Baurechtsverträge: unterschiedliche Ansätze, weitreichende Konsequenzen

Drum prüfe, wer sich (fast) ewig bindet

Einige Städte und Gemeinden blicken auf eine lange Tradition mit Baurechten für gemeinnützige Wohnbauträger, andere stehen ganz am Anfang oder orientieren sich neu. Wie unterschiedlich Baurechtsverträge aussehen können und welche Konsequenzen dies mit sich bringt, zeigt ein Vergleich der drei Städte Zürich, Bern und Basel.

Von Lea Gerber | Bilder: Daniel Kaufmann, Boris Haberthür | 2022/07

In der ganzen Schweiz und insbesondere in den Ballungszentren wird Bauland immer knapper und teurer. Baugenossenschaften können vielerorts mit den Bodenpreisen nicht mehr mithalten. Zunehmend erstellen sie ihre Liegenschaften deshalb auf Land, das sie im Baurecht erhalten – häufig von der Gemeinde, seltener auch vom Kanton, von Kirch- oder Burgergemeinden oder von privaten Landeigentümern.

Wohnungspolitische Ziele erreichen
Für die öffentliche Hand ist es attraktiv, Land im Baurecht abzugeben. Sie kann so Einfluss nehmen, was darauf gebaut wird. Der Baurechtszins sichert ihr während der gesamten Baurechtsdauer regelmässige Einnahmen. Und sie bleibt Eigentümerin des Grundstücks, über das sie nach Ablauf des Baurechts wieder vollständig verfügen kann. Folglich bekunden Gemeinden zunehmend Interesse, Land im Baurecht abzugeben. Die Zusammenarbeit mit gemeinnützigen Wohnbauträgern hat weitere Vorteile: Weil diese nur eine kostendeckende Miete verlangen, erhält die Gemeinde langfristig preisgünstigen Wohnraum und sichert die soziale Durchmischung. Belegungsvorschriften sorgen für eine effiziente Flächen- und Infrastrukturnutzung. Auch achten viele Genossenschaften auf gute Architektur, ermöglichen einen ressourcenschonenden Lebensstil und fördern generationenübergreifende Begegnungen.
Anders als gewinnorientierte Investorinnen bauen Genossenschaften für die Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner, und sie haben Erfahrung darin, Lücken im Wohnungsmarkt zu schliessen. Gerade beim Thema Alterswohnen setzen immer mehr Gemeinden auf die Zusammenarbeit mit einem gemeinnützigen Bauträger oder initiieren gleich selbst die Grün­dung einer Genossenschaft. In den letzten Jahren sind so insbesondere in ländlichen Gegenden viele wegweisende Alterswohnprojekte entstanden.

Faktor Zwanzig
Mit der Unterzeichnung eines Baurechtsvertrags gehen Baurechtsgeber und -nehmer eine jahrzehntelange Bindung ein. Auch deshalb sind Baurechte höchst komplex und anspruchsvoll, und ihre konkrete Ausgestaltung hat weitreichende Konsequenzen für beide Seiten. Nehmen wir als fiktives Beispiel einen Bau­rechts­vertrag, der vor vierzig Jahren abgeschlos­sen wurde. Hätte man den Baurechtszins damals zu hundert Prozent an die Entwicklung der Landpreise indexiert, so hätte er sich bis heute versiebenfacht. Hätte man den Baurechtszins jedoch an die Hypothekarzinsen gebunden, hätte er sich in dieser Zeit um zwei Drittel reduziert. Erstere Variante führte somit zu einem zwanzig­mal höheren Baurechtzins als letztere, obwohl beide vor vierzig Jahren mit gleich hohem Baurechtszins gestartet wären.
Ob das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ausgewogen bleibt, hängt von der wirtschaftlichen Entwicklung, aber auch von den Parametern und Anpassungsmechanismen ab, die im Baurechtsvertrag vereinbart wer­den. Da Gemeinden kaum über Grundlagen für die Ausgestaltung eines Baurechtvertrags verfügten, publizierte das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) im Jahr 2017 zusammen mit Wüest Partner AG die Studie «Baurecht unter der Lupe» (siehe Wohnen 09/2017). Basierend auf diesen Erkenntnissen gab das BWO diesen Juni Empfehlungen für Baurechtsver­träge mit gemeinnützigen Wohnbauträgern he­raus (siehe Interview Seite 10). Dabei wird deutlich: Es gibt nicht die Lösung, die für alle stimmt. Wichtig ist, dass die verschiedenen Stellschrauben sorgfältig aufeinander abgestimmt werden. Wie unterschiedlich Baurechtsverträge aussehen können und welche Konsequenzen dies mit sich bringt, zeigt ein Vergleich der drei Städte Zürich, Bern und Basel.

