Historische Identität bewahrt

Mit dem Bau der Fliegersiedlung setzte die Wohnbaugenossenschaft Stans schon 1942 neue Massstäbe. Nun hat sie diese dank einer Kombination von Weiterbauen im Bestand und Ersatzbauten zukunftsweisend und nachhaltig erneuert.   

Von Patrizia Legnini | Bilder: zVg | 2025/02

Welches Ziel wurde mit dem ­Bauvorhaben verfolgt?
In nächster Nähe zum Zentrum von Stans sollte auf eigenem Bauland eine nachhaltige Überbauung realisiert werden. Ziel war, möglichst viele Wohnungen mit fairen Mietzinsen anbieten zu können und einen guten Mietermix zu erreichen. Für das Projekt hat die Wohnbaugenossenschaft Stans einen Projektwettbewerb durchgeführt, an dem sich fünf Architekturbüros beteiligten. Durch das verdichtete Bauen können heute mehr als doppelt so viele Wohnungen wie früher angeboten werden. Alle weisen flächenreduzierte Wohnungsgrundrisse auf und verfügen über eineinhalb bis fünfeinhalb Zimmer.

Warum hat man sich für eine ­Kombination von Ersatzneubau und Sanierung entschieden?
Die Fliegersiedlung wurde im zweiten Weltkrieg für die Angestellten des Militärflugplatzes gebaut, die von Dübendorf (ZH) in die Innerschweiz versetzt wurden. Weil genossenschaftliches und serielles Bauen in Nidwalden neu war, galt sie damals als Pioniersiedlung. Wegen ihrer besonderen Gestaltung und ihrem sozialgeschichtlichen Hintergrund hat die Gemeinde Stans die Siedlung 2008 als schutzwürdig ins Bauinventar aufgenommen. Im Vorfeld der Erneuerungsplanung einigten sich Genossenschaft und Denkmalpflege darauf, vier Häuser als Zeitzeugen zu erhalten und die anderen durch Neubauten zu ersetzen. Die Bestandsbauten wurden in der letzten Bauetappe sanft saniert, die Estriche zu Kleinwohnungen ausgebaut.

Wie ist man mit betroffenen Mieter:innen umgegangen?
Aufgrund einer vierjährigen Bauverzögerung wurden die Wohnungen lange befristet vermietet. Damit bestehende Mie-ter:innen in der Siedlung wohnen bleiben konnten, wurden die Neubauten in zwei Etappen erstellt. Genossenschaftsmitglieder hatten bei der Vergabe der neuen Wohnungen Vorrang.

Wohnraum für alle Lebenslagen: In den Ersatzneubauten sind Wohnungen mit eineinhalb bis fünfeinhalb Zimmern und funktionalem Ausbau entstanden. Der Grundriss zeigt eine Dreieinhalb-zimmerwohnung.

Was zeichnet die Häuser in baulicher Hinsicht aus?
Alle verwendeten Baumaterialien sind biologisch abbaubar, die Verwendung von Beton wurde auf ein Minimum reduziert. Die Gebäudehülle wurde mit Steinwolle gedämmt. Für die gesamte Siedlung steht neu ein Gemeinschaftsraum zur Verfügung. Einer der Neubauten wurde für altersgerechtes Wohnen konzipiert, alle Wege in der Siedlung sind behindertengerecht gestaltet.

Was wurde in Bezug auf die ­Energieversorgung und Nachhaltigkeit gemacht?
Die Fliegersiedlung entsprach als erstes Projekt in Nidwalden dem ganzheitlichen Standard SIA Effizienzpfad Energie 2040 und ist das erste 2000-Watt-zertifizierte Areal im Kanton Nidwalden. Es deckt den kompletten Energiebedarf für den Betrieb aus erneuerbaren Energiequellen. Die Wärmeerzeugung erfolgt über eine Grundwasserwärmepumpe, auf allen Dächern der Neubauten wurden Solaranlagen gebaut. Etwa 65 Prozent des selbst erzeugten Solarstroms wird durch die Mietenden genutzt, die einen Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV) bilden und ihr Nutzerverhalten dank einer App nach dem Angebot des Eigenstroms richten können. Zudem wurde die Siedlung autoarm konzipiert; die Anzahl Parkplätze wurde gegenüber der gesetzlichen Vorgabe um knapp ein Drittel reduziert.

Worin bestanden die grössten ­Herausforderungen?
Eine Einsprache führte zu einer Bauverzögerung von vier Jahren. Sie wurde nach der Eingabe des Gestaltungplans gegen die Einfahrt zur Tiefgarage erhoben, dann aber von drei Instanzen abgewiesen.

Welche Erkenntnisse nimmt man mit? Was würde man rückblickend anders machen?
Weil der bürokratische Aufwand für das Projekt sehr hoch war, würde man wahrscheinlich keine Zertifizierung mehr anstreben.

Baudaten

Bauträgerin
Wohnbaugenossenschaft der ­
Direktion der Militärflugplätze Stans
Architektur
Architektur & Baumanagement AG, Stans
Umfang
Ersatzneubauten:
6 MFH, 84 Wohnungen mit 1½ bis 5½ Zimmern, 3 Gewerberäume,
1 Gemeinschaftsraum, 1 Büroraum
Sanierung:
4 MFH, 24 Wohnungen mit 2½ bis 3½ Zimmern

Baukosten (BKP 1-5)
38 Mio. CHF (­Ersatzneubauten)
7,5 Mio. CHF (Bestandsbauten)
Finanzierung
EGW, Fonds de Roulement, Nidwaldner Kantonalbank
Mietzinsbeispiele Ersatzneubauten
1½-Zimmer-Wohnung, 44 m2:
860 CHF plus 140 CHF NK
3½-Zimmer-Wohnung, 78 m2:
1470 CHF plus 180 CHF NK

Die Wohnsiedlung

Die Fliegersiedlung Tottikon in Stans (NW) gehört der Wohnbaugenossenschaft Stans, die 1942 im Zuge der Errichtung des Militärflugplatzes gegründet wurde. Zur Siedlung gehören heute zehn Mehrfamilienhäuser mit 108 Wohnungen. Bei der Erneuerung blieben vier von zehn Bestandsgebäuden erhalten; auf zwei Baufeldern hat die Genossenschaft etappenweise mit sechs Ersatzneubauten verdichtet, die über 84 Wohnungen und Gewerbeflächen verfügen.