversammlung zweckmässig ist, muss im Einzelfall der Vorstand einer Genossenschaft für sich entscheiden.
Kantone dürfen ihren Gemeinden nicht verbieten, erhebliche Vorteile bei Um- und Aufzonungen auszugleichen. Zudem dürfen Gelder aus dem Mehrwertausgleich auch für Massnahmen der Wohnbauförderung verwendet werden. Zu diesem Schluss kam das Bundesgericht in einem vielbeachteten Urteil.
Von Lea Gerber
Die Baselbieter Gemeinde Münchenstein hatte gegen das kantonale «Gesetz über die Abgeltung von Planungsmehrwerten» vor Bundesgericht Beschwerde erhoben. Im Gegensatz zur einige Jahre früher eingeführten Münchensteiner Regelung sieht das kantonale Gesetz keine Abgaben bei Um- und Aufzonungen und auch bei Neueinzonungen lediglich die Minimalvorgaben des Bundes vor. Gleichzeitig verbietet der Kanton den Gemeinden eigene Regelungen bei Um- und Aufzonungen. Die vertragliche Lösung, auf die das kantonale Gesetz die Gemeinden verweist, genügte der Gemeinde Münchenstein nicht. Sie wehrte sich politisch und juristisch. Das Bundesgericht gab ihr nun Recht.
In seinem Urteil hat sich das Bundesgericht ausführlich mit dem bundesrechtlichen Auftrag des Raumplanungsgesetzes (RPG) und mit der Regelung des Kantons Basel-Landschaft auseinandergesetzt. Es kam zum Schluss, dass das Verbot, weitergehende Mehrwertabgaben zu erheben, mit dem Bundesrecht unvereinbar sei. Es ermögliche den Gemeinden nicht, die erheblichen Vor- und Nachteile, die durch Planungen entstehen, angemessen auszugleichen. Damit stellt das Bundesgericht auch klar, dass der allgemeine Gesetzgebungsauftrag, wonach die Kantone «für einen angemessenen Ausgleich erheblicher
Planungsvor- und -nachteile» sorgen, von den Kantonen und Gemeinden umzusetzen ist. Und weiter, dass dazu auch nicht nur Ein-, sondern auch Um- und Aufzonungen gehören.
Wohnbauförderung zulässig
Zudem bekräftigte das Bundesgericht, dass die Erträge aus dem Mehrwertausgleich auch für die Wohnbauförderung eingesetzt werden können. Die Gemeinde Münchenstein kritisierte, dass das kantonale Gesetz eine Verwendung der Erträge für Massnahmen zur Wohnbau- und Eigentumsförderung vorsieht. Das Bundesgericht bescheinigt in seinem Urteil den Kantonen eine grosse Regelungsfreiheit beim Entscheid, wie die Erträge zu verwenden sind. Die Förderung erschwinglichen Wohnraums und insbesondere des gemeinnützigen Wohnungsbaus stehe im Einklang mit den Zielen und Planungsgrundsätzen des Raumplanungsgesetzes, so das Bundesgericht.
Weitere Informationen
Das Bundesgerichtsurteil vom 19. November 2020 finden Sie hier.
Mehr Informationen zum Mehrwertausgleich finden Sie auf der Website von EspaceSuisse – dazu auch eine Tabelle mit einer Übersicht über die Bestimmungen in den einzelnen Kantonen und die kantonalen Bestimmungen im Wortlaut