Zürich: Pragmatischer Ansatz
Die Stadt Zürich gibt bereits seit den 1960er-Jahren Land im Baurecht an gemeinnützige Bauträger ab. Damit fördert sie ein bezahlbares Wohnungsangebot zur Kostenmiete. Aktuell be­stehen 114 solcher Baurech­te. Darauf stehen – Projekte im Bau mitgerechnet – rund 5400 Wohnungen. Hinzu kommen 1600 Zimmer für Studierende und ältere Menschen. Die Stadt vergibt Baurechte in der Regel über 62 Jahre, mit zwei Verlängerungsoptionen für je 15 Jah­re. Der Heimfall ist baurechtsgeberfreundlich definiert: Die Heimfallentschädigung orientiert sich lediglich an den Erstellungs­kosten plus den wert­ver­meh­ren­den Investitionen. Gleichzeitig muss der Bau­rechtsnehmer jedes Jahr ein Prozent des Gebäudeversicherungswerts in einen Erneuerungsfonds einzahlen. Nicht verwendete Gelder aus diesem Fonds gehen beim Heimfall an die Stadt über. Damit besteht ein starker Anreiz, die Liegenschaft stets gut zu unterhalten.
Demgegenüber verlangt die Stadt Zürich tendenziell baurechtsnehmerfreundliche Baurechtszinsen. Als Basis der Berechnung des Landwerts dient nicht der Wert des Landes selbst, sondern der Wert des zu erstellenden Wohnraums. Er wird anhand der Baukosten ermittelt und liegt – je nach Baurechtsnehmer, Bauprojekt und Ausnützungsziffer – zwischen 16 und 20 Prozent der Gesamtanlagekosten (An­lagekosten plus Landanteil). Der so berechnete Landwert dient als Grundlage für den Baurechtszins. Als Zinssatz gilt der Durch­schnitt des Referenzzinssatzes der vergangenen fünf Jahre. Das Modell sieht alle fünf Jahre eine Angleichung des Landwerts zu 50 Pro­zent der Teue­rung vor.

Die Stadt Basel hat das Land für die Überbauung Sonnenfänger gemäss dem «Partnerschaftlichen Baurechtsvertrags Plus» zur Verfügung gestellt. Die beiden Basler ­Genossenschaften Bündnerstrasse und Neue Wohnbaugenossenschaft Basel konnten so gemeinsam 125 Wohnungen erstellen, die 2021 bezogen wurden.

Viele Zusatzleistungen
Mit der pragmatischen Landwertermittlung wer­den die tendenziell schlechtere Heimfallregelung sowie die vielen wohnpolitischen Auflagen und Zusatzleistungen, die Baugenossenschaften übernehmen müssen, abgegolten. So ver­pflichtet sich die Baurechtnehmerin zu Belegungsvorschriften und errichtet rund einen Drittel der Wohnungen im subventionierten Wohnungsbau. Zudem muss sie hohe Auflagen bezüglich Ökologie und Energie erfüllen, Kunst am Bau realisieren sowie ein Prozent ihres gesamten Wohnungsbestands als Notwohnungen dem Sozialdepartement der Stadt zur Verfügung stellen. Die Projektentwicklung hat mit einem Architekturwettbewerb unter Leitung der Stadt zu erfolgen.
«Dass man bei einem Baurecht Leistungen und Gegenleistungen verhandelt, macht Sinn», sagt Christian Portmann, Präsident des Regionalverbands Zürich. Er beobachtet jedoch eine Tendenz, solche Vertragswerke mit sehr detaillierten Regelungen zu überladen. «Wenn man bedenkt, über wie lange Zeit ein Baurechtsvertrag gültig ist, ist das realitätsfremd.» Wenn etwa Belegungsvorschriften im Baurechtsvertrag starr fixiert würden, sei das problematisch. Portmann empfiehlt deshalb, im Vertrag so viel wie nötig und so wenig wie möglich zu regeln.

Bern: Neue Grundsätze beschlossen
Der Gemeinderat (Exekutive) der Stadt Bern hat erst 2017 neue Grundsätze für die Baurechts­vergabe beschlossen. Vorher differenzierte die Stadt nicht zwischen gewinnorientierten und gemeinnützigen Baurechtsnehmern. Für Baurechte an gemeinnützige Wohnbauträger wurde neu auch ein Musterbaurechtsvertrag ausgearbeitet. Anders als bei Baurechtsabgaben an renditeorientierte Investoren ist für die Ermittlung des Baurechtszinses nicht der Marktwert des Landes ausschlaggebend, sondern die durch das BWO festgelegten Anlagekostenlimiten. Davon wird, abhängig von Standortqualität und Ausnutzung, ein Landwertanteil von 15 bis maximal 20 Prozent berechnet, der mit einem fixen Zinssatz von drei Prozent zu verzinsen ist.
Die Anpassung des Baurechtszinses erfolgt, wie bei den gewinnorientierten Bauträgern, nach fünf Jahren, wobei allerdings nur die Hälfte der Teuerung gemäss Konsumentenpreisindex berücksichtigt wird. Bei renditeorientierten Investoren wird die vollständige Teuerung über­wälzt. Die Heimfallentschädigung beträgt bei allen Bauträgern je nach Gebäude zwischen 60 und 90 Prozent des Zeit- beziehungsweise Zustandswertes. Die Verträge werden über eine Dauer von 60 bis 80 Jahren abgeschlossen.

