Baugenossenschaft des Bundespersonals Basel (BBB) ersetzt eine ihrer ersten Überbauungen

Zurück in die 1950er

Beeinflusst von den Wünschen ihrer Mitglieder, hat die Basler Baugenossenschaft des Bundespersonals Basel eine Siedlung aus den 1950er-Jahren ganz im Retrostil ersetzt. Interessant auch die Wahl bei der Haustechnik: eine Schwerkraftlüftung entfeuchtet die innenliegenden Nasszellen. Ihre Wirksamkeit hat die Fachhochschule Nordwestschweiz ein Jahr lang gemessen. Jetzt liegen die Resultate vor.

Von Daniel Krucker | Bilder: zVg, Wohnen | 2023/04

Die Siedlung Eidgenossenweg der Baugenossenschaft des Bundespersonals Basel (BBB) ist eine von insgesamt acht Überbauungen der 1947 gegründeten Genossenschaft. Fast zehn Jahre ist es her, seit im Vorstand erste Diskussionen über die weitere Entwicklung der 1953 erstellten Überbauung mit insgesamt 67 Wohnungen stattfanden. Konrad Würsten ist Präsident und Geschäftsführer in Personalunion und erzählt, dass der Entscheid für einen Ersatz gefallen sei, weil Kosten und Nutzen einer Totalsanierung «einfach in keinem Verhältnis gestanden hätten».
Im Herbst wird nun nach vier Jahren Bauzeit die letzte von drei Bauetappen abgeschlossen sein. Das neue Bauensemble auf den beiden Baurechtsparzellen umfasst wie das alte fünf Punkthäuser. Das ist nicht die einzige Parallele: Die Gebäude stehen nämlich nicht nur praktisch an derselben Stelle wie ihre Vorgängerbauten, sondern ähneln diesen auch in so verblüffender Weise, dass man die Häuser auf den ersten Blick auch für rundum sanierte Altbauten halten könnte.

Wünsche der Mitglieder hatten grosses Gewicht
Schon Jahre vor der entscheidenden Generalversammlung 2017 hat die Genossenschaft regelmässig den Austausch mit den betroffenen Mitgliedern gesucht und über die jeweils aktuellen Entwicklungspläne transparent informiert. Vor allem aber hat die BBB von den Genossenschafterinnen und Genossenschaftern des Eidgenossenwegs erfahren wollen, was sie an ihrer Wohnung schätzen und welche Wünsche sie an eine neue Wohnstruktur haben. Resultat: Die meisten waren mit ihrer Wohnumgebung mehr als zufrieden. Die Genossenschaft hat nicht nur zugehört, sondern die Wünsche und Vorstellungen ihrer Mitglieder gegenüber dem Architekturbüro so klar kommuniziert, dass eine «Retrohülle» praktisch die logische Schlussfolgerung war.
Aber nicht nur der Auftritt der Punkthäuser mit ihren weit auskragenden Vordächern, die die Fassaden effektiv vor Nässe schützen, spiegelt die 1950er-Jahre. Auch die Grundrisse erinnern an diese Zeit. So wurde beispielsweise darauf verzichtet, die Küchen in einen offen gestalteten Wohnbereich zu integrieren, wie es heute praktisch Standard ist. Stattdessen gibt es auch in den Neubauten klassische Wohnküchen mit genügend Platz für Esstisch und Stühle. Mit dem Element der Schiebetür wurden diese jedoch «ins Zeitgenössische übertragen», wie Okan Sevim ausführt. Er war bis Ende 2020 verantwortlicher Projektleiter seitens des Ar­chitek­turbüros und hat danach das Projekt als Bau­her­renvertreter weiter betreut. Der klassische Grundriss und die Vorgabe der Genossenschaft, dass möglichst wenige Zimmer weniger als 15 Quadratmeter messen sollen, lässt ein gros­ses Spektrum an Nutzungsmöglichkeiten der einzelnen Räume zu. Hier wird nicht zwischen El­ternschlafzimmer und Kinderzimmer unterschieden.

Blick auf eines der neuen Häuser am Eidgenossenweg. Die ­alten Granit­platten wurden für die Gehwege neu zugeschnitten wiederverwendet.

