Rubrik: Recht

Fragen und Antworten zur Mietzinskalkulation

Am 1. Juni ist der Referenzzinssatz erstmals seit seiner Einführung 2008 angestiegen. Auch der Landesindex der Konsumentenpreise und der Gebäudeversicherungswert unterliegen Erhöhungen. Ob dies auch bei Wohnbaugenossenschaften zu einer Mietzinsanpassung führt, hängt wesentlich davon ab, ob kostendeckend vermietet werden kann und nach welchen Grundsätzen die Mietzinse berechnet werden.

2023/05

Seit Monaten sorgen der Wohnungsmangel und die immer höheren Mieten für Schlagzeilen. Sie belasten viele Schweizer Haushaltsbudgets zunehmend. Zudem wurden diverse Referenzwerte wie der Landesindex der Konsumentenpreise, der Gebäudeversicherungs-wert und der Referenzzinssatz erhöht. Wie wirken sich diese Veränderungen auf Baugenossenschaften aus?
Massgebend ist im genossenschaftlichen Wohnbau stets – und zwar unabhängig vom Berechnungsmodell –, ob die Mietzinseinnahmen kostendeckend sind oder nicht. Zweck von Wohnbaugenossenschaften ist die Förderung des preisgünstigen Wohnungsbaus und die Verhinderung der Spekulation, nicht die Gewinnmaximierung. Die Einnahmen ha­ben grund­sätzlich nur die Ausgaben zu decken beziehungsweise kommt ein allfälliger Gewinn nur der Genossenschaft selbst oder den Mitgliedern zugute. Dritte werden nicht bereichert.
Die meisten Genossenschaften berechnen ihre Mieten nach der Kostenmiete. Allerdings gibt es dabei verschiedene Kalkulationsmodelle, die vor allem davon abhängen, ob die Wohnungen von Bund, Kanton oder Gemeinde unterstützt wurden und deshalb der Mietzinskontrolle durch eine Behörde unterstehen oder nicht. Deshalb bedeuten der höhere Referenzzinssatz und der Anstieg anderer Referenzwerte nicht automatisch, dass Genossenschaften die Mieten erhöhen müssen. Zu unterscheiden sind vier Systeme (siehe Box Definitionen Modelle).

Welches Modell gilt?
Um unliebsame Überraschungen zu vermeiden, sollten Genossenschaften abklären, welches Mietzinskalkulationsmodell bei ihnen tatsächlich gilt. Wer dabei unsicher ist oder verifizieren möchte, ob alte Mietverträge noch der aktuellen Situation entsprechen, kann dies mit dem Rechtsdienst des Verbands überprüfen. Die Verbandsfinanzfachleute helfen zudem abzuklären, ob die aktuellen Mietzinse aus wirtschaftlicher Perspektive ausreichen.

Vom Bund kontrollierte Mietzinse

Steigen aufgrund des höheren Referenzzinssatzes die Mieten in Wohnungen, die vom Bund kontrolliert werden?
Die Mietzinskalkulation für vom Bund geförderte Wohnungen ist in der Wohnraum-förderungsverordnung (WFV¹) näher geregelt. Relevant für die anrechenbaren Liegenschaftskosten sind die ef­fek­tiven Zinsen für das investierte Fremdkapital – ausschlaggebend ist also der tatsächliche Hypothekarzinssatz und nicht der Referenzzinssatz. Lediglich bei der Verzinsung des Eigenkapitals bildet der Referenzzinssatz die Höchstgrenze.

Wann sind Mietzinsanpassungen bei vom Bund kontrollierten Mietzinsen zulässig?
Gemäss Wohnraumförderungsverordnung sind Mietzinsanpassungen in folgenden Situationen möglich: bei Veränderungen des Hypothekarzinssatzes oder des Baurechtszinssatzes, infolge wert­vermehrender Investitionen, bei Erhöhungen der Unterhaltskosten, der Verwaltungskosten oder der mit der Sache verbundenen Lasten und öffentlichen Ab­gaben sowie bei verbilligten Wohnungen aufgrund einer Reduktion der Vergünstigung.² Der gestiegene Referenzzinssatz hat nur im Rahmen der Verzinsung des Eigenkapitals eine allfällige Miet­zins­erhöhung zur Folge. Erforderlich ist eine solche aber nicht, solange kos­tendeckend vermietet werden kann.

