Rubrik: Recht

Bevorstehende Neuregelungen im Genossenschaftsrecht

In zwei Jahren werden voraussichtlich wichtige Neuerungen im Genossenschaftsrecht in Kraft treten. Baugenossenschaften tun gut daran, sich schon heute zu überlegen, ob sie von den neuen Möglichkeiten Gebrauch machen wollen.

Mai 2021

Der Bundesrat hat am 23. November 2016 die Botschaft und den Entwurf zu einer Teilrevision des Obligationenrechts (nachfolgend E-OR) verabschiedet.1 Im gleichen Zug hat er bestehende Regelungen zum Genossenschaftsrecht verändert. Die Veränderungen betreffen unter anderem das Gründungsverfahren, Statutenänderungen sowie die Form der Durchführung einer Generalversammlung. Die Änderungen stellen weitestgehend zeitgemässe Anpassungen dar, da das geltende Genossenschaftsrecht noch zu grossen Teilen auf der Grundlage von 1936 basiert und teilweise als überholt betrachtet wird. Mit dem Inkrafttreten wird derzeit erst im Jahr 2023 gerechnet.

Gründungsverfahren
Unter dem bisherigen Recht ist für die Gründung einer Genossenschaft keine öffentliche Beurkundung erforderlich. Die Genossenschaft kann gegründet werden, wenn die Gründer das Gründungsprotokoll unterzeichnet sowie die Statuten genehmigt haben und danach die Gesellschaft im Handelsregister eingetragen wurde. Gemäss Art. 830 Abs. 1 E-OR soll ab Inkrafttreten der Gesetzesänderung auch für die Gründung einer Genossenschaft die Pflicht zur öffentlichen Beurkundung als Formvorschrift gelten. Eine erleichterte schriftliche Gründung, das heisst ohne Beizug eines Notars, wird möglich bleiben, sofern sich die Gründerinnen und Gründer lediglich auf den Mindestinhalt der Statuten beschränken, 2 was aber kaum vorkommt. Gibt die Genossenschaft beispielsweise Anteilscheine aus, was bei Wohnbaugenossenschaften den Normalfall darstellt, so gehört dies zum weiteren bedingt notwendigen Statuteninhalt gemäss Artikel 833, weswegen auf die öffentliche Beurkundung nicht verzichtet werden kann.

Statutenänderungen
In einer Genossenschaft bedarf eine Statutenänderung bisher grundsätzlich keiner öffentlichen Beurkundung. 3 Nur ausnahmsweise, da heisst, wenn Änderungen an den Haftungs- oder Nachschussverpflichtungen der Genossenschafter sowie eine Herabsetzung oder gänzliche Aufhebung des Anteilscheinkapitals erfolgen, ist diese notwendig. 4 Nach dem neuen Art. 838a E-OR wird der Beschluss über eine Änderung der Statuten öffentlich zu beurkunden sein. Auf die öffentliche Beurkundung kann verzichtet werden, sofern die Statuten ausschliesslich die Angaben gemäss Artikel 832 enthalten. Bei Vorliegen von Anteilscheinen ist jedoch immer die öffentliche Beurkundung notwendig, 5 weswegen bei einer Statutenänderung einer Wohnbaugenossenschaft immer eine öffentliche Beurkundung erforderlich sein wird. Genossenschaften, die vor Inkrafttreten der vorliegenden Gesetzesänderungen gegründet wurden, können ihre Statuten während zweier Jahre ab Inkrafttreten des neuen Rechts, d.h. voraussichtlich bis 2025, weiterhin mit einfacher Schriftlichkeit ändern. 6

Verwendung elektronischer Mittel an der Generalversammlung
Wegen Covid-19 ist es bereits unter dem geltenden Recht bis Ende 2021 möglich, eine Versammlung in elektronischer Form durchzuführen. 7 Als Novum sieht der Gesetzesentwurf vor, dass die Generalversammlung auch nach Ablauf der Covid-19-Regelungen in elektronischer Form durchgeführt werden kann. Die virtuelle oder elektronische Generalversammlung wird fast ausschliesslich über das Internet ausgeführt und kann von den Genossenschaftern mittels Bild- und Tonübertragung in Echtzeit mitverfolgt werden. Voraussetzung für die Durchführung wird aber sein, dass die Statuten der Genossenschaft die Möglichkeit der elektronischen Durchführung vorsehen. 8 Die im Entwurf zum neuen Art. 701e Abs. 2 E-OR festgehaltenen Grundsätze können analog auf die virtuelle Generalversammlung einer Genossenschaft angewendet werden. 9
Ausführungen zu dieser Neuerung wurden im Artikel zur Durchführung einer virtuellen Generalversammlung bereits gemacht. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Generalversammlungen beispielsweise über Zoom oder MS Teams durchgeführt werden können. Wo die Kommunikation zeitversetzt erfolgt, was beispielsweise bei einer via E-Mail abgehaltenen Abstimmung der Fall wäre, sind die Anforderungen an das sogenannte Unmittelbarkeitsprinzip nicht erfüllt. Eine Abstimmung per E-Mail ist demnach nicht zulässig.

Handlungsbedarf?
Die Gesetzesrevision erfordert für bestehende Genossenschaften grundsätzlich keine Statutenrevision. Trotzdem sollte überlegt werden, ob und wie man von den neu geschaffenen Möglichkeiten und Vereinfachungen Gebrauch machen möchte, insbesondere bei der neuen Möglichkeit bezüglich der Abhaltung von elektronischen Versammlungen. Zudem wird voraussichtlich ab 2025, das heisst nach Ablauf der zweijährigen Übergangsfrist, bei Statutenänderungen eine öffentliche Beurkundung erforderlich und der Beizug eines Notars notwendig sein.

  1. Entwurf vom 23. November 2016 zur Änderung des Obligationenrechts, BBl 2017 683 ff. (zit. «E-OR») sowie Botschaft vom 23. November 2016 zur Änderung des Obligationenrechts, BBl 2017 399 ff.
  2. Vgl. Art. 832 E-OR.
  3. Vgl. Art. 888 Abs. 2 OR e contrario.
  4. Vgl. Art. 874 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 732 Abs. 1 und Art. 647 Abs. 1 OR.
  5. Vgl. Art. 838a Abs. 2 E-OR.
  6. Art. 7 E Ueb. Best. OR.
  7. Vgl. Art. 27 Abs. 1 Bst. a der Verordnung 3 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19-Verordnung 3; SR 818.101.24)
  8. Vgl. Art. 701d Abs. 1 E-OR i.V.m. Art. 893a E-OR.
  9. Entwurf vom 23. November 2016 zur Änderung des Obligationenrechts (Aktienrecht), BBl 2017 683 ff. S. 714

Thomas Elmiger,

Rechtsdienst

thomas.elmiger@wbg-schweiz.ch