Die fünf Wohnhäuser wurden fast punktgenau wieder an derselben Stelle errichtet und lassen einen ­grosszügigen Aussenraum frei. Neu gibt es auch eine Tiefgarage mit 43 Autoparkplätzen.

Wohnreserve im Dachstock
Ein Ersatzneubau ist für die betroffenen Mieterinnen und Mieter nie einfach. Ältere Menschen beispielsweise nehmen einen solchen Prozess oft zum Anlass, früher als geplant ins Altersheim zu ziehen. Die BBB wollte, dass möglichst alle, die in der Siedlung wohnen bleiben wollten, dies auch während der Bauzeit tun konnten. Dank Etappierung in drei Bau­phasen hat das auch tatsächlich geklappt, da zu jedem Zeitpunkt genügend Ersatzwohnungen zur Verfügung standen. Die Projektplanung hat auf die Wünsche der Bewohnerschaft stark Rücksicht genommen und gewisse Prozesse entsprechend beschleunigt oder leicht verzögert. «Zu einem Ausbremsen hat das insgesamt aber nicht geführt», sagt der Architekt.
Die Überbauung hoch über dem Basler Fussballstadion und der St. Jakobshalle bietet neu 88 Wohnungen, rund dreissig Prozent mehr als zuvor. Damit ist die Genossenschaft nicht an die Grenze des Möglichen gegangen. Dazu Würsten: «Das ist die Dosis, die es unserer Meinung nach hier verträgt, so dass sich die Menschen noch mit der Siedlung identifizieren». Sollte die Genossenschaft dereinst auf ihren Entscheid zurückkommen, könnten zusätzliche Wohnungen im Dachstock ohne allzu grosse Eingriffe erstellt werden, denn er ist bereits vollständig gedämmt, wie der Architekt erklärt. Bis dahin profitieren die Genossenschafterinnen und Genossenschafter davon, dass ihnen neben einem Keller- auch ein Estrichabteil zur Verfügung steht. Obwohl der Dachraum unbeheizt ist, wird er dank der Dämmung nie wirklich kalt und entsprechend rege genutzt. Es sind Hobby- und Bastelräume entstanden, manche haben sich eine Fitnessecke eingerichtet und es wird sogar im Homeoffice gearbeitet.

Auf Wunsch der Mieterinnen und Mieter sind die klassischen Wohnküchen nicht verschwunden. Jede Wohnung verfügt über ein grosszügiges ­Entrée mit Einbauschrank.

Badentfeuchtung mit Low-tech-Lösung
Bei der Lüftung für die innenliegenden Nasszellen hat man ebenfalls zu einer unkonventionellen Retro-Lösung gegriffen: Die Feuchtigkeit wird mit einer sogenannten Schwerkraftlüf­tung abgeführt. Die Technik ist seit Jahr­zehnten bekannt, aber etwas verpönt, wie Monika Hall, Projektleiterin an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), sagt. Die FHNW hat die Wirksamkeit einer solchen Low-tech-Lüftung in einem Mehrfamilienhaus der ersten Bau­etap­-
pe am Eidgenossenweg ein Jahr lang untersucht, um ihr Verhalten über alle Jahreszeiten zu erfassen. Normalerweise werden bei in­nen­liegenden Nasszellen Ventilatoren ein­gesetzt, die die Luft aktiv aus den Räumen ab­ziehen. Bei der Schwerkraftlüftung wird die Luft auf Keller­ebene gefasst und durch einen Kanal in die innenliegenden Räume geführt. Die Abluft entweicht dann dort deckennah und wird übers Dach abgeführt, wobei jedes Bad sein eigenes Zu- und Abluftsystem hat. Dieses einfache Lüftungssystem funktioniert ohne Energie, angetrieben einzig durch den thermischen Auftrieb und Wind­einfluss.
Hall ist von den Resultaten positiv überrascht. Im Winter kann hohe Luftfeuchtigkeit innerhalb von etwa einer Viertelstunde abgeführt werden, in den Übergangsmonaten dauert dieser Prozess etwa zwei bis drei Stunden. Das bedeutet: Ziel erreicht. Im Sommer jedoch funktioniert die Technik gar nicht, weil dann die Temperaturdifferenzen zwischen innen und aussen zu gering sind. Das sei aber im Grunde nicht weiter schlimm, sagt Hall, denn: «Bei offener Badezimmertür entweicht die Feuchtigkeit über geöffnete Fenster in den anderen Räumen. In den ganz warmen Wochen oder Monaten stehen Fenster ja sowieso offen.» Eine interessante Technik also, weil die Schwerkraftlüftung im Gegensatz zu anderen Systemen keine Energie für den Antrieb benötig und damit sowohl die Umwelt als auch das Portemonnaie schont.
Bei der Wärmeversorgung griff die BBB auf ein Wärmepumpensystem zurück. Die Fussbodenheizung ist dabei mit einem Free-Cooling-System kombiniert. Dieses kühlt im Sommer die Wohnungen, indem Wärme aus der Luft aufgenommen und teilweise der Erde wieder zugeführt wird. So werden auch die Erdsonden regeneriert.