Kostenmiete als wichtigste Auflage
Ähnlich wie in Zürich versteht die Stadt die vorteilhafteren Baurechtskonditionen für gemeinnützige Wohnbauträger als Abgleich für die Vorgaben, die diese erfüllen müssen. An erster Stelle stehen hier Gemeinnützigkeit sowie Kostenmiete. Das heisst: In die Mietzinskalkulation dürfen nur die Kapital- und Betriebskosten inklusive Amortisationen und Rückstellungen einfliessen. Bewohnerinnen und Bewohner müs­sen in der Stadt Bern ihren Wohnsitz haben, und die Wohnkosten sollten in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Einkommen sein. Personen mit Betreuungsaufgaben sollten bei der Vermietung bevorzugt werden. Anders als in Zürich werden diese Grundsätze in einem separaten Vertragszusatz festgehalten.
«Das finden wir eine gute Lösung», sagt Jürg Sollberger, Präsident des Regionalverbands Bern-Solothurn. Zu den anderen Baurechtskonditionen meint er: «Die Baurechtszinse sind zwar wegen des Zinssatzes von drei Prozent relativ hoch. Der fixe Zinssatz hat jedoch den Vorteil, dass er langfristig Planungssicherheit gibt.» Bei den Anlagekostenlimiten hätte sich der Verband gewünscht, dass nur 90 Prozent davon als Berechnungsgrundlage für den Landwert eingesetzt würden, da die Limiten für Bern sowieso schon hoch angesetzt seien. «Die Mietzinsen, die wir anstreben, erlauben es gar nicht, die Limiten auszuschöpfen», sagt Sollberger.

Basel: Wirklich partnerschaftlich?
Ein ganz anderes Modell wendet die Stadt Basel an. Im Jahr 2010 verabschiedete der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt das neue Modell inklusive Mustervertrag. Grundidee des «Basler Modells» ist, dass sich Baurechtsnehmer und -geber sowohl die Risiken als auch die Rendite teilen sollen, und zwar proportional zu den Werten, die die beiden Parteien einbringen. Beim Baurechtsgeber ist dies der Wert des Bodens (Landwert), beim Baurechtsnehmer sind es die Investitionen ins ­Gebäude. Basel berechnet als einzige Stadt den Baurechtszins mit einer Formel:
Weil der Nettoertrag zwischen den beiden Vertragspartnern aufgeteilt wird, wird das Basler auch «partnerschaftliches Modell» ge­nannt. Die Bezeichnung ist aber unpräzise: Das Modell sieht vor, dass der Baurechtszins alle zehn Jahre angepasst wird. Gebäude verlieren jedoch mit der Zeit an Wert, während die Landpreise insbesondere in Städten stark ansteigen. Damit bekommt der Baurechtsnehmer mit den Jahren einen immer kleineren Anteil des Nettoertrags. Denn für die Anpassungen gelten stets der dannzumalige Nettoertrag der Liegenschaft, der dannzumalige absolute Bodenwert und der dannzumalige ­Substanzwert der Baute.

Enorme Bodenpreissteigerungen
Der absolute Bodenwert entspricht dem Preis, den ein Dritter für den Erwerb eines ähnlichen Grundstücks in unbebautem Zustand zahlen würde. Das Problem sind die Landpreise: «Gemäss Zahlen von Fahrländer Partner sind die Bodenpreise für Renditeliegenschaften in Basel-Stadt seit der Finanzkrise von 2008 um über 400 Prozent gestiegen», so Ivo Balmer, Vorstands­mit­glied von Wohnbaugenossenschaften Nordwestschweiz. «Mit der Anpassung des Land­werts an Marktpreise alle zehn Jahre kom­men gros­se Probleme auf die gemeinnützigen Bauträger zu», sagt er. «Stossend ist auch, dass die Landwertanpassung dem eigentlichen Ziel des gemeinnützigen Wohnungsbaus, dem Spekulations­entzug des Bodens, zuwiderläuft.» Das sieht auch das BWO so: Im jüngst publizierten Merkblatt «Baurechte für gemein­nützige Wohn­bauträger» rät es ausdrücklich von der Anpassung an den Landwert ab und gewährt in diesem Fall auch kei­ne Bundeshilfe.
Die Beispiele zeigen: Die konkrete Ausgestaltung des Baurechtsvertrags hat weitreichende Konsequenzen. Um langfristig tragfähige Lösungen vereinbaren zu können, empfiehlt der Verband, sich in jedem Fall von Spezialistinnen und Spezialisten des Dachverbands oder der Regionalverbände beraten zu lassen.

Weitere Infos:
Beratung Wohnbaugenossenschaften Schweiz
Baurechtsabgabe Stadt Zürich
Baurechtsabgabe Stadt Bern
Baurechtsvertrag Plus Stadt Basel