Rubrik: Recht

Der Umgang mit Mängeln beim Immobilienkauf (Teil 2)

Vor dem Kauf einer Immobilie sollten Genossenschaften abklären, ob das Kaufobjekt Mängel aufweisen könnte. Wie gehen sie dabei vor, und welche Rechte und Pflichten haben sie?

2024/03

(Erster Teil dieses Beitrags: Wohnen 2/2024)

Rügefristen
Beim Kaufvertrag ist ein Mangel grundsätzlich sofort nach Entdecken zu rügen.¹ Beim Werkvertrag ist zwischen offenen und verdeckten Mängeln zu unterscheiden. Offene Mängel sind nach Ablieferung und Prüfung des Werkes dem Unternehmer (Generalunternehmer oder Handwerker) anzuzeigen, versteckte Mängel sind sofort nach Entdeckung zu rügen.

Mängelrechte
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Vertrag bei der Rechtsgewährleistung (Rechtsmängel beim Kaufvertrag wie Eigentumsansprüche Dritter oder Bauhand­werkerpfandrechte) aufgelöst wird und der Verkäufer Schadenersatz schuldet.
Bei Sachmängeln des Kaufobjekts stehen beim Kauf- und beim Werkvertrag² dem Käufer/Besteller folgende Mängelrechte zur Verfügung:

  • ein Preisminderungsanspruch (Reduktion Kaufpreis wegen Minderwert);
  • unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen – das heisst, wenn keine Übermässigkeit vorliegt – die Wandlung, al­so die Rückabwicklung des Vertrags.

Beim Werkvertrag steht alternativ zur Min­derung ein Nachbesserungsanspruch für weniger erhebliche Mängel zur Verfügung. Weigert sich der Unternehmer, Nach­besserungen vorzunehmen, kann der Besteller nach Ansetzen einer Frist einen Dritten mit der Ersatzvornahme beauftragen. In extremis muss der Besteller die Kosten für die Ersatzvornahme gegenüber dem Unternehmer auf dem Rechtsweg geltend machen. Bei Kauf- und Werkvertrag verjähren die Gewährleistungsansprüche innert fünf Jahren seit Abliefe­rung, im Falle arglistig verschwiegener Mängel innert zehn Jahren seit Ablieferung.
Vereinbarte SIA-Garantien
In gemischten Kauf- und Werkverträgen werden in der Praxis häufig die Normen des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA), insbesondere die SIA-Norm 118, in den Vertrag übernommen. Wesentlich ist dabei, dass das Nachbesserungsrecht des Unternehmers vor den anderen Mängelrechten Vorrang hat und die Rügeobliegenheit des Bestellers gemildert wird.
Der Käufer/Besteller hat demnach zunächst einzig das Nachbesserungsrecht und erst bei Säumnis Anspruch auf Minderung, Wandelung sowie als ultima ratio das Recht auf Ersatzvornahme durch einen Dritten, sofern das Beseitigen der Män­gel dem Unternehmer im Verhältnis zum Interesse des Bestellers an der Verbesserung nicht unverhältnismässige Kos­ten verursacht. Weigert sich der Unternehmer, den Mangel zu beheben, muss der Rechtsweg mit einer Klage beschritten werden. Offene Mängel verjähren zwei Jahre, versteckte fünf Jahre seit Abnahme.

Dispositives Recht
Die Normen der kaufrechtlichen Gewährleistungspflicht wie auch die werkvertragliche Mängelhaftung sind dispositives Recht. Somit können die Parteien den Inhalt der gesetzlichen Normen aufheben, ersetzen oder ergänzen.

Wegbedingung der Gewährleistung
In der Praxis wird insbesondere beim Kauf von Grundstücken und Altliegenschaften im Grundstückkaufvertrag häufig die Gewährleistung des Verkäufers mit einer Freizeichnungsklausel wegbedungen.
Sind die Mängel ausserhalb der Vorstellungskraft der Parteien, so ist die Freizeichnung diesbezüglich unwirksam, und der Käufer kann seine Gewährleistungsbehelfe doch durchsetzen. Ein Beispiel dafür ist ein gesundheitsgefährdender Schimmelpilzbefall, der den weiteren Verbleib im Haus unzumutbar macht.³

Arglist
Sowohl im Kauf- wie auch im Werkvertragsrecht muss der Verkäufer den Käufer über krasse, verborgene oder von diesem nicht erwartete Mängel, die zu dessen Vermögensschädigung führen könnten, informieren. Eine Wegbedingung der Gewährleistungspflicht für arglistig verschwiegene Mängel ist von Gesetzes we­gen unzulässig.⁴

Spezialfall belasteter Standort
Gemäss Art. 32c Abs. 1 des Umweltschutzgesetzes müssen Deponien und andere durch Abfälle belastete Standorte saniert werden, wenn sie zu schädlichen oder lästigen Einwirkungen führen können. Die Behörden können jederzeit die Sanierung belasteter Standorte verlangen. Gestützt auf Art. 32d Abs. 1 USG trägt grundsätzlich der Verursacher die Kosten für notwendige Massnahmen zur Sanierung belasteter Standorte. Kann aber der Verursacher nicht eruiert werden, ist es möglich, dass der Standortinhaber als sogenannter Zustandsstörer zu den Sanierungsmassnahmen verpflichtet wird. Es ist demnach ratsam, den öffentlich zugänglichen Katasterplan der belasteten Standorte zu kon­sultieren.⁵ Wird der Käufer zu Sanierungsmassnahmen verpflichtet, so liegt ein Sachmangel des Grundstücks vor und er kann gegenüber dem Verkäufer Gewährleistungsansprüche (insbesondere Minderung) geltend machen.

Fazit
Bei einem Immobilienkauf ist schon vor der Unterzeichnung des Vertrags abzuklären, ob das Kaufobjekt Mängel aufweisen könnte. Deshalb sind vor Abschluss des Kaufs öffentlich zugängliche Register (Grundbuch, Zonenplan der Gemeinde sowie Altlastenkataster) zu konsultieren. Treten Mängel zutage, ist zunächst abzuklären, ob Kauf- oder Werkvertragsrecht an­wendbar ist. Danach kann von den jeweiligen Mängelrechten gegenüber dem Verkäufer Gebrauch gemacht werden.

  1. Art. 201 Abs. 1 OR
  2. Vgl. Art. 205 bzw. 368 OR
  3. Vgl. BGer 4C.242/2004 vom 6. Oktober 2004
  4. Vgl. Art. 100 Abs. 1 OR
  5. Vgl. für den Kanton Zürich: https://maps.zh.ch/?topic=AwelKBSZH.

Thomas Elmiger,

Rechtsdienst

thomas.elmiger@wbg-schweiz.ch