Rubrik: Recht

Der Umgang mit Mängeln beim Immobilienkauf

Vor dem Kauf einer Immobilie sollten Genossenschaften abklären, ob das Kaufobjekt Mängel aufweisen könnte. Wie gehen sie dabei vor, und welche Rechte und Pflichten haben sie?

2024/02

Wegen des schwindenden Angebots an Bauland und der raumplanerisch beabsichtigten inneren Verdichtung übernehmen Wohnbaugenossenschaften immer häufiger Altliegenschaften. Beim Kauf einer Liegenschaft respektive eines Bauplatzes wird nicht unverzüglich daran gedacht, dass das Dach undicht oder der Untergrund aufgrund einer defekten Ölleitung verseucht sein könnte. Wenn allerdings solche Mängel entdeckt werden, stellt sich sogleich die Frage, wie zu reagieren ist und ob Aussicht auf finanziellen Ausgleich besteht. Zudem versucht der Verkäufer einer Altliegenschaft oft, die Gewährleistung so weit wie möglich weg zu bedingen, was zu weiteren rechtlichen Abklärungen führt.
Zunächst ist festzuhalten, dass der umgangssprachliche Begriff des Immobilienkaufs in rechtlicher Hinsicht je nach Ausgestaltung entweder als Kaufvertrag oder als Werkvertrag qualifiziert werden kann. Die beiden Vertragstypen haben unterschiedliche Mängelrechte und Rügepflichten und regeln die Verjährung unterschiedlich.

Begriff des Mangels
Voraussetzung der Gewährleistungspflicht des Verkäufers ist das Vorhandensein eines Mangels der Kaufsache. Ein Mangel liegt einerseits vor, wenn der Verkäufer Eigenschaften des Grundstücks im Vertrag oder sonstwie zugesichert hat und diese nicht eingehalten wurden.
Die Zusicherung des Verkäufers über die Eigenschaften des verkauften Grundstückes (oft «Garantien» genannt) ist formfrei, also mündlich wie auch in einfacher Schriftlichkeit möglich.1 Andererseits besteht eine Gewährleistungspflicht, wenn vom Käufer nach Treu und Glauben gewisse Eigenschaften vorausgesetzt werden dürfen, die nicht erfüllt werden. Nach dem Gesetzeswortlaut müssen solche körperliche oder rechtliche Mängel allerdings den Wert oder die Gebrauchstauglichkeit der Kaufsache zum vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder erheblich mindern.2
Das Gesetz unterscheidet beim Kaufrecht körperliche und rechtliche Mängel. Bei der Rechtsgewährleistung steht einer Drittperson am Kaufgrundstück ein vorgehendes subjektives Recht zu (etwa Eigentumsansprüche eines Dritten oder Bauhandwerkerpfandrecht). Die Sachgewährleistung hingegen betrifft tatsächliche Mängel (leckes Dach, fehlende Erschliessung, baupolizeiliche Beschränkungen oder Altlasten wie verseuchter Boden).

Kauf- versus Werkvertrag
Ein Kauf liegt vor, wenn das Objekt fertig übertragen wird und der Erwerber keinen Einfluss auf die Gestaltung der Baute hat. Sobald der Erwerber die Gestaltung bestimmt und ein messbarer Erfolg erliegt, kommt Werkvertragsrecht zur Anwendung.3 Im Rahmen der Unterscheidung zwischen Kauf- und Werkvertrag ist zwischen überbauten respektive unbebauten Grundstücken zu differenzieren.
Zu beachten ist, dass beim Kaufvertrag (nicht aber beim Werkvertrag) der Mangel nicht später als im Zeitpunkt des Gefahrenübergangs vorhanden sein muss.4 Wenn der Käufer im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses vom Mangel Kenntnis hatte, haftet der Verkäufer nicht.

Bebaute und unüberbaute ­Grundstücke
Bei unüberbauten Grundstücken steht die beim Abschluss des Vertrags bestehende Beschaffenheit des Untergrundes im Vordergrund, weswegen nur Kaufrecht zur Anwendung gelangt. Die inte-ressierte Partei kann sich vor dem Prob-lemeintritt schützen, indem sie das Kaufgeschäft erst nach Vorliegen eines Flächennachweises, einer Baugrunduntersuchung, einer Konsultation des Altlastenkatasters oder der Einholung einer rechtskräftigen Baubewilligung abschliesst. Bei überbauten Grundstücken wird differenziert zwischen Altbauten und Neubauten.

Gewährleistung bei Alt- und ­Neubauten
Bei Altbauten kommt regelmässig nur Kaufrecht zur Anwendung, da die Baute bereits fertig erstellt ist. Es ist bei Altbauten gebräuchlich, sie ohne Gewährleistung zu veräussern respektive sie im gesetzlichen Rahmen wegzubedingen. Einzig arglistig verschwiegene Mängel können von den Parteien nicht ausgeschlossen werden.5
Bei Neubauten ist zunächst zu untersuchen, ob Kauf- oder Werkvertragsrecht zur Anwendung kommt. Wenn das Land mit fertig erstellter Baute auf den Käufer übertragen wird, kommt lediglich Kaufvertragsrecht zur Anwendung. Ein gemischter Kauf-/Werkvertrag liegt hingegen vor, wenn ein Grundstückkauf mit einer Bauleistungspflicht für einen Neubau verbunden wird.
Ein solcher gemischter Vertrag liegt insbesondere dann vor, wenn der Erwerber Einfluss auf den Arbeitsprozess (zum Beispiel die Auswahl der Inneneinrichtung) ausüben kann und die Bauvollendung nach Eigentumsübertragung des Grundstücks erfolgt. Die Mängelhaftung für das Gebäude wird in einem solchen Fall dem Werkvertragsrecht unterstellt.6 Bereiche rein kaufrechtlicher Natur wie Mindermass des Grundstücks oder Bodenbeschaffenheit werden aber dem Kaufrecht unterstellt.

  1. Vgl. BGE 102 II 100 sowie 88 II 416
  2. Vgl. Art. 197 Abs. 1 OR
  3. BGE 118 II 142
  4. Vgl. Art. 185 OR
  5. BGE 66 II 139
  6. BGE 118 II 142

Thomas Elmiger,

Rechtsdienst

thomas.elmiger@wbg-schweiz.ch