
Wieso Genossenschaften auf Gemeinschaftsbäder setzen
«Fast wie wellnessen»
In Wohnungen werden vermehrt nur noch Duschen eingebaut. Auf eine Wanne verzichten muss man bei vielen Genossenschaften trotzdem nicht: sie setzen auf Gemeinschaftsbäder. Fünf Praxisbeispiele zeigen, wie diese genutzt und betrieben werden.
Von Thomas Bürgisser | Bilder: zVg, Markus Pfiffner, Theodor Stalder | 2024/07
Gemütlich im warmen Wasser zurücklehnen und sich beim Duft eines Badezusatzes, Kerzen, Musik oder einem guten Buch entspannen – für viele bedeutet ein Bad Genuss pur. Ein Vollbad verbraucht aber auch mindestens 100 bis 150 Liter Wasser, ermahnt Greenpeace. Mit einer kurzen Dusche sei der Wasserverbrauch bis zu dreimal kleiner. Das ist einer der Gründe, wieso manche Baugenossenschaften bei ihren Wohnungen auf Badewannen verzichten und ganz oder mehrheitlich auf Duschen setzen. Auch der geringere Platzbedarf und der einfachere Einstieg für ältere Personen werden als Gründe angeführt. Demgegenüber ziehen Familien mit kleinen Kindern eine Badewanne oftmals der Dusche vor.
Den unterschiedlichen Bedürfnissen begegnen Genossenschaften mit verschiedenen Strategien. Die Baugenossenschaft des eidgenössischen Personals (BEP)zum Beispiel baut in neuen Häusern bei Wohnungen mit weniger als vier Zimmern, die eher von älteren Bewohnenden genutzt werden, grundsätzlich schwellenlose Duschen ein. So handhabte sie es etwa bei der 2016 fertiggestellten Waid-Siedlung in Zürich. Die grösseren Wohnungen verfügen jedoch über eine Badewanne. Ausschliesslich Duschen vorgesehen waren ursprünglich in den neun Wohnungen des 2022 fertiggestellten Neubaus der Genossenschaft Cohabitat auf dem Basler Areal Lysbüchel Süd. «Schliesslich wurden dann die Familienwohnungen mit viereinhalb Zimmern doch mit Wannen ausgestattet», erzählt Christine Jungo von Cohabitat.

Die Nutzung vieler Gemeinschaftsbäder ist pragmatisch geregelt. Auf dem Bild das Beispiel der BEP-Siedlung Waid in Zürich, wo man sich auf einer Schiefertafel eintragen kann.

Im Attikageschoss lässt sich ein Bad bei schöner Aussicht geniessen. Unter der Woche wird die Badstube von Cohabitat in Basel aber auch zum Wäschetrocknen genutzt.

Gerüstet fürs Familienbad: Bei Lena in Basel stehen eine Einzel- und eine Doppelwanne zur Verfügung.
Gemeinschaftsbad mit Zusatznutzen
Aufs Baden muss bei beiden Genossenschaften letzlich niemand verzichten. Ein schlicht eingerichtetes Gemeinschaftsbad findet sich in der Waid-Siedlung neben einem kleinen Fitnessraum. Bei Cohabitat in Basel ist das Gemeinschaftsbad im Attikageschoss neben der Waschküche untergebracht. Es dient auch als Toilette und Bad für die drei Mansardenzimmer, die teilweise intern als Gästezimmer genutzt werden. Unter der Woche wird es zudem oft als zusätzlicher Trocknungsraum für die Wäsche verwendet. «An den Wochenenden aber ist abgemacht, dass man keine Wäsche aufhängt. Dann können alle Bewohnenden das exklusive Attikageschoss bei einem Bad mit schöner Aussicht geniessen», sagt Jungo.
Tatsächlich findet das Gemeinschaftsbad in Wohnbaugenossenschaften vermehrt Verbreitung. Oft mit Zusatznutzen: So ist bei Bainviver in Chur das Gemeinschaftsbad neben separat mietbaren Einzelzimmern ohne eigenes Bad/WC untergebracht. Aktuell ist eines davon fix bewohnt. Bei Zusammenhalt dient das Gemeinschaftsbad zumindest ab und zu als Bade- beziehungsweise Duschmöglichkeit für ein Gästezimmer. In erster Linie aber sei es ein Gemeinschaftsraum für die Bewohnenden, so Doris Spörri von der Winterthurer Genossenschaft. Ursprünglich sei der gefangene Raum in einem Zwischengeschoss als Reduit gedacht gewesen. «Weil es dann aber genug Kellerräume gab, funktionierte man es zum Gemeinschaftsbad um und baute noch ein Fenster ein mit Blick in den oberen Bereich des doppelgeschossigen Eingangsbereichs.»
Unterschiedliche Reservationssysteme und Nutzungsfrequenzen
Die Basler Genossenschaft Lena hingegen wählte für das Gemeinschaftsbad bewusst einen der schönsten Räume in der fünften Etage, erzählt Ursula Portmann. Von dort aus könnten die Badenden durch grosszügige Fenster eine «traumhafte Aussicht und die schönsten Sonnenuntergänge» geniessen. Ausgestattet ist das Gemeinschaftsbad mit einer Einzel- und einer Doppelbadewanne. «Das ist ja eine einmalige Investition und immer noch günstiger als Badewannen für alle Wohnungen», sagt Portmann. So wird der Wasserverbrauch von Alleinbadenden minimiert, während Familien ebenfalls ihren Platz finden und in den beiden Wannen sogar gemeinsam baden können. Gemäss Portmann wird diese Option vergleichsweise häufig genutzt, wobei der Fokus allgemein vor allem auf dem Winterhalbjahr liegt: «Dann wird das Gemeinschaftsbad fast täglich ein- bis dreimal genutzt.» Vor allem an den Abenden und am Sonntagmorgen sei die Reservation über den Monatsplan an der Türe empfehlenswert.
Ein ähnliches Reservationssystem gibt es in der BEP-Siedlung Waid, wo man sich für das Extrabad mit WC und Garderobe unkompliziert über eine Schiefertafel vor Ort eintragen kann. «Deshalb haben wir auch keine Zahlen, wie oft es genutzt wird», sagt Eva Eidenbenz von der BEP. Gleich klingt es von den anderen angefragten Genossenschaften, die sogar ganz auf eine Reservierungsmöglichkeit verzichten. Bei Zusammenhalt in Winterthur gibt es zwar eine Agenda, in die sich aber kaum jemand eintrage. Spörri weiss jedoch von vier Mitbewohnenden, die das Bad zumindest im Winter regelmässig nutzen, gesamthaft sei es wohl ein- bis zweimal pro Woche besetzt. Bei Cohabitat mit nur neun Wohnungen ist es noch seltener. «Tatsächlich wird es aber ab und zu sogar von jenen besucht, die eigentlich eine Badewanne in der Wohnung hätten, um in Ruhe zu entspannen», sagt Jungo.