«Zürcher Modell»

Welchen Einfluss hat der Referenz­zinssatz beim Zürcher Modell?
Für die Berechnung der Kapitalkosten wird der Anlagewert (Wert von Land und Gebäude) mit dem Referenzzinssatz multipliziert. Addiert man dazu die Betriebskosten (3,25 Prozent des Gebäudeversicherungswerts) ergibt sich die höchstzulässige Mietzinssumme für die Siedlung. Steigt nun der Referenzzinssatz, steigt auch die nach Zürcher Modell maximal zulässige Mietzinssumme. Eine Mietzinsanpassung ist bei einer Veränderung um 0,5 Prozentpunkte seit der letzten Anpassung besonders zu prüfen.³ Die maximal zulässige Mietzinssumme kann, muss aber nicht ausgeschöpft werden.

Welche Rolle spielt der Gebäude­versicherungswert?
Per Anfang 2023 wurde der Gebäudeversicherungsindex im Kanton Zürich angehoben, was zu einer Erhöhung des Gebäudeversicherungswerts von rund 10 Prozent führt. Da dieser Wert ein wichtiger Faktor bei der Mietberechnung nach Zürcher Modell ist, steigt die maximal zulässige Kostenmiete. Im Zürcher Kostenmietmodell wird der Gebäudeversicherungswert als Richtwert verwendet, um die pauschalen Betriebskosten zu berechnen. Die Logik dahinter ist, dass der Unterhalt eines Gebäudes von dessen Wert abhängt.
Der Gebäudeversicherungswert wurde letztmals vor 14 Jahren angepasst. Durch die Erhöhung des Gebäudeversicherungswerts können die Genossenschaften den Betriebskostenanteil erhöhen – müssen dies aber nicht. Dabei ist auch in Erinnerung zu rufen, dass es sich beim Gebäudeversicherungswert um einen fiktiven Wert handelt, zumal dieser der Summe entspricht, die es kosten würde, um ein Gebäude wiederaufzubauen. Ob eine Unterfinanzierungsituation vorliegt, muss im Einzelfall untersucht werden, weswegen die mit dem Zürcher Kostenmietmodell kalkulierenden Genossenschaften zumindest nicht in jedem Fall die Kosten auch auf die Mieten überwälzen und die maximal zulässige Mietzinssumme ausschöpfen müssen. In die Entscheidung im Hinblick auf eine Mietzinserhöhung miteinzubeziehen ist, dass der Unterhaltsbedarf bei einem Altbau deutlich höher ist als bei einem Neubau. Bei Neubauten sollte eine allfällige Mietzinserhöhung in geringem Ausmass geltend gemacht werden, da die Unterhaltskosten wesentlich niedriger sind als bei einem Altbau.

Selbstkosten: «statutarische Kostenmiete»

Wie berechnen sich Mietzinse nach den Selbstkosten?
Eine generelle Definition der Kostenmiete bei freitragenden Wohnungen gibt es bisher nicht (siehe Box). Vielmehr ist eine statutarische Grundlage erforderlich. Der Verband Wohnbaugenossenschaften Schweiz empfiehlt, zuerst eine konkrete Lastenrechnung zu erstellen. Dann sollte der so errechnete minimal zu erzielende Ertrag mit den Systemen von Bund und mit der Mietzinsformel der Stadt Zürich verglichen werden. Wichtig zur Vorbeugung von Konflikten und Anfechtungsverfahren ist eine transparente und nachvollziehbare Kalkulation der Mietzinse.

Was bedeutet die Erhöhung des Referenzzinssatzes für Bauträger, die ihre Mieten freiwillig nach den Selbstkosten berechnen?
Die Mietzinse werden aufgrund der tatsächlichen Hypothekarzinsen berechnet und nicht auf Grundlage des Referenzzinssatzes. Die Mietzinsberechnung hat ganz konkret aufgrund der tatsächlichen Kosten zu erfolgen; zu berücksichtigen ist dabei der effektive Zinssatz sowie die tatsächliche Höhe der Hypothek. Bei Festhypotheken ergibt sich daher überhaupt keine Veränderung. Der Mietzins muss damit nicht erhöht werden, wenn die Liegenschaft kostendeckend vermietet ist. Das heisst, die Erhöhung des Referenzzinssatzes darf zu keiner Mietzinserhöhung führen. Wenn Genossenschaften mit Verweis auf den Referenzzins die Mieten anpassen, gilt für sie künftig nicht mehr die Berechnung nach den Selbstkosten, sondern das OR-System.

