Nicole Schwarz,
Rechtsdienst
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Der Entlastungsbeschluss ist eine schweizerische Spezialität und gehört bei einer Generalversammlung zu den Pflichttraktanden. Doch schützt er die Vorstände in jedem Fall vor Verantwortlichkeitsklagen?
Mit dem positiven Beschluss einer Entlastung verzichten die Genossenschaft sowie die zustimmenden Mitglieder grundsätzlich auf Verantwortlichkeitsansprüche gegenüber dem Vorstand oder einzelnen Vorstandsmitgliedern, selbst wenn Pflichtverletzungen begangen wurden. Wiederum schafft die sogenannte Décharge gegenüber dem Vorstand Vertrauen, weil er sich in seiner Tätigkeit bestätigt fühlen darf.
Auch Geschäftsführung haftbar
Im Zusammenhang mit der Erteilung der Entlastung stellt sich aber immer wieder die Frage, in welchen Fällen doch eine Verantwortlichkeitsklage möglich ist. Gemäss Art. 916 OR haften alle Personen, die sich mit der Verwaltung, Geschäftsführung, Revisionsstelle oder Liquidation der Genossenschaft befassen, für den Schaden, den sie ihr durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung der ihnen obliegenden Pflichten verursachen.
Zur Verantwortung gezogen werden aber nicht nur Organe im formellen Sinne – also solche, die im Handelsregister eingetragen sind –, sondern auch weitere Personen, die tatsächliche Organfunktion1 ausüben und in massgebender Weise an der Willensbildung teilnehmen. Deshalb sollte auch der Geschäftsführung die Décharge erteilt werden.
Voraussetzungen für eine Haftung
Damit der Vorstand beziehungsweise ein Vorstandsmitglied haftet, sind folgende Voraussetzungen kumulativ notwendig:
Die Genossenschaft muss in einem Prozess beweisen, dass der Vorstand oder ein einzelnes Vorstandsmitglied eine Pflichtverletzung begangen und dadurch einen Schaden verursacht hat. Das Vorstandsmitglied kann sich daraufhin entlasten, indem es beweist, dass es keinerlei Verschulden trifft.
Nur für erkennbare Tatsachen
Wie verhält es sich nun aber, wenn die Generalversammlung zum Zeitpunkt des Entlastungsbeschlusses noch keine Kenntnis vom Fehlverhalten hat, weil ihr die entsprechenden Tatsachen noch unbekannt sind? In sachlicher Hinsicht bezieht sich ein allgemein gefasster Entlastungsbeschluss grundsätzlich auf den gesamten Geschäftsgang.4 Jedoch konkretisiert das Gesetz, dass der Entlastungsbeschluss der Generalversammlung nur für bekanntgegebene Tatsachen wirkt5, also Tatsachen aufgrund von Unterlagen, Berichten oder mündlichen Informationen. Darunter fallen auch Tatsachen, die aufgrund der vorhandenen Unterlagen erkennbar gewesen wären.
Wirkung der Décharge
In zeitlicher Hinsicht erfasst ein Déchargebeschluss die Geschäftstätigkeit des abgelaufenen Geschäftsjahres, für das Rechnung gelegt und um Décharge ersucht wurde.6 Das Bundesgericht stellt auf den Zeitpunkt der pflichtwidrigen Handlung ab und nicht darauf, wann sie sich auswirkt. Ein gültiger Entlastungsbeschluss hat sodann folgende Wirkungen:7
Fazit
Grundsätzlich erfasst ein Entlastungsbeschluss nur solche Tatsachen, die der Generalversammlung bekanntgegeben wurden. Hat die Generalversammlung Kenntnis von Fehlverhalten, empfiehlt sich die Décharge in zeitlicher oder sachlicher Hinsicht mit Vorbehalten zu beschränken, damit sie einer allfälligen Schadenersatzklage nicht entgegensteht.