Neue Baugenossenschaft Rüti (NBR) setzt auf smarte Beleuchtung

Weniger ist mehr

Sensorgesteuerte Beleuchtungen passen die Lichtleistung an den Fussverkehr in der Siedlung an. Die Neue Baugenossenschaft Rüti (NBR) konnte so nicht nur den Stromverbrauch, sondern auch den Aufwand für den Unterhalt reduzieren.

Von Michael Staub | Bilder: Patrick Frischknecht, Michael Staub | Dezember 2018

Als in der Siedlung Weier die Dämmerung einbricht, verlassen die ersten Kinder den Spielplatz. Gemeinsam laufen drei Mädchen über die Wege. Die Pollerleuchten am Wegrand, die eben noch im Sparbetrieb liefen, passen blitzschnell ihre Lichtleistung an. Wie eine Kette aufgeregter Glühwürmchen eilen die Lichtpunkte den Kindern voran, und wo sie durchstürmen, scheint helles Licht. Kurze Zeit später fallen die Leuchten wieder auf den Sparbetrieb zurück. Bis die nächsten Bewohnerinnen und Bewohner von der Busstation kommen und ein neues Lichtballett in Gang setzen. Hinter der smarten Beleuchtung steht eine Sensortechnik namens esave, die bislang vor allem für die Strassenbeleuchtung verbaut wurde. In Rüti (ZH) hat sie die Firma Nevalux erstmals für eine Baugenossenschaft installiert.

Gutes Timing
«Wir haben von unseren Mieterinnen und Mietern viele positive Rückmeldungen erhalten», sagt Urs Rohner, Geschäftsführer der Neuen Baugenossenschaft Rüti (NBR). «Die Leuchten sind schön anzuschauen, und das Konzept überzeugt, weil einem das Licht sozusagen vorauseilt.» Nun könne man den Energiespargedanken umsetzen, ohne Kompromisse bei der Sicherheit oder der Übersichtlichkeit zu machen. Schon länger hatte die NBR einen Ersatz der 24 Jahre alten Pollerleuchten erwogen. Denn für Hauswart Andreas Schmidt hatte sich der Unterhalt zu einer aufwendigen Beschäftigung entwickelt: «Vandalismus war leider ein grosses Thema. Ich musste regelmässig die Acrylgläser der Leuchten und die Halogenglühlampen ersetzen. Viele Schrauben waren zudem dermassen ausgeleiert, dass eine Reparatur kaum noch möglich war.»
Die wichtigsten Kriterien für den Beleuchtungsersatz standen damit fest: Die Leuchten sollten aktuelle LED-Technik verwenden, eine gute Formgebung und einen massiven Schlagschutz besitzen. Bald zeigte sich, dass die vom Lichtunternehmen vorgeschlagene Lösung mit einer drahtlosen Sensorsteuerung ohne grosse Mehrkosten umgesetzt werden konnte. «Wir konnten zum Glück einen 1:1-Ersatz der bestehenden Leuchten vornehmen. Neue Stromkabel einzuziehen, hätte noch mehr gekostet als die neuen Leuchten. Wir mussten aber nur den oberirdischen Teil austauschen. Dazu brauchte es einzig einen Übergangsflansch für den Lampenkörper», berichtet Andreas Schmidt.

Auch ästhetisch ein Gewinn: die neuen Pollerleuchten.

Nähern sich Menschen, erhöhen die Leuchten blitzschnell ihre Leistung.