Seit bald zehn Jahren ist das Gemeinschaftsbad in der BEP-Siedlung Waid in Betrieb.

Bei Bainviver in Chur ist das Gemeinschaftsbad neben separat mietbaren Einzelzimmern untergebracht und wird von diesen mitbenutzt. Die Reinigung erfolgt in Eigenverantwortung.
Hygiene und Reinigung funktionieren
Tonia Raich von Bainviver in Chur spricht ebenfalls von einer sporadischen Nutzung. «Die Möglichkeit, dass ein Gemeinschaftsbad zur Verfügung steht, wird aber sehr geschätzt.» Da es von einem Mieter als fixes Badezimmer – zusätzlich zu einem separaten Raum mit Toilette und Lavabo – genutzt werde, sei es ausserdem immer in Betrieb. Dieses bewusst angestrebte soziale Miteinander funktioniert gemäss Raich gut. Das gilt auch für die Hygiene. «Wir haben zu Beginn einen gemeinsamen Standard vereinbart, das hat sich bewährt.» Heute sind alle Nutzenden jeweils selbst für die Reinigung verantwortlich, auch die Reinigungsprodukte dafür bringen alle selbst mit.
Während man bei Bainviver bei der Reinigung ausschliesslich auf Eigenverantwortung setzt, übernimmt bei Zusammenhalt zusätzlich eine Badverantwortliche eine Kontrollfunktion und schaut zweimal wöchentlich nach, ob alles sauber ist. Zusammen mit den restlichen Gemeinschaftsflächen wird das Bad zudem einmal im Monat professionell gereinigt. Auf eine zusätzliche externe Reinigung setzt auch die BEP, während bei Cohabitat nach Bedarf und bei Lena wöchentlich Personen aus der Hausgemeinschaft eine Grundreinigung machen. Nur zu Beginn habe es zwei-, dreimal Probleme mit der Hygiene gegeben, erinnert sich Ursula Portmann von Lena: «Dass die Nutzung dank dem Reservationssystem nicht anonym ist, fördert sicher die Eigenverantwortung.»
Aber auch die anderen Genossenschaften haben keine schlechten Erfahrungen gemacht, weder mit der Hygiene noch mit Badezusätzen oder anderen Utensilien, die liegen bleiben. Ob mit oder ohne professionelle Reinigung: Eine Gebühr pro Nutzung des Gemeinschaftsbads kennt keine der angefragten Genossenschaften, vielmehr werden die Kosten gemeinschaftlich über die Nebenkosten getragen.
Bis zum Pflegebad
«Ich habe mir das Teilen einer Badewanne zuerst etwas komisch vorgestellt, als die unkonventionelle Idee aufkam. Aber es funktioniert perfekt und wir würden das sofort wieder so machen», sagt Christine Jungo von Cohabitat. Bei Zusammenhalt in Winterthur bereut man den Entscheid für das Gemeinschaftsbad ebenfalls nicht, auch wenn die Sauna als weiterer Gemeinschaftsraum viel beliebter sei, wie Spörri sagt. «Für uns als Genossenschaft für Menschen in der zweiten Lebenshälfte bietet das grosse Gemeinschaftsbad auch die Option, dass man es für eine Therapie oder mit der Spitex nutzen könnte.» Die Badewanne selbst sei zwar nicht darauf ausgerichtet, aber schon heute verfügt das geteilte Badezimmer auch über eine schwellenlose, offene Regendusche, die mit einem Rollstuhl befahren werden kann. «Werden noch ein paar Griffe angebracht, hat man schnell ein Pflegebad.»
Die gleiche Überlegung hat man sich auch bei Lena gemacht und deshalb im Gemeinschaftsbad auch eine rollstuhlgängige Dusche installiert. «Unsere eigenen Badezimmer sind wie der ganze private Wohnraum so knapp bemessen, dass es mit einem Rollstuhl schwierig würde», sagt Portmann. Aktuell aber würden vor allem die zwei Badewannen im Fokus stehen, die sie im Übrigen auch selbst regelmässig nutzt. «Ich bade zwar nicht mehr so häufig wie in meiner früheren Wohnung. Dafür geniesse ich es heute im Gemeinschaftsbad dann umso mehr. Das ist fast wie wellnessen.»