«OR-System»

Was gilt bei Bauträgern, die ihre Mieten nach den Bestimmungen des Obligationenrechts (OR) berechnen?
Beim OR-System bestehen mehrere Anpassungsparameter, welche gleichzeitig geltend gemacht werden können. Eine Erhöhung des Referenzzinssatzes um ein Viertelprozent entspricht einer Mietzinserhöhung von 3 Prozent.⁴ Zudem kann der Vermieter 40 Prozent der aufgelaufenen Teuerung seit der letzten massgebenden Mietzinsfestlegung⁵ und die allgemeine Kostensteigerung von Unterhaltskosten – in der Regel eine Pauschale von 0,25 bis 0,75 Prozent pro Jahr – geltend machen. In einigen Kantonen müssen die Kostensteigerungen sogar belegmässig auswiesen werden.⁶ Zu beachten ist aber, dass das OR-Modell nur die maximal zulässige Mietzinserhöhung vorgibt. Bei einer Mietzinsberechnung nach der OR-Methode ist für die Festlegung der massgebenden Kostenstände (Referenzzinssatz, Unterhaltspauschale und eventuell Teuerung) die letzte Mietzinsfestlegung beziehungsweise der Mietvertrag massgebend. Eine Mietzinserhöhung ist nicht möglich, wenn die letzte Mietzinsanpassung oder der Vertragsabschluss bei höheren Kostenständen erfolgte.
Aufgrund des seit der Jahrtausendwende zu sehenden generellen Trends von sinkenden Zinsen im Allgemeinen wie auch des seit der Einführung im Jahr 2008 stets sinkenden Referenzinnsatzes kommt bei langfristigen Mietverhältnissen eine Mietzinsanpassung zurzeit nur in Frage, wenn die Kostenstände bei jeder Senkung des Referenzzinssatzes angepasst worden sind. Dabei dürfte es sich um Ausnahmesituationen handeln.
Eine Erhöhung des Mietzinses im vorgenannten Sinn muss auch nicht zwingend erfolgen, wenn die Liegenschaft kostendeckend vermietet ist und also keine Unterfinanzierungssituation vorliegt.

Spricht bei gemeinnützigen Wohnbauträgern etwas gegen eine Mietzinskalkulation gemäss OR?
Die Anwendung des OR-Systems muss nicht, kann aber zu Problemen führen. Denn gemeinnützige Bauträger nehmen – auch im OR-System – als Basis regelmässig die Miete nach den Selbstkosten. Steigen die effektiven Kosten der Genossenschaft, weil zum Beispiel die Hypothekarzinsen ansteigen, kann sie den Mietzins nicht sofort anpassen; Erhöhungen sind erst dann möglich, wenn der Referenzzinssatz diesen Zinsanstieg abbildet. Die tatsächliche Kostenentwicklung wird damit im OR-System nicht wiedergegeben. Sinkt in Zukunft der Referenzzinssatz, muss die Genossenschaft auf Begehren der Mieter:innen hin die Mieten senken, auch wenn ­ihre tatsächlichen Fremdkapitalkosten gleich bleiben.

Definition Modelle

«Geförderte Wohnungen – behördliche Kostenmiete»
Der «behördlichen Kostenmiete» unterstehen Wohnungen, die vom Bund, vom Kanton oder von der Gemeinde unterstützt und deren Mieten von einer Behörde kontrolliert werden.⁷
Auf Ebene Bund betrifft dies in der Regel gestützt auf das Wohnraumförderungsgesetz (WFG)⁸ und die Wohnraumförderungsverordnung (WFV) Wohnungen, die ein Darlehen des Fonds de Roulement haben. Auch Bauträger, die EGW-Anleihen haben, können sich freiwillig der Kontrolle des Bundes unterstellen. Die Kontrollbehörde ist das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO).
Zürcher Modell: In Zürich unterstehen viele Wohnungen der Kontrolle der Fachstelle Gemeinnütziges Wohnen der Stadt Zürich. Die Stadt Zürich unterstützt den gemeinnützigen Wohnungsbau durch den Verkauf von Baugelände oder durch Bestellung von Baurechten, durch Gewährung von Darlehen sowie durch die Übernahme von Anteilen am Kapital.⁹