Spargedanken weiterziehen
Die im Herbst 2017 installierte Aussenbeleuchtung besteht aus insgesamt fünfzig neuen Pollerleuchten und der notwendigen Steuerung. Neben gewissen Anpassungen bei den Elektroverteilungen und Sicherungsautomaten waren keine weiteren Arbeiten nötig. Patrick Glauser, bei Nevalux für das Lösungsdesign zuständig, ergänzt: «In Rüti haben wir noch proprietäre Funkstandards eingesetzt. Neue Projekte werden jedoch mit dem neuen Funkprotokoll Bluetooth Mesh umgesetzt, was die Einrichtung und den Betrieb nochmals einfacher macht.»
«Dann hat uns der Ehrgeiz gepackt», sagt Urs Rohner. Ermuntert durch die positiven Erfahrungen mit der Aussenbeleuchtung, packte man dieses Jahr die Beleuchtung der allgemeinen Bereiche in den Gebäuden an. Laubengänge und Treppenhäuser, die zuvor mit «dummen», weil nonstop auf voller Leistung laufenden Leuchten ausgestattet waren, sind nun ebenfalls mit sensorbasierten LED-Leuchten ausgerüstet. Das Konzept für diese Leuchten ist dreistufig: Während einer Minute laufen sie mit 70 Prozent der Leistung (Hauptlicht), weitere zehn Minuten mit ungefähr 10 Prozent (Orientierungslicht). Danach werden die Leuchten ausgeschaltet, bis ein Sensor erneut eine Bewegung registriert.

Komplexe Anforderungen
Auch diese Neuerung wurde von den Mieterinnen und Mietern gut aufgenommen. «Es ist klar, dass man das Licht nicht die ganze Nacht hindurch brennen lassen muss», sagt Urs Rohner. «Der Weg vom Eingang zur Wohnung dauert ja nur eine kurze Zeit.» Der Unterhaltsaufwand hat sich für Hauswart Andreas Schmidt massiv verringert: «Die Pollerleuchten sind ausgesprochen massiv, ich habe keine Beschädigungen mehr registriert. Und auch das sehr zeitraubende Ersetzen von Leuchtmitteln in den Laubengängen entfällt nun.»
Eine gute Beleuchtung soll nicht nur Strom sparen, sondern auch zahlreiche weitere Anforderungen erfüllen. Gino Gabriele, Elektroingenieur und Leiter College bei der Schweizer Licht Gesellschaft (SLG): «Eine gute Gehweg- oder Aussenbeleuchtung bietet Fussgängern Orientierung und ‹Verkehrssicherheit› während der dunklen Stunden. Sie steigert das Sicherheitsgefühl für Passanten ebenso wie für Anwohner, die aus dem Fenster oder vom Balkon blicken. Zudem sollte die Beleuchtung die Landschaftsarchitektur und öffentliche Möblierung der Siedlungen betonen, damit die Lebensqualität der Bewohner gesteigert wird.»

Die LED-Leuchten in den Treppenhäusern und Laubengängen passen sich dem Bedarf an – und schalten sich schliesslich ganz aus.

Lichtplaner beiziehen
Die vielfältige Wirkung einer guten – oder eben schlechten – Beleuchtung dürfe man nicht unterschätzen, sagt der Fachmann: «Der Mensch erfasst über achtzig Prozent seiner Sinneseindrücke mit den Augen. Schlechte Sehbedingungen führen zu einem Informationsdefizit. Je nachdem verschlechtert dies die Orientierung oder führt bis zur Angst vor der dunklen Ecke.» Um diese vielfältigen Ansprüche zu erfüllen, empfiehlt sich deshalb bei Beleuchtungsprojekten der Beizug einer Fachperson, also einer Lichtplanerin oder eines Lichtplaners mit eidgenössischer Fachprüfung. Interessierten Laien geben spezielle Vorabendseminare der SLG erste Einblicke (Informationen auf der SLG-Website).

Eine präsenzorientierte Beleuchtung, wie sie die NBR umgesetzt hat, könnte schon bald zu den empfohlenen Lösungen gehören. Denn bei der Strassenbeleuchtung, wo die Steuerung erstmals eingesetzt wurde, setzen schon zahlreiche Schweizer und ausländische Städte auf die Technik. Eine Absenkung des Beleuchtungsniveaus mit vorauseilender Erhöhung auf den Normwert sei «abgesehen von den etwas höheren Erstinvestitionskosten ausschliesslich positiv», meint Gino Gabriele. Nicht zuletzt könne man so auch die Lichtimmissionen in den Wohnungen verringern – Schlafprobleme wegen allzu heller Aussenbeleuchtung hätten sich damit weitgehend erledigt.