Die Estrichabteile im gedämmten Dachstock können zu weiterem Wohnraum ausgebaut werden. Aktuell werden sie rege für Hobbys und Home-office genutzt.

Neuer Baurechtsvertrag nötig
Die Frage der Finanzierung bereitete den Verantwortlichen kein Kopfzerbrechen. Laut Präsident ist die Genossenschaft finanziell sehr gut aufgestellt und hatte deshalb bei der Fremdfinanzierung auf dem Markt keine Probleme. Zuvor jedoch musste wegen des Ersatzprojekts der Baurechtsvertrag mit Immobilien Basel-Stadt (IBS) neu ausgehandelt werden. Die Verhandlungen beschreibt Würsten als «halbschwierig». Das aber eigentlich auch nur, weil wegen einer Baulinienverschiebung Details zwischen dem Regierungsrat und IBS einige Male hin- und hergeschoben wurden. Auf den sogenannten partnerschaftlichen Baurechtsvertrag Plus hat die BBB verzichtet. Dieser garantiert Bauträgerinnenn zwar den günstigsten Zins, beinhaltet aber auch besondere Auflagen, insbesondere was den Erneuerungsfonds betrifft.
Mit der dritten und letzten Bauetappe wird endlich auch ein Gemeinschaftsraum realisiert, dem eine zusätzliche Sitzgelegenheit im Aus­senraum angegliedert wird. Im Zuge des Bau­prozesses mussten leider rund zwanzig Bäume gefällt werden. Verschont blieb hingegen ein alter, unter Schutz stehender schöner Baumbestand. Wenn im Herbst das Projekt ganz abgeschlossen ist, werden weitere gross- und mittelkronige Bäume gepflanzt sein. Hinzu kommen Hecken, Blumenrasen und Krautsäume, die den Übergang zwischen Gehölzen und Rasen bilden und wichtige ökologische Vernetzungskorridore bilden. Für die Gehwege zwischen den Häusern konnten sämtliche früheren Granitplatten wieder verwendet werden. Auch der Aussenraum hat so seine früheren Qualitäten weitgehend bewahrt.

Baudaten

Bauträgerin
Baugenossenschaft des Bundespersonals Basel (BBB)
Architektur
Ferrara Architekten AG, Basel
Bauleitung
Sevim Architektur GmbH, Basel
Unternehmen (Auswahl)
Girema Bau AG (Baumeisterarbeiten)
4B Fenster AG (Holz-Metall-Fenster)
Ariatec Meier & Zanolin GmbH (Lufttechnische Anlagen)
Schindler AG (Aufzüge)
Bossard Paganelli GmbH (Aussenraumgestaltung)

Umfang
88 Wohnungen (vorher 67), ­Gemeinschaftsraum, 43 Auto­einstellplätze, 278 Veloplätze
Baukosten (BKP 1–5)
39,9 Mio. CHF
5686 CHF/m² HNF
Mietzinsbeispiele
2½-Zimmer-Wohnung, 62,6 m²:
1230 CHF plus 130 CHF NK
3½ -Zimmer-Wohnung, 74,1 m²:
1330 CHF plus 160 CHF NK
4½-Zimmer-Wohnung, 99,4 m²:
1710 CHF plus 190 CHF NK