Wohngenossenschaft Reuss erneuert sämtliche Bäder

Getaktete Sanierung

Weil sich die Mieterschaft Duschen statt Badewannen wünschte, erneuerte die Basler Wohngenossenschaft Reuss im vergangenen Jahr gleich alle Badezimmer ihrer acht Liegenschaften mit insgesamt 180 Wohnungen. Gleichzeitig mussten sämtliche Wasserleitungen und Kanalisationsanschlüsse ersetzt werden. Dank einem eng getakteten System betrug die Bauzeit nur zehn Monate.

Von Béatrice Koch | Bilder: Talsee, Flubacher Nyfeler Partner Architekten, zVg | 2023/07

Eigentlich wollte der Vorstand der Wohngenossenschaft Reuss schon in den 1990er-Jahren, als die letzte Badsanierung anstand, die Badewannen durch Duschen ersetzen. Damals stiess man jedoch bei den Mietern und vor allem den Mieterinnen noch auf Widerstand. An der Generalversammlung von 2019 wurde der Wunsch nach Duschen nun aber von den Mitgliedern selbst an den Vorstand he­ran­ge­tragen. Genossenschaftspräsident Wer­ner Plüss klärte zunächst die Machbarkeit und die Kosten ab. An der Generalversammlung 2021 sprach sich schliesslich die Mehrheit der Genossenschafter:innen für den Ersatz der alten Wannen durch Duschen aus. «Der Hauptgrund war, dass viele ältere Mieterinnen und Mieter die Badewanne nicht mehr ohne fremde Hilfe benutzen können», erklärt Plüss. Eine Dusche erleichtert aber nicht nur den Ein- und Ausstieg, sondern spart auch Platz, ist praktischer für die Körperpflege und erst noch umweltschonender, weil sie weniger Wasser verbraucht.

Für die Mieterschaft wurden WC- und Duschcontainer in den Innenhöfen aufgestellt.

Sanierung im bewohnten Zustand
Die acht Wohnhäuser der WG Reuss im Basler Bachlettenquartier stammen aus den späten 1940er-Jahren. Dank stetem Unterhalt sind die insgesamt 180 Zwei- bis Vierzimmerwohnungen gut in Schuss. Die Grundfläche ist aus heutiger Perspektive aber eher bescheiden; so umfasst die grösste Dreizimmerwohnung 75 Quadratmeter. Die Badezimmer sind entsprechend nur vier bis sechs Quadratmeter gross und eher schmal. Eine zusätzliche Herausforderung für die Architekten und Arbeitenden war, dass ein Dut­zend verschiedener Badezimmertypen zum Vorschein kam, die es umzubauen galt.
Weil die Sanierung in bewohntem Zustand durchgeführt wurde und um die Bewoh­ne­r:in­nen nicht länger als nötig zu belasten, entwickelte das zuständige Planungsbüro Flubacher Nyfeler Partner Architekten AG ein «Takt­sys­tem»: Ein Takt umfasste zwei Wochen, in denen jeweils acht Bäder fertiggestellt wurden. Die Takte überlappten sich, sodass zeitversetzt immer 16 Bäder gleichzeitig in Arbeit waren und jede Woche acht fertige Bäder der Mieterschaft übergeben werden konnten. Damit sich die Arbeiter:innen im Treppenhaus nicht auf die Füsse standen, wurde pro Haus jeweils nur ein Strang, also eine Hälfte saniert. So waren die Baustellen während der Bauzeit über die einzelnen Häuser verteilt.

Praktisches Vorwandsystem
Zu einem schnellen Bauverlauf beigetragen hat auch das Vorwandsystem der Badeinrichtungsfirma Talsee: Es kombiniert die Badmöbel und die Abdeckungen für Spülkasten und Leitungen in einem vorgefertigten Element. In der Unterkonstruktion sind alle spezifischen Anschlüsse integriert, wodurch Platz für zusätzlichen Stauraum und sogar für eine kleine Waschmaschine gewonnen werden konnte, die später bei Bedarf installiert werden darf: «Wir haben in allen Badezimmern entsprechende An­schlüsse eingebaut», berichtet Plüss.
Das Waschbecken und die Fronten des Ba­de­zimmermöbels bestehen aus weissem Corian. Der Werkstoff – eine Mischung aus natürlichen Mineralien und Acrylharz – sei relativ teu­er, aber pflegeleicht und fast unverwüstlich, so Plüss. Weiter wurden bei etwa einem Drittel der Badezimmer die bestehenden Isolierfenster durch neue, dreifach verglaste Fenster ersetzt. Die restlichen geschlossenen Bäder erhielten eine effizientere Abluftanlage mit Ventilationsabzug. «Einzelne Gebäude verfügten noch über die alten Schwerkraftlüftungskamine, die wir komplett bis übers Dach zurückbauten», sagt der Genossenschaftspräsident.

Wegen kantonalen Auflagen mussten sämtliche Wasserleitungen, Abflussrohre und Kanalisationsanschlüsse erneuert werden, ­zudem mussten alle Deckendurchbrüche mit Brandschutzmanschetten verschlossen werden.