«Freitragende Wohnungen»
Als «freitragend» gelten alle Wohnungen von gemeinnützigen Wohnbauträgern, deren Mietzinse nicht von einer Behörde kontrolliert werden. Sie unterliegen dem Obligationenrecht (OR) und haben ihre Mietzinse nachvollziehbar zu kalkulieren und sicherzustellen, dass sie nicht missbräuchlich sind.
Manche Genossenschaften vermieten ihre Wohnungen gemäss ihren Statuten zu den tatsächlichen Selbstkosten («statutarische Kostenmiete»). Eine gesetzliche Definition der Kostenmiete für den freitragenden Wohnungsbau fehlt. Es gibt lediglich eine Verordnungsbestimmung, die folgendermassen lautet: «Wird unter Verzicht auf Quartierüblichkeit und Teuerungsausgleich dauernd mit der reinen Kostenmiete gerechnet, so kann der Mietzins bei Hypothekarzinserhöhungen im Umfang der Mehrbelastung für das gesamte investierte Kapital erhöht werden.»¹⁰
Mit der Kostenmiete müssen die Verzinsung des Fremd- und des Eigenkapitals, allfällige Baurechtszinsen, Abschreibungen, Rückstellungen und allfällige Einlagen in Fonds, Unterhalt, Abgaben, Steuern und Versicherungsprämien sowie die Verwaltungskosten gedeckt sein (vergleiche Musterstatuten des Verbands). Zudem sind einige Formalitäten zu erfüllen: Die Kostenmiete als Berechnungsprinzip bedarf einer statutarischen Grundlage, ebenso sollte es einen entsprechenden Hinweis in den Mietverträgen haben. Nicht erwähnt werden dürfen dort aber Berechnungsgrundlagen wie Teuerung, Referenzzinssatz und allgemeine Kostensteigerung. Genossenschaften mit dem Selbstkostenmodell können auch freiwillig das Mietzinskalkulationsmodell von «geförderten» Wohnungen anwenden.
Bei der Mietzinsgestaltung nach Obligationenrecht (OR-System) gilt Art. 269 ff OR. Die Mietzinsberechnung orientiert sich nicht strikte an der Kostenmiete im Sinne der tatsächlich anfallenden Auslagen. Sie folgt einer im OR vorgesehenen Berechnungsmethode und lässt eine gewisse Rendite zu, solange sie nicht als missbräuchlich zu qualifizieren ist.

Hypothekarischer ­Referenzzinssatz

Seit dem 10. September 2008 gilt für Miet­zinsanpassungen infolge von Änderungen des Hypothekarzinssatzes für die ganze Schweiz ein einheitlicher Referenzzinssatz. Er wird vierteljährlich berechnet auf Grundlage des Durchschnittszinssatzes der Banken. Er ersetzte den in den Kan­tonen früher massgebenden Zinssatz für variable Hypotheken. Bei seiner Einführung lag der Satz bei 3,5 Prozent, seither sank er kontinuierlich und verharrte seit März 2020 auf 1,25 Prozent. Im Juni wurde er erstmals erhöht, auf 1,5 Prozent.

  1. Insbesondere Art. 8 WFV, SR 842.1
  2. Art. 11 WFV
  3. Art. 4 Mietzinsreglement der Stadt Zürich, 841.150
  4. Art. 13 Abs. 1 VMWG
  5. Art. 16 VMWG
  6. www.mietrecht.ch/index und Publikation «Daten und Adressen zum Mietrecht» der «mietrechtspraxis | mp»
  7. Art. 253b Abs. 3 OR.
  8. Gemäss Wohnraumförderungsgesetz (WFG), SR 842, und Wohnraumförderungsverordnung (WFV), SR 842.1
  9. Grundsätze betreffend die Unterstützung des gemeinnützigen Wohnungsbaus der Stadt Zürich, 841.110, Grundsätze 24 genannt.
  10. Art. 13 Abs. 3 der Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG), SR 221.213.11.

Thomas Elmiger,

Rechtsdienst

thomas.elmiger@wbg-schweiz.ch