WGN saniert Hochhaus am Hochbergerplatz in Basel

Modernisierte Wohnungen mit Hafensicht

Während knapp fünf Monaten hat die Wohnbau-Genossenschaft Nordwest (WGN) in Basel das einzige Hochhaus in ihrem Portfolio komplett saniert. Anstatt den Mieterinnen und Mietern eine andere Wohnung anzubieten, brachte man sie in einem Hotel unter – und erstattete ihnen in der Folge auch den Mietzins.

Von Patrizia Legnini | Bilder: Wohnen, zVg | 2022/03

Vom einstigen Fischerdorf Kleinhüningen ist rund um die gleichnamige Tramhaltestelle im Norden der Stadt Basel nichts mehr zu sehen. Vier Minuten braucht das Tram 8, um Einkaufstouristinnen und -touristen über die Grenze ins deutsche Weil am Rhein zu fahren. Noch immer prägt der Rheinhafen mit seinen beiden Hafenbecken das Quartier. Doch heute bedienen nur noch wenige Menschen hier Maschinen oder hantieren mit Containern. Seit langem gilt Kleinhüningen als Arbeiterquartier mit hohem Ausländeranteil.
Menschen aus über zwanzig Ländern wohnen denn auch im markanten Hochhaus am Hochbergerplatz, nur ein paar Schritte von der Haltestelle Kleinhüningen entfernt. Wenn sie in den oberen Stockwerken am Fenster stehen, blicken sie auf Hafengebäude und Lager­häuser hinunter, auf Bahngleise, Siloanlagen und Industriekamine. Viele von ihnen leben seit vielen Jahren in dem elfstöckigen Gebäude, das 1963 erbaut wurde und seit 1986 der Wohnbau-Genossenschaft Nordwest (WGN) gehört – als einziges Hochhaus in deren Portfolio. Und viele fühlen sich im Haus so wohl, dass sie noch lange hier wohnen bleiben möchten.
Diesen Wunsch nahmen sich die Verantwortlichen bei der Genossenschaft zu Herzen, nachdem sie 2018 eine Zustandsanalyse durchgeführt und entschieden hatten, das Gebäude einer umfassenden Sanierung zu unterziehen. Weil die 55 Wohnungen über all die Jahre unterhalten, aber kaum modernisiert worden waren, hatten die haustechnischen Installationen, die Küchen, Bäder und Bodenbeläge ihre Lebenserwartung weit überschritten. Auch die energetischen und brandschutztechnischen Gegebenheiten entsprachen nicht mehr den heutigen Vorschriften. «Ausserdem hatten wir in den Küchen und Badezimmern immer wieder Wasserschäden», sagt Marius Deutsch, stellvertretender Leiter Bewirtschaftung bei der WGN. Zur Umsetzung des Sanierungsprojekts, das mit 15,2 Millionen Franken budgetiert wurde, arbeitete die WGN mit der Generalplanerin und Bauleiterin Emch+Berger ImmoConsult AG zusammen.

Die haustechnischen Installationen, die Küchen, Bäder und Bodenbeläge hatten ihre ­Lebenserwartung weit überschritten (Bilder unten). Nach der Sanierung verfügen die leicht vergrösserten Küchen über Geschirrspüler und Gefrierschrank, in einigen ­Badezimmern gibt es einen Wasseranschluss für die Waschmaschine.

