
Sanierung mit Weitblick
Die Baugenossenschaft Brünnen-Eichholz hat in Bern ein markantes Hochhaus grosszyklisch saniert. Entstanden sind 155 moderne und preisgünstige Wohnungen für eine vielfältige Mieterschaft.
Von Patrizia Legnini | Bilder: Damian Poffet | 2025/01
Welches Ziel wurde mit dem Bauvorhaben verfolgt?
Die Gesamtsanierung war unumgänglich, da neben der Funktionalität des Gebäudes auch Haustechnik, Grundrisse und Ausbau der Wohnungen nicht mehr den Anforderungen entsprachen. Ziel war, wieder attraktive und preisgünstige Wohnungen in verschiedenen Grössen für eine durchmischte Bevölkerung anbieten zu können.
Warum hat man sich für eine Sanierung und gegen einen Abbruch entschieden?
Das Hochhaus gehört zum Stadtbild von Bern. Der Erhalt der Bausubstanz machte aus ästhetischen und städtebaulichen, aber auch aus wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Gründen Sinn; nicht zuletzt konnte die Vision der Architektengemeinschaft dadurch weitergeführt werden. Abriss und Neubau hätten einen deutlich höheren Ressourcenverbrauch und CO2-Ausstoss verursacht. Zudem konnte preisgünstiger Wohnraum gesichert werden; ein Neubau hätte zu wesentlich höheren Mietkosten geführt.
Wie ist man mit den betroffenen Mieter:innen umgegangen?
Aufgrund der umfangreichen Arbeiten und der starken Emissionen konnten die Mieter:innen während der Bauphase nicht in ihren Wohnungen bleiben. Im Vorfeld wurden Infoanlässe durchgeführt, und die Mieterschaft wurde durch verschiedene Massnahmen unterstützt. So bot mit dem «Kafi Kaspar» eine Anlaufstelle vor Ort Hilfe bei der Wohnungssuche, für Fremdsprachige standen Dolmetscher:innen zur Verfügung. Mieter:innen in schwierigen Situationen er-
hielten Unterstützung beim Umzug. Es standen aber auch Ersatzwohnungen aus dem eigenen Immobilienportfolio zur Verfügung, und auf Wunsch wurden Mieter:innen an andere Liegenschaftsverwaltungen vermittelt. Den Mietparteien wurde für die sanierten Wohnungen ein Vormietrecht eingeräumt.
Welche Sanierungsarbeiten wurden vorgenommen?
Bei der umfassenden Sanierung wurde das Gebäude bis auf seine Grundstruktur zurückgebaut. Die Gebäudehülle wurde energetisch saniert, Fenster, Dächer und Untersichten erfuhren eine Modernisierung. Zur Erwärmung des Brauchwarmwassers hat man auf dem Dach eine thermische Solaranlage montiert. Die Leitungen für Wasser, Abwasser und Elektro wurden ersetzt und ein neuer Feuerwehrlift installiert. Auch Geländer, Fensterbänke, Nottreppen und Storen wurden instandgesetzt. Neben den Grundrissen hat man punktuell auch die Wohnungsgrössen angepasst. Alle Böden, Bäder und Küchen sind erneuert und die Küchen mit energieeffizienten Geräten ausgestattet. Bei Schallschutz, Brandschutz und Erdbebensicherheit gab es Sicherheits- und baurechtliche Anpassungen.

Dank der Sanierung stehen heute moderne Wohnungen in verschiedenen Grössen und mit teils angepassten Grundrissen bereit, darunter auch Duplexwohnungen.
Wie stark hat sich das Gebäude durch die Massnahmen verändert?
Die grundlegende Gebäudestruktur blieb weitgehend erhalten, genauso der charakteristische Stil. Die Zwischengeschosse konnten durch die Drehung eines Lifts barrierefrei erschlossen werden, die Geschosse erhielten eine freundliche Farbgestaltung. Niederschwellige Begeg-
nungsmöglichkeiten gibt es in sieben neuen, dezentralen Waschräumen, in den Liftvorräumen und in zwei neuen Gemeinschaftsräumen mit Aussensitzplatz und Dachterrasse. Während es im Haus früher 162 Wohnungen gab, sind es nach der Sanierung noch 155 Wohnungen mit eineinhalb bis fünfeinhalb Zimmern und sechs verschiedenen Grundrisstypen. 66 Wohnungen sind als Duplexwohnungen auf zwei Geschossen konzipiert. 89 Wohnungen sind barrierefrei.
Wie wurden Energieversorgung und Nachhaltigkeit verbessert?
Durch die Sanierung konnten Wärmeverluste reduziert und die Energieeffizienz verbessert werden. Zum Einsatz kamen umweltfreundliche und langlebige Baumaterialien. Die geschossübergreifenden Metallraster wurden demontiert, gereinigt, wiedermontiert und mit Geländerbauteilen ergänzt. Die Briefkastenanlage wurde aufbereitet, auch viele Teile aus Stahl und Glas wurden saniert. Noch wird das Gebäude über ein Nahwärmenetz mit Öl und Gas beheizt. Der Anschluss der Heizung ans Fernwärmenetz der Stadt Bern erfolgt, sobald es weiter ausgebaut ist.
Worin bestanden die grössten Herausforderungen?
Aufgrund der Komplexität des Projekts und der umfangreichen Baumassnahmen war eine präzise Koordination und Organisation aller Gewerke erforderlich. Wegen hoher Bäume und einer Einstellhalle konnte kein Kran aufgestellt werden. Die Baustellenlogistik wurde daher mit einem Schwerlastgerüst und Gerüstliften gelöst. Die Teuerung konnte durch geschickte und faire Vergaben im vertretbaren Rahmen gehalten werden.
Baudaten
Bauträgerin
Baugenossenschaft Brünnen-Eichholz, Bern
Architektur
Reinhardpartner Architekten und Planer AG, Bern
Umfang
MFH, 155 Wohnungen mit 11/2
bis 51/2 Zimmern, 2 Gemeinschaftsräume, 3 Gewerberäume, 8 Disponibelräume, 35 Veloboxen
Baukosten (BKP 2)
38,2 Mio. CHF
Finanzierung
Bankenfinanzierung, keine Förder-mittel
Mietzinsbeispiel
3 ½-Zimmer-Wohnung, 84 – 88 m2:
1300 – 1570 CHF plus 280 CHF NK
Das Gebäude
Das Hochhaus an der Kasparstrasse 15 ist mit 22 Stockwerken eines der grössten Wohngebäude der Stadt Bern. Es wurde 1973 als Teil der Überbauung Bethlehemacker II errichtet und gilt als Beispiel für die Pionierrolle, die Bern im Siedlungsbau der Nachkriegszeit einnahm. Entworfen wurde es von einer Architektengemeinschaft, die sich von Le Corbusiers «Rue intérieure» hatte inspirieren lassen. Das Gebäude gehört der Baugenossenschaft Brünnen-Eichholz und wurde zwischen November 2022 und September 2024 saniert. Alle 155 Wohnungen sind wieder vermietet.