«Netz Genossenschaften» entlastet Baugenossenschaften bei Bewirtschaftung und Buchhaltung

«Das ist jeweils ein grosser Hosenlupf»

Kleinere Genossenschaften sind durch die Verwaltung ihrer Siedlungen und Mitglieder oft stark gefordert. Seit gut einem Jahr können sie sich bei «Netz Genossenschaften» im operativen Bereich Unterstützung holen. Das Angebot wurde vom Regionalverband Zürich lanciert. Projekt­leiter Michael Schoch über Herausforderungen, Erfahrungen und Perspektiven.

Interview: Liza Papazoglou | Bilder: zVg, 2023/01

Wohnen: Der Regionalverband Wohnbaugenossenschaften Zürich hat 2021 «Netz Genossenschaften» lanciert. Was war die Idee?

Michael Schoch: Unser Verband ist immer wieder von kleineren und mittleren Genossenschaften angefragt worden, ob jemand die Bewirtschaftung für sie übernehmen könnte. Grössere Genos­sen­schaf­ten stellen sich dafür in der Regel nicht zur Verfügung, und kommerzielle Be­wirtschafter eignen sich wenig für die spezifischen Bedürfnisse der Gemeinnützigen mit ihren Mitwirkungsstrukturen. Deshalb hat der Verband selbst ein Angebot lanciert. Ziel war, Genossenschaften beim operativen Tagesgeschäft zu ent­lasten, so dass sie mehr Zeit für strategische Aufgaben haben.

Wie sind Sie das angegangen?

Ich startete Anfang 2021 mit einem be­stehenden Businessplan und baute erst einmal die nötigen Strukturen auf, definierte Prozesse, evaluierte Software usw. Die Akquisition von Genossenschaften fiel ins Coronajahr und war nicht ganz ein­fach. Vielen war es auch zu riskant, Erst­anwender zu sein, sie wollten erst mal abwarten, ob das Angebot funktioniert. Nach einem kleinen Pilotprojekt im Herbst 2021 konnten wir Anfang 2022 offiziell live gehen, mit vier Genossenschaften und insgesamt etwa 150 Wohnungen.

Wie hat sich Netz Genossenschaften seither entwickelt?

Wir sind ziemlich schnell gewachsen. Mittlerweile bewirtschaften wir rund 900 Wohnungen für neun Genossenschaften. Die kleinste davon besitzt acht, die grösste über 300 Wohnungen. Deshalb mussten wir im Lauf des Jahres auch personell aufstocken. Das Team umfasst aktuell fünf Personen, eine weitere Anstellung ist vorgesehen. Zusammen ergibt das etwas mehr als 400 Stellenprozente.

Kann jede Baugenossenschaft bei Ihnen anklopfen, oder muss man bestimmte Bedingungen erfüllen?

Die Genossenschaft muss gemeinnützig sein, die Kriterien der Kostenmiete gemäss Definition der Stadt Zürich erfüllen und Verbandsmitglied sein oder werden. Regionale Einschränkungen haben wir jedoch nicht, denn alle Backoffice-Aufgaben können wir gut von Zürich aus erledigen. Für eine Genossenschaft in Dachsen am Rhein erledigen wir zum Beispiel die Buchhaltung. Andere Aufgaben, die wie die technische Bewirtschaftung eine Präsenz vor Ort erfordern, bieten sich bei ent­fernt gelegenen Genossenschaften aber weniger an.

Für welche Genossenschaften lohnt sich dieses externe Dienstleistungsmodell?

Für alle mit weniger als 300 Wohnungen ist eine eigene Infrastruktur in der Regel wenig zielführend: Man kann sich höchstens ein bis zwei Mitarbeitende leisten und braucht Allrounder mit breiten Kennt­nissen. Die Stellvertretung ist nicht gewährleistet, Abgänge verursachen gros­se Probleme. Zudem ist es als kleine Genossenschaft schwierig und teuer, selbst Lösungen für die diversen Anforderungen zu finden, von der Digitalisierung bis zur Mieterkommunikation. Es ist nicht kosteneffizient, wenn das jede für sich macht.

Was bieten die Module von Netz Genossenschaften konkret?

Das Grundmodul deckt das Finanz- und Rechnungswesen und die kaufmännische Bewirtschaftung mit der gesamten Vermietung und dem Vertragswesen ab. Ist man für die Buchhaltung zuständig, ist es sinnvoll, auch die Mietverträge zu betreuen und das Inkasso sicherzustellen. Optional kann man als zweites Modul die technische Immobilienbewirtschaftung dazunehmen, die Unterhalt, Reparaturen, grössere Instandsetzungen, Wohnungsabnahmen usw. abdeckt.

Wie werden diese Module genutzt?

Das ist sehr unterschiedlich. Manche Genossenschaften beschränken sich auf das Grundmodul, andere nutzen die ganze Palette. Gerade kleine Genossenschaften haben oft ausgezeichnete Hauswarte vor Ort, die Infrastrukturen und Mieterschaft kennen und selbst betreuen können. Sie ziehen uns nur in speziellen Fällen bei, etwa bei einem Wasserschaden. Unser Angebot ist sehr bedarfsgerecht. Das ist auch dank unseres Preis­modells möglich.