Gegen Lichtverschmutzung
Nicht nur Menschen, auch Tiere und Pflanzen reagieren empfindlich auf zu helles Licht in der Nacht. Durch den nahezu ungebremsten Zuwachs an vielen, oftmals deutlich zu starken Beleuchtungen in und an Wohn- und Zweckbauten hat sich in den letzten Jahrzehnten die Lichtverschmutzung zu einem grossen Problem für die Umwelt entwickelt. Denn das ungerichtete und diffus strahlende Licht raubt Insekten und Vögeln Orientierung und Rückzugsräume.
Seit 2013 gibt der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein (SIA) Gegensteuer. Die Norm 491 regelt Planung und Ausführung von Beleuchtungen im Aussenraum (siehe Infobox). Das neue Prinzip heisst somit «so viel wie nötig, so wenig wie möglich». Dabei geht es nicht nur ums Energiesparen, sondern auch um Verhältnismässigkeit: Wer abends oder nachts heimkehrt, den Briefkasten leert und die Haustür öffnet, benötigt dazu vielleicht eine Minute. Alleine deshalb den ganzen Eingangsbereich fünf oder sechs Stunden lang zu beleuchten, schiesst über das Ziel hinaus. Ein wichtiger Punkt ist auch die Lichtstärke: Es müssen nicht 20 Lux sein, wenn bereits 10 Lux die Anforderungen erfüllen. Gino Gabriele fasst die heutigen Ansprüche bezüglich Lichtverschmutzung zusammen: «Licht im Aussenraum soll nur die erforderlichen Flächen beleuchten, und zwar von oben nach unten. Wichtig sind ein gerichteter Strahl ohne Lichtstreuung, ein möglichst tiefer Energieaufwand und eine warmweisse, Flora und Fauna weniger störende Lichtfarbe.»

Neues Förderprogramm
Im Frühling 2019 startet zudem ein Förderprogramm von ProKilowatt, das Beleuchtungs­sanierungen wie in Rüti fördert. Das Programm heisst Salvaluce und zielt auf Mehrfamilienhäuser und Alterssiedlungen mit einer beleuchteten Fläche von mindestens 2000 Quadrat­metern. Insgesamt sollen 120 Projekte unterstützt werden. Die Förderbeiträge reichen je nach Projekt von 3000 bis zu 20 000 Franken, wobei der Einsatz von Sensorik obligatorisch ist. Nicht zugelassen sind Retrofits, also das Ausrüsten bestehender Leuchten mit LED-Leuchtmitteln (Kontaktinformationen ab März 2019 auf www.salvaluce.ch).

www.nbr.immo
www.nevalux.swiss
www.slg.ch

Die wichtigsten Regeln für eine bessere Beleuchtung

Die 2013 publizierte Norm SIA 491 «Vermeidung unnötiger Lichtemissionen im Aussenraum» ist eine Planungshilfe gegen Lichtverschmutzung. Sie orientiert sich an fünf Merkpunkten für eine sichere, überzeugende, aber nicht überbordende Beleuchtung.

  • Notwendigkeit: Ist die Leuchte oder Beleuchtung überhaupt notwendig?
  • Beschränkung: Eine gute Abschirmung und Ausrichtung verhindert unnötige Lichtemissionen.
  • Von oben nach unten: Wenn immer möglich soll die Beleuchtung von oben nach unten erfolgen, damit sie einfach realisierbar, günstig und gut zu kontrollieren ist.
  • Genug ist genug: Beleuchtungen sollen nur so viel Licht abgeben, wie es die massgebenden Normen vorschreiben, aber nicht mehr.
  • Stecker ziehen: Nicht benötigte Beleuchtungen sind abzuschalten. Dies kann auch über eine Begrenzung der Betriebszeiten, Zeitschaltuhren und ⁄ oder Bewegungsmelder geschehen. 

Die Norm 491 ist in Deutsch, Französisch und Italienisch zum Preis von
81 Franken erhältlich. Bezug über den SIA-Shop: www.shop.sia.ch