Engen Zeitplan eingehalten
Insgesamt zehn Monate, von Februar bis Oktober 2022, dauerten die Bauarbeiten inklusive Kanalisationsarbeiten. «Dank der guten Planung konnten wir den dicht getakteten Zeitplan einhalten», sagt Plüss – und windet damit den Architekten ein Kränzchen. Aber auch den Mieter:innen zollt der Präsident Lob: «Sie haben sehr verständnisvoll auf die Umtriebe ­reagiert.» Damit sich die Mieterschaft im Vorfeld darüber informieren konnten, wie ihr Bad aussehen werde, stellten die Planer:innen in einer Garage ein Musterbad auf. Plüss: «Einige der Bewohnenden haben erst dann realisiert, welche Vorteile eine Dusche gegenüber der Badewanne hat.»
Während der Zeit, in der die Mieter:innen kein eigenes Bad zur Verfügung hatten, standen provisorische Duschen und Toiletten zur Verfügung, die in den Innenhöfen aufgestellt wurden. Zusätzlich erhielt jede Wohnung ein Chemie-WC. Wer konnte, ging während der zwei­wöchigen Badsanierung jedoch ganz einfach in die Ferien; so auch Plüss, der mit seiner Frau selbst in einem der Genossenschaftshäuser wohnt. Die überwiegende Mehrheit der Genossenschaftsmitglieder sei mit dem Resultat der Badsanierung sehr zufrieden, so der Präsident. Auch die moderate Mietzinserhöhung von hundert Franken, die frühzeitig kommuniziert worden war, sei problemlos akzeptiert worden. «Angesichts der steigenden Energie­preise habe ich aber empfohlen, die Akonto-Zahlungen freiwillig zu erhöhen.»

Die Bewohner:innen haben nicht nur neue ­Duschen, sondern dank des Vorwandsystems auch mehr Platz im Bad.

Neue Brandschutzauflagen
Die Erneuerung aller Bäder war für die Wohngenossenschaft finanziell ein grosser Brocken: Auf 8,5 Millionen Franken wurden die Kosten an der GV veranschlagt, am Ende lagen sie bei 8,9 Millionen Franken, die mit einem Baukredit der Basler Kantonalbank finanziert wurden. Im Zuge der Badsanierung mussten gemäss Auf­lage des Kantons sämtliche Wasserleitungen, Abflussrohre und Kanalisationsanschlüsse erneuert werden. «Zudem mussten wir neue Brandschutzauflagen einhalten. Dazu gehörte, alle Wasserleitungen mit Brandschutzverschalungen zu versehen und alle Deckendurch­brüche mit Brandschutzmanschetten zu verschliessen», erklärt Plüss. Geärgert hat sich der Präsident über die Forderung des Kantons, die intakten Regenwassersammler zu vergrössern: Diese Auflage traf erst nach Erhalt der Baubewilligung ein und war mit ein Grund dafür, dass der Vorstand an der GV einen Nachtragskredit beantragen musste.
Mit ihrem Bestand von 180 Wohneinheiten gehört die 1946 gegründete WG Reuss in Basel zu den mittelgrossen Wohngenossenschaften. Ein Mehrfamilienhaus an der Wanderstrasse steht auf eigenem Land, die übrigen sieben Häuser am Laupenring, an der Marschalken­strasse, Kaltbrunnenstrasse, Nenzlingerstrasse und Holeestrasse wurden im Baurecht der Stadt errichtet. Die Liegenschaften wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten teilisoliert, die Fassaden erneuert, auf zwei Dächern wurden zwei PV-Anlagen installiert, die pro Dach gut 150 Kilowattstunden Solarstrom produzieren. Zieht jemand aus, wird die Wohnung je nach Bedarf saniert und mit neuen Elektro­installationen, trittschalldämmenden PVC-­Bö­den und einer neuen Küche ausgestattet. Dank dieser stetigen Unterhaltsmassnahmen präsentieren sich die Altbauten in einem guten Zustand. Doch trotz günstiger Mieten hat die Genossenschaft manchmal Mühe, die Einheiten zu vermieten: «Vor allem Familien wünschen sich heute meist grössere Wohnungen.» Dabei bieten die Häuser mit ihren grosszügigen Grünflächen eine kinderfreundliche, gemeinschaftlich genutzte Umgebung.

Beschäftigter Vorstand
Die Badsanierung vom vergangenen Jahr forderte vom vierköpfigen Vorstand einen hohen personellen Einsatz: «Für mich als Präsident war das ein Jahr lang fast ein Vollzeitjob», verdeutlicht Plüss den Aufwand. Seit 2005 leitet er den Vorstand der Wohngenossenschaft Reuss, seit fünf Jahren ist er pensioniert und derzeit daran, einen Nachfolger aufzubauen. Nach der aufwändigen Badsanierung soll nun erst ein­mal eine «finanzielle Ruhephase» einkehren. Zusätzliche Investitionen zeichnen sich aber bereits ab. So müssen weitere Brandschutzmassnahmen umgesetzt werden, die Liegenschaft an der Wanderstrasse wird – als letztes Haus der Wohngenossenschaft – ans Fernwärmenetz ­angeschlossen, einzelne Gebäude sollen weiter isoliert werden und neue Dächer eine In-Dach-PV-Anlage erhalten. Präsident Plüss: «Mein Ziel ist es, die WG Reuss in gutem Zustand zu übergeben.»

Baudaten

Bauträgerin
Wohngenossenschaft Reuss, Basel
Planung
Flubacher Nyfeler Partner Architekten AG, Basel
Unternehmen (Auswahl)
Ego Kiefer AG (Fenster)
Lüthi Haustechnik AG (Sanitärinstal­lation)
Rohrrenova AG (Leitungssanierung)
Talsee AG (Badausstattung)
Umfang
Badsanierung in 8 MFH, total 180 Wohnungen, Ersatz Wasserleitungen 

und Abflussrohre, Anpassung der Brandschutzmassnahmen, Erneuerung der Elektroinstallationen, Erneuerung ­Regenwassersammler
Baukosten
8,9 Mio. CHF
Mietzinsbeispiele
2-Zimmer-Wohnung, 46–54 m²:
alt: 800 CHF + 140 CHF NK
neu: 900 CHF + 140 CHF NK

4-Zimmer-Wohnung, 73–91 m²:
alt: 1200 CHF + 180 CHF NK
neu: 1300 CHF + 180 CHF NK