Thomas Elmiger,
Rechtsdienst
thomas.elmiger@wbg-schweiz.ch
Vor dem Kauf einer Immobilie sollten Genossenschaften abklären, ob das Kaufobjekt Mängel aufweisen könnte. Wie gehen sie dabei vor, und welche Rechte und Pflichten haben sie?
2024/03
(Erster Teil dieses Beitrags: Wohnen 2/2024)
Rügefristen
Beim Kaufvertrag ist ein Mangel grundsätzlich sofort nach Entdecken zu rügen.¹ Beim Werkvertrag ist zwischen offenen und verdeckten Mängeln zu unterscheiden. Offene Mängel sind nach Ablieferung und Prüfung des Werkes dem Unternehmer (Generalunternehmer oder Handwerker) anzuzeigen, versteckte Mängel sind sofort nach Entdeckung zu rügen.
Mängelrechte
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Vertrag bei der Rechtsgewährleistung (Rechtsmängel beim Kaufvertrag wie Eigentumsansprüche Dritter oder Bauhandwerkerpfandrechte) aufgelöst wird und der Verkäufer Schadenersatz schuldet.
Bei Sachmängeln des Kaufobjekts stehen beim Kauf- und beim Werkvertrag² dem Käufer/Besteller folgende Mängelrechte zur Verfügung:
Beim Werkvertrag steht alternativ zur Minderung ein Nachbesserungsanspruch für weniger erhebliche Mängel zur Verfügung. Weigert sich der Unternehmer, Nachbesserungen vorzunehmen, kann der Besteller nach Ansetzen einer Frist einen Dritten mit der Ersatzvornahme beauftragen. In extremis muss der Besteller die Kosten für die Ersatzvornahme gegenüber dem Unternehmer auf dem Rechtsweg geltend machen. Bei Kauf- und Werkvertrag verjähren die Gewährleistungsansprüche innert fünf Jahren seit Ablieferung, im Falle arglistig verschwiegener Mängel innert zehn Jahren seit Ablieferung.
Vereinbarte SIA-Garantien
In gemischten Kauf- und Werkverträgen werden in der Praxis häufig die Normen des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA), insbesondere die SIA-Norm 118, in den Vertrag übernommen. Wesentlich ist dabei, dass das Nachbesserungsrecht des Unternehmers vor den anderen Mängelrechten Vorrang hat und die Rügeobliegenheit des Bestellers gemildert wird.
Der Käufer/Besteller hat demnach zunächst einzig das Nachbesserungsrecht und erst bei Säumnis Anspruch auf Minderung, Wandelung sowie als ultima ratio das Recht auf Ersatzvornahme durch einen Dritten, sofern das Beseitigen der Mängel dem Unternehmer im Verhältnis zum Interesse des Bestellers an der Verbesserung nicht unverhältnismässige Kosten verursacht. Weigert sich der Unternehmer, den Mangel zu beheben, muss der Rechtsweg mit einer Klage beschritten werden. Offene Mängel verjähren zwei Jahre, versteckte fünf Jahre seit Abnahme.
Dispositives Recht
Die Normen der kaufrechtlichen Gewährleistungspflicht wie auch die werkvertragliche Mängelhaftung sind dispositives Recht. Somit können die Parteien den Inhalt der gesetzlichen Normen aufheben, ersetzen oder ergänzen.
Wegbedingung der Gewährleistung
In der Praxis wird insbesondere beim Kauf von Grundstücken und Altliegenschaften im Grundstückkaufvertrag häufig die Gewährleistung des Verkäufers mit einer Freizeichnungsklausel wegbedungen.
Sind die Mängel ausserhalb der Vorstellungskraft der Parteien, so ist die Freizeichnung diesbezüglich unwirksam, und der Käufer kann seine Gewährleistungsbehelfe doch durchsetzen. Ein Beispiel dafür ist ein gesundheitsgefährdender Schimmelpilzbefall, der den weiteren Verbleib im Haus unzumutbar macht.³
Arglist
Sowohl im Kauf- wie auch im Werkvertragsrecht muss der Verkäufer den Käufer über krasse, verborgene oder von diesem nicht erwartete Mängel, die zu dessen Vermögensschädigung führen könnten, informieren. Eine Wegbedingung der Gewährleistungspflicht für arglistig verschwiegene Mängel ist von Gesetzes wegen unzulässig.⁴
Spezialfall belasteter Standort
Gemäss Art. 32c Abs. 1 des Umweltschutzgesetzes müssen Deponien und andere durch Abfälle belastete Standorte saniert werden, wenn sie zu schädlichen oder lästigen Einwirkungen führen können. Die Behörden können jederzeit die Sanierung belasteter Standorte verlangen. Gestützt auf Art. 32d Abs. 1 USG trägt grundsätzlich der Verursacher die Kosten für notwendige Massnahmen zur Sanierung belasteter Standorte. Kann aber der Verursacher nicht eruiert werden, ist es möglich, dass der Standortinhaber als sogenannter Zustandsstörer zu den Sanierungsmassnahmen verpflichtet wird. Es ist demnach ratsam, den öffentlich zugänglichen Katasterplan der belasteten Standorte zu konsultieren.⁵ Wird der Käufer zu Sanierungsmassnahmen verpflichtet, so liegt ein Sachmangel des Grundstücks vor und er kann gegenüber dem Verkäufer Gewährleistungsansprüche (insbesondere Minderung) geltend machen.
Fazit
Bei einem Immobilienkauf ist schon vor der Unterzeichnung des Vertrags abzuklären, ob das Kaufobjekt Mängel aufweisen könnte. Deshalb sind vor Abschluss des Kaufs öffentlich zugängliche Register (Grundbuch, Zonenplan der Gemeinde sowie Altlastenkataster) zu konsultieren. Treten Mängel zutage, ist zunächst abzuklären, ob Kauf- oder Werkvertragsrecht anwendbar ist. Danach kann von den jeweiligen Mängelrechten gegenüber dem Verkäufer Gebrauch gemacht werden.