Was kosten die Netz-Dienstleistungen?

Anders als in der Branche üblich, rech­nen wir nicht mit einer Pauschale in Form eines bestimmten Prozentsatzes der Miet­einnahmen ab. Wir haben uns gegen dieses Preismodell entschieden, weil die Bedürfnisse bei jeder Genossenschaft kom­plett anders aussehen. Deshalb erstellen wir jeweils ein Budget, das den Kostenrahmen absteckt, und verrechnen dann den effektiven Aufwand mit 120 Fran­ken pro Stunde.

Michael Schoch ist seit Februar 2021 Projektleiter beim Regionalverband ­Zürich, wo er das Dienstleistungsangebot «Netz Genossenschaften» aufgebaut hat. Zuvor hat er als Immobilientreuhänder und Key-Account-Manager Wohn- und Gewerbe­liegenschaften betreut.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit bei der IT-Infrastruktur?

Wir übernehmen keine bestehenden Sys­teme, sondern arbeiten ausschliesslich mit der Immobilienbe­wirt­schaf­tungs­soft­ware Abacus. Diese verfügt über vielfältige Funktionen und kann sehr gut an individuelle Bedürfnisse angepasst wer­den. Diese Softwarelösung stellen wir zur Verfügung, Genossenschaften müssen somit keine eigenen Lizenzen kaufen oder sonstige Infrastruktur einbringen. Und wir funktionieren als papierloses Büro. Wenn also eine Genossenschaft neu zu uns kommt, nehmen wir erst einmal jedes Papier in die Hand, bewerten es und scannen es ein – von Mietverträgen über Protokolle bis zu Plänen. Das ist jeweils ein grosser Hosenlupf. Danach können wir dafür alles digital bewirtschaften.

Netz Genossenschaften unterstützt auch potenziell heikle Prozesse wie Ver­mietungen oder Kündigungen. ­Welche Kompetenzen gibt eine Genossenschaft dabei ab?

Jede Genossenschaft definiert selbst, wie sie das handhaben will, letztlich bleibt die Entscheidungskompetenz aber immer bei ihr. Bei der Auswahl der Mieterinnen und Mieter etwa gibt es unterschiedliche Varianten. In einigen Fällen haben wir gar nichts damit zu tun, da liegt alles in den Händen des Vorstands oder einer Vermie­tungskommission, von Interviews über Woh­nungsbesichtigungen bis zur definitiven Auswahl. Dann übernehmen wir einfach den administrativen Teil und erstellen die Verträge. In anderen Fällen verantworten wir den gesamten Vorauswahlprozess und schlagen dem Vorstand geeignete Mietparteien vor.

Und wie reagieren Genossenschaftsmitglieder auf eine ausgelagerte Verwaltung?

Wir werden zuerst immer beobachtet. Meist kommt dann schnell eine Rückmeldung, wie cool die Leute es finden, dass immer jemand erreichbar ist – bei kleinen Genossenschaften ist das ja oft nicht gegeben. Man schätzt es, innert nützlicher Frist eine Antwort von uns zu erhalten, die «verhebet».

Wie sind die Erfahrungen des ersten Betriebsjahrs?

Das Tagesgeschäft läuft sehr gut, da erhalten wir viele positive Rückmeldungen. Wir haben schon vieles aufbauen und alle Prozesse einmal durchspielen können: Wir haben Wohnungen vermietet und Problemfälle behandelt, Unterhalt übernommen, Heiz- und Nebenkostenabrech­nungen sowie Jahresabschlüsse erstellt, Steuerunterlagen aufbereitet und anderes mehr. Bis jetzt hat alles funktioniert, es gab nie Reklamationen.

Und wo liegen die Herausforderungen?

Wir haben bis jetzt alle interessierten Genossenschaften einfach pragmatisch aufgenommen und in den Kernbereichen gut betreuen können. Die Wünsche werden aber auch grösser und vielfältiger. Das birgt die Gefahr, dass wir uns verzetteln und nicht mehr organisch wachsen. Nicht nur von der Zahl der Wohnungen und Mandate her, sondern auch von der Art der Dienstleistungen. Deshalb wollen wir 2023 in erster Linie nutzen, um das Angebot zu konsolidieren.

Was bedeutet das?

Wir möchten einige Prozesse weiter optimieren und standardisieren – so, dass wir einerseits weiterhin flexibel individuellen Ansprüchen gerecht werden können, anderseits effizient und übersichtlich blei­ben. Aktuell haben wir neun Mandate mit neun unterschiedlichen Vermietungsmodellen. Das ist handhabbar. Steigt aber die Zahl der Mandate, braucht es eine Bün­delung, zum Beispiel in Form von Stan­darddienstleistungspaketen mit Wahl­op­tio­nen für bestimmte Prozesse. Zudem wollen wir klären, welche Dienstleistungen wir zusätzlich erbringen könn­ten. Anwendungen wie Clouds, Apps oder IT-­Programme etwa könnte man poolen und so zu günstigen Konditionen anbieten. Bei anderen Bereichen ist es sinnvoller, unsere Netzwerke beizuziehen oder mit externen Partnern zusammenzuarbeiten. Das machen wir momentan etwa bei der Hauswartung. Wenn wir weiterwachsen, könnte es durchaus eine Option sein, selbst Hauswarte anzustellen.

