Erlenmatt Ost: Ein soziales und nachhaltiges Quartier wächst heran

Orchestrierte Vielfalt

Punkto Ideenreichtum kann es kein Schweizer Stadtentwicklungsgebiet mit der Basler Erlenmatt aufnehmen. Denn im Ostteil des Geländes erstellt und koordiniert die gemeinnützige Stiftung Habitat ein gutes Dutzend sehr unterschiedlicher Wohnbauprojekte. Dabei sorgt ein Rahmenkonzept für städtebauliche Kohärenz; wichtige Infrastrukturen werden zentral bereitgestellt.

Von Elias Kopf | Peter Burri, zVg | August 2018

Stattliche 18 Hektar gross ist die Erlenmatt im Basler Nordosten. Damit ist der ehemalige Güterbahnhof der Deutschen Bahn eines der wichtigsten Stadtentwicklungsgebiete der Schweiz – und mit Sicherheit das vielfältigste. Seit 2007 entsteht hier ein neuer Stadtteil mit einem weitläufigen Naherholungsgelände im Zentrum, kommerziellen Überbauungen im Westen und einer bunten Palette gemeinnütziger Wohnbauprojekte im Osten. Möglich wurde dies, nachdem die Stiftung Habitat 2010 in Erlenmatt Ost eine zusammenhängende Fläche von 22 000 Quadratmetern Bauland erwerben konnte.

Hohe Ansprüche an Lärmschutz
Doch trotz aller Spazierwege, Spielplätze und naturnahen Bereiche, die der Kanton Basel-Stadt im zentralen Park gestaltet, ist die Baufläche der Stiftung Habitat kein Idyll. Denn an der Ostflanke wird das Gelände von einer der am stärksten befahrenen Stadtautobahnen der Schweiz begrenzt. An dieser verkehrsumbrausten Aussenseite stellt der Wohnungsbau hohe Ansprüche hinsichtlich Schallschutz und Belüftungskonzept. Deshalb tritt die Stiftung Habitat an diesem «Lärmschutzrücken» zum Teil selbst als Bauherrin auf.
Innenseitig hingegen – zum ruhigen Park hin – schuf man ein halbes Dutzend kleinerer Parzellen, die im Baurecht an Organisationen des gemeinnützigen Wohnungsbaus abgegeben wurden. Darunter befinden sich die beiden jungen Genossenschaften Erlenflex und Zimmerfrei, die sich eigens fürs Erlenmattprojekt konstituierten, aber auch bewährte Player wie die Sowag AG für sozialen Wohnungsbau. Auch die Stiftung Abendrot errichtet hier zwei Gebäude. Spatenstich in Erlenmatt Ost war 2015; inzwischen sind auf dem Habitat-Gelände bereits neun Häuser bezogen oder stehen kurz vor der Fertigstellung.

Wohnhöfe für alle
Um trotz der Vielfalt der Projekte einen kohärenten Stadtteil entstehen zu lassen, erarbeitete Habitat detaillierte Rahmenbedingungen. Insbesondere punkto Ökologie und Wohnraumausnutzung liegt die Messlatte hoch. So darf in den Gebäuden beispielsweise pro Person nicht mehr als 45 Quadratmeter Energiebezugsfläche projektiert werden. Und damit der Aussenraum der Gebäude nicht zum Abstandsgrün verkommt, verbleibt er im Besitz der Stiftung Habitat und wird übergreifend bewirtschaftet. Auf diese Weise können drei ineinander übergehende, unzerstückelte Innenhöfe gestaltet werden, für deren Nutzung mehrere Mitwirkungsrunden mit der Bewohnerschaft bereits stattfanden und noch stattfinden werden.
Nicht nur diese Wohnhöfe, auch wichtige technische Infrastrukturen werden zentral für alle Gebäude bereitgestellt. Dazu gehört insbesondere ein Nahwärmeverbund, der aus mehreren Grundwasserbrunnen mittels Wärmepumpen Warmwasser für Bodenheizungen, Küchen und Duschen gewinnt. Abgerundet werden die Gemeinschaftseinrichtungen von einer Tiefgarage, die 70 kostenpflichtige Autostellplätze sowie einen Gratisunterstand für 350 Velos umfasst.

Modell und Bauplan des Gesamtprojekts Erlenmatt Ost mit den verschiedenen Projekten und Trägerschaften.

200 neue Wohnungen bis Ende 2019
Bereits vor einem Jahr konnte die Stiftung Habitat an der Signalstrasse 23 und 25 ihr erstes selbst erstelltes Gebäude in Betrieb nehmen, das nebst zwölf Wohnungen und einigen Büroflächen auch Platz für spezielle Nutzungen bietet. Dazu gehören Wohngruppenplätze für Menschen mit einer Behinderung, diverse Beschäftigungsräume, eine Beschäftigungsküche und eine Beschäftigungslingerie. Diese werden von Abilia angeboten, einer Basler Organisation, die sich auf die Begleitung behinderter Menschen spezialisiert hat. Ferner hat sich im neuen Gebäude die Kindertagesstätte Bläsistift niedergelassen, die hier rund vierzig Kinder betreut. Aus ihrer Gastroküche beliefert die Tagesstätte noch zwei weitere ihrer Krippen mit warmen Mahlzeiten. Im Erdgeschoss des Gebäudes befindet sich ein Gemeinschaftsraum, der von allen Mietparteien von Erlenmatt Ost für Anlässe gebucht werden kann.
Weitere Projekte, die zurzeit auf Erlenmatt Ost in verschiedenen Gebäuden entstehen, umfassen einen städtischen Kindergarten, ein Studierendenhaus der studentischen Wohnvermittlung WoVe sowie Wohngruppen des Vereins Mobile, ferner ein Café und eine Velowerkstatt. Zudem wird die Genossenschaft Coopérative d’Ateliers bis 2019 an der Signal­strasse ein weiteres Wohnhaus erstellen. In einem alten Silogebäude von 1912, das als Reminiszenz an den früheren Güterbahnhof renoviert wird, plant der Verein für Kosmopolitisches ab Mitte 2019 eine Herberge, eine Gastronomie, einen offenen Salon sowie Atelier- und Projekt­räume. Hier wird auch der alljährliche Quartieranlass «Silofest» steigen. Insgesamt entsteht auf Erlenmatt Ost bis Ende 2019 Lebensraum für 500 Menschen in über 200 Wohnungen. 2023 läuft das Baurecht des Logistikunternehmens Ziegler aus, das im Nordosten der Erlenmatt domiziliert ist. Dann kann auch dieses Areal entwickelt und der neue Stadtteil baulich abgeschlossen werden.