Hausgemeinschaft im Hotel gestärkt
Bald war klar, dass die Grosssanierung nicht in bewohntem Zustand durchgeführt werden konnte. «Einerseits wären die Bauarbeiten verlängert und somit verteuert worden. Anderseits wären sie für die Mieterinnen und Mieter nicht zumutbar gewesen», so Deutsch. Auch eine Massenkündigung kam für die WGN nicht in Frage, und allen 55 Parteien eine Wohnung in einer anderen Liegenschaft anzubieten, wäre ebenfalls schwierig geworden – zumal die Mieterinnen und Mieter aus ihrem gewohnten Umfeld, aus Schulen und Kindergärten herausgerissen worden wären. «Die Bewohnerinnen und Bewohner sollten keinen Nachteil haben, nur weil wir das Haus sanieren mussten.»
Daher entschied sich die Wohnbaugenossenschaft für einen ungewöhnlichen Weg: Zwischen Juni und November 2021 quartierte sie über 70 Mieterinnen und Mieter vorübergehend im nahe gelegenen Hotel Stücki ein. Die WGN kam dabei nicht nur für den Umzug und die Zwischenlagerung des Mobiliars sowie für die Hotelkosten auf, sondern erstattete den Mietern für die Dauer des Hotelaufenthalts auch den gesamten Mietzins.
Während fast fünf Monaten bereiteten sich die Bewohnerinnen und Bewohner also in den Gemeinschaftsküchen des Hotels ihre Mahlzeiten zu, arbeiteten an ihren Hausaufgaben und feierten an Feiertagen ausgelassene Feste. «Ich habe sogar Videos von gemeinsamen Tanzeinlagen zugespielt bekommen. Und eine Frau hat während ihres Aufenthalts im Hotel ein Baby zur Welt gebracht», sagt Deutsch. Zwar seien die älteren Bewohnerinnen und Bewohner gegen Ende dieser Hotelzeit etwas ungeduldig geworden. Aber entgegen den Befürchtungen habe es im Zusammenleben keine Probleme gegeben. Im Gegenteil: «Alle hatten die gleichen Fragen, Sorgen und Freuden. Wir hatten den Eindruck, dass die gemeinsame Erfahrung im Hotel die Bewohnerinnen und Bewohner des Hochhauses noch stärker zusammenschweisste.»
Dass auch das Abwartsehepaar im Hotel wohnte und bei Fragen zur Verfügung stand, sei hilfreich gewesen. Um ihren Mieterinnen und Mietern den Hotelaufenthalt angenehmer zu gestalten, hatte sich die Verwaltung aber auch immer wieder kleine Aufmerksamkeiten einfallen lassen: Sie verteilte mal Frühstücks-, mal Kinogutscheine und verschickte regelmässig Fotos von den Umbauarbeiten im Hochhaus. Ganz in der Nähe hatte man darüber hinaus ein Mieterbüro eingerichtet, an das sich die Bewohnerinnen und Bewohner zu speziellen Öffnungszeiten wenden konnten. Zum Beispiel, wenn jemand seine Schuhe brauchte, die fälschlicherweise im Möbellager der Umzugsfirma gelandet waren. Dorthin war nämlich vor Sanierungsbeginn das ganze Mobiliar der Mieterinnen und Mieter gebracht worden.

Viel Koordination nötig
Als besonders herausfordernd haben die Verantwortlichen nicht nur die Asbestsanierung des Treppenhauses und der Wohnungsflure erlebt, die im ganzen Hause komplizierteste Schutzvorrichtungen nötig machten, sondern auch die Organisation der Umzüge. «Das Haus hat einen einzigen Eingang und zwei Lifte. Wir haben lange über der Frage gegrübelt, wie wir vierzig unterschiedlich grosse Wohnungen innert zwei Wochen so zügeln können, dass der Zeitplan eingehalten werden kann», sagt Deutsch. Mit einem zusätzlichen Fassadenlift, der bis in die zehnte Etage reichte, bewältigte das Zügelunternehmen schliesslich drei bis vier Wohnungsumzüge pro Tag. Noch einen Tick komplizierter ging am Ende der Umbauzeit das Einziehen vonstatten: «Weil das Haus noch eingerüstet war, musste der Gerüstbauer das Gerüst für den Fassadenlift in jedem Stockwerk erst auf- und dann wieder zumachen.»
Rund 150 Arbeiter haben das Gebäude und die Einstellhalle in den letzten Monaten den heutigen Brandschutzvorschriften angepasst und die gesamte Gebäudehülle sowie die Fenster energetisch saniert. Die Fassade wurde mit Mineralwolle gedämmt. Damit erfüllt das Hochhaus heute die Anforderungen des Geak Plus, des Gebäudeenergieausweises der Kantone bezüglich Gebäudehülle und Gesamtenergieeffizienz der Gebäudetechnik. «Das Minergie-Label hätten wir uns nicht leisten können. Abgesehen davon wäre es mit der Geschosshöhe auch gar nicht vereinbar gewesen», sagt René Thoma, Vorsitzender der Geschäftsleitung.
Noch sind beim Hochhaus die Fassadengestaltung und die Umgebungsarbeiten nicht abgeschlossen – das kalte Wetter verhinderte bisher das Anbringen des Fassadenputzes. Und auch der Hinterhof wird erst in den kommenden Wochen zur Begegnungszone aufgewertet. Ganz neu präsentiert sich hingegen schon das umgestaltete und mit Tischen und Stühlen versehene Gebäudedach, das früher von den Mieterinnen und Mietern kaum je betreten wurde, ihnen in Zukunft aber als Aufenthaltsort zur Verfügung steht.

Eine Herausforderung war die Organisation der Umzüge. Dank einem Fassadenlift bewältigte das Zügelunternehmen drei bis vier Wohnungsumzüge pro Tag.