Kann Netz Genossenschaften seine Dienstleistungen kostendeckend ­anbieten?

Im Moment noch nicht ganz. Wenn wir einfach weitermachen würden, wie wir jetzt aufgestellt sind, würden wir kostendeckend operieren. Aber es stehen noch einige Investitionen an, um effizienter und günstiger zu werden. Auch mussten wir bis jetzt ein Stück weit in die Vorleistung gehen. Jede Aufnahme einer Genossenschaft verursacht vorübergehend hohe Aufwände. Das spiegelt sich in unseren Kosten.

Welche Empfehlungen geben Sie ­anderen Regionalverbänden mit, die ein ähnliches Angebot in Erwägung ­ziehen?

Aus Kostensicht wäre es meiner Meinung nach kaum sinnvoll, in der Deutschschweiz ein analoges Angebot nochmals von vorne aufzubauen. Denkbar wäre aber ein Modell mit einem Kompetenzzentrum mit straffen und kostengünstigen Strukturen, das das Backoffice macht, und Personen vor Ort, die sich stra­te­gi­schen Themen oder speziellen Auf­gaben widmen.

Und wohin geht die weitere Reise?

Wenn wir unsere Hausaufgaben erledigt und uns konsolidiert haben, wollen wir weiter wachsen und das Dienstleistungsangebot ausbauen. Mittel- bis langfristig müsste Netz Genossenschaften 2000 bis 5000 Wohnungen betreuen können.

Verbandsdienstleistungen: Von der Gründungsberatung bis zum Outsourcing

Das Netz Genossenschaften von Wohnbaugenossenschaften Zürich ist eine wertvolle Ergänzung zur umfassenden Dienstleistungspalette, die Dachverband und Regionalverbände in der ganzen Schweiz anbieten. Ziel des Verbands ist es, die Mitglie­der in ihrer Arbeit zu entlasten und so zur Weiterentwicklung und Professionalisierung der Branche beizutragen.Dazu gehört unter anderem die Beratung durch Fachleute in diversen Bereichen. Wussten Sie, dass unsere Rechtsanwältinnen und -anwälte auch bei Bau- und Planungsfragen beraten oder die Mediation bei Konflikten übernehmen? Und dass die Finanzprofis gemeinnützige Bauträger nicht nur bei der Finanzierung beraten, sondern auch ihre finanziellen Situation analysieren, eine prüferische Durchsicht der Jahresrechnung vornehmen oder bei der Buchhaltung unterstützen können? Die Verbandsprofis bieten sich überdies als «Sparringpartner» an, wenn sich gemeinnützige Bauträger organisatorisch und strategisch weiterentwickeln möchten: Sie führen mit Vorständen massgeschneiderte Strategieworkshops durch und helfen bei der Rekrutierung von Personal und Vorständen.Verbandsmitglieder protifieren von attraktiven Konditionen von Rahmenverträgen, die ganz auf die Bedürfnisse gemeinnütziger Wohnbauträger zugeschnitten sind. Das Weiterbildungsangebot mit seinen Kursen und Lehrgängen und der Fachverlag mit seinen Grundlagen und Musterdokumenten helfen, Genossenschaften fit zu machen für die Zukunft.

Beratung

  • Gründungsberatung
  • Rechtsberatung
  • Finanzierung, Buchhaltung, Buchführung
  • PR, Kommunikation, Marketing
  • Organisations-, Personalentwicklung
  • Führung und Organisation
  • Strategische Planung des Liegenschaftenportfolios
  • Immobilienentwicklung und Akquisition
  • Land- und Liegenschaftsvermittlung
  • Soziale Nachlassplanung
  • Bau, Verwaltung, Unterhalt
  • Energie
  • Gemeinschaftsförderung, Partizipation, soziale Fragen
  • Wohnen im Alter, Generationenwohnen
  • Beratung für Gemeinden und Behörden

Revisionsdienstleistungen: prüferische Durchsichten, Rahmenvertrag für eingeschränkte Revision
Versicherungen: Organhaftpflichtversicherung für gemeinnützige Bauträger zu Spe­zialkondition, Gebäudesachversicherung, Bauwesen- und Bauhaftpflicht­versicherung
Weiterbildung: Einzelkurse, Diplomlehrgänge, Kombi Rechtskurse, Besichtigungen, individuelle Workshops
Finanzierungen: Zugang zu den Finanzierungsinstrumenten für gemeinnützige Wohnbauträger (Fonds de Roulement, ­Solidaritätsfonds, Solinvest, HBG, EGW)
Finanzierungsmarkt: Vermittlung von günstigen Finanzierungen für gemeinnützige Wohnbauträger
Fachpublikationen: Merkblätter, ­Leitfäden, Musterdokumente
Details zum Dienstleistungsangebot von Wohnbaugenossenschaften Schweiz. Konsultieren Sie auch die Webseiten der Regionalverbände.