Ein paar böse Überraschungen
Als mühsam empfanden die Verantwortlichen die Diskussionen mit den Behörden bezüglich der Fassadenfarbe. Ein Farbgestalter hatte für die WGN ein aufwändiges Farbkonzept für eine gelb-graue Fassade erstellt, das der Stadtbildkommission jedoch nicht passte. Darum wird die Fassade jetzt sandfarben gestrichen. Auswirkungen auf den Bauablauf hatten auch ein paar andere böse Überraschungen, etwa der Zustand verschiedener Wände im Hausinnern oder die Unebenheiten der Wohnungsböden. Dadurch verteuerte sich die Sanierung um etwa 600 000 Franken, wie Thoma sagt. Aber mit einer Verspätung von zwei Wochen konnten alle Innenarbeiten beendet werden.
Für die Heizung und die Bereitstellung des Warmwassers wird – wie schon bisher – Fernwärme genutzt. Alle haustechnischen Installationen inklusive der Heizungsverteilung wurden genauso ersetzt wie die Bäder und Küchen, die vorher sehr einfach eingerichtet waren: Es gab darin weder Geschirrspülmaschinen noch Dampfabzüge, dafür standen hier und dort noch freistehende Kühlschränke. Anzutreffen waren auch geplättelte Rückwände «in allen erdenklichen Farben», wie Deutsch sagt. Ein Sammelsurium an Materialien gab es auch bei den Bodenbelägen: In einigen Wohnungen wechselten sich früher Klötzliparkett und Linoleum mit Florflexplatten und Laminat ab.

Für eine bessere Durchmischung der Mieterschaft wurde der Wohnungs­spiegel ­angepasst. 12 Zwei­zimmerwohnungen wurden zu sechs Vier­zimmer­wohnungen mit gross­zügigem Garderobenbereich zusammengelegt.

Balkone wurden vergrössert
Nach der Sanierung ist es der Boden, der in der Musterwohnung im siebten Stock ins Auge sticht: Vom langen Flur, in dessen Decke LED-Spots eingelassen wurden, zieht sich dunkler Hochkantlamellenparkett schwellenlos in die grossen Zimmer. Um die Stolpergefahr zu eliminieren und das Putzen zu vereinfachen, wurde in den Zimmern der Boden etwas angehoben. Die Einbauschränke in den Wohnzimmern hat man erhalten, sie wurden aussen aufgefrischt und bekamen innen neue Tablare. Alle Wohnungen haben einen Glasfaseranschluss bekommen und bessere Steckdosen, einige auch einen Wasseranschluss für die Waschmaschine. Die Deckenoberflächen und Wandbeläge wurden saniert, die Türfallen und Sockelleisten ersetzt, genauso wie die Glaseinsätze in den Türen zu den Küchen. Diese verfügen jetzt alle über einen Geschirrspüler und einen grosszügigen Gefrierschrank, und pflegeleichte Glaskeramikherde haben die Gaskochfelder ersetzt. Um die Küchen grosszügiger gestalten zu können, hat man die kleinen Küchenbalkone aufgehoben. Die meisten anderen Balkone wurden vergrössert und hälftig verglast.
Für eine bessere Durchmischung der Mieterschaft wurde der Wohnungsspiegel angepasst: 12 der 33 Zweizimmerwohnungen wurden zu sechs Vierzimmerwohnungen zusammengelegt. Dadurch gibt es im Hochhaus jetzt nicht mehr 55, sondern nur noch 49 Wohnungen. Bis auf sechs Wohnungen sind alle wieder bezogen. Acht Mieterinnen und Mieter haben in eine grössere Wohnung gewechselt. Im Haus gab es bisher verschiedene Mietzinsniveaus, vor allem langjährige Mieter profitierten von sehr tiefen Mieten. Damit sich die bisherigen Bewohnerinnen und Bewohner auch nach der Sanierung eine Wohnung leisten können, wollte man an den Mietzinsen nur moderate Anpassungen vornehmen. Die Mietzinserhöhung für Bestandsmieter liegt bei maximal 350 Franken pro Wohnung; 36 der früheren 55 Mietparteien sind wieder ins Haus gezogen – und sehr glücklich mit ihren modernisierten Wohnungen, wie Deutsch sagt. «Viele Mieter verstanden beim Einzug die Welt nicht mehr. Und bedankten sich überschwänglich.»

Baudaten

Bauträgerin:
Wohnbau-Genossenschaft Nordwest, Basel
Generalplanung und Bauleitung:
Emch+Berger ImmoConsult AG, Basel
Umfang:
Gesamtsanierung Mehrfamilienhochhaus mit neu 49 Wohnungen, zwölf 2-Zimmer-Wohnungen wurden zu sechs 4-Zimmer-Wohnungen zusammengelegt

Baukosten (BKP1-5):
15,3 Millionen CHF inkl. MwSt.
Mietzinsbeispiele:
2-Zimmer-Wohnung, 63 m²:
alt: 912 CHF plus 170 CHF NK
neu: 1206 CHF plus 170 CHF NK
3-Zimmer-Wohnung, 81 m²:
alt: 1099 CHF plus 185 CHF NK
neu: 1410 CHF plus 185 CHF NK
4-Zimmer-Wohnung, 110 m²:
neu: 1850 CHF plus 240 CHF NK