Rubrik: Recht

Nachträgliche Anpassung des Baurechtszinses

Viele Baurechtsverträge sehen noch den Zinsfuss der jeweiligen Kantonalbank vor, um den Baurechtszins periodisch der Teuerung anzupassen. Dieser wird aber seit 2008 nicht mehr nachgeführt. Gemäss einem Gerichtsurteil darf er durch den – viel tieferen – hypothekarischen Referenzzinssatz des Bundes ersetzt werden.

November 2020

Baurechtsverträge sind Dauerschuld­verhältnisse, die eine Laufzeit von bis zu hundert Jahren haben können.1 Aufgrund der langen Vertragsdauer und der normalerweise vorhandenen Geldentwertung sind in den jeweiligen Verträgen unterschiedliche Anpassungsmechanismen vorgesehen, da die Geld­entwertung dazu führt, dass der ursprünglich vereinbarte Baurechtszins mit zunehmendem Zeitablauf kein angemessenes Entgelt mehr für die Überlassung der Baurechtsparzelle darstellt.
In der Praxis führen viele Baurechtsverträge den Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) sowie den Zinsfuss der jeweiligen Kantonalbank für Hypotheken als Referenzwerte beziehungsweise Anpassungsmechanismen für die Festlegung des Baurechtszinses auf. Einige Baurechtsverträge sehen überdies die Möglichkeit vor, den Landwert periodisch neu aufgrund des Verkehrswerts zu berechnen. Auf diesen Anpassungsmechanismus wird im Folgenden nicht eingegangen, da er ausserordentliche Erhöhungen des Baurechtszinses zur Folge hat und nicht als periodischen Anpassungsmechanismus zu betrachten ist.

Landesindex der Konsumentenpreise (LIK)
Der LIK wird vom Bundesamt für Statistik erhoben und misst die Preisentwicklung2 der für die privaten Haushalte bedeutsamen Waren und Dienstleistungen. Er ist daher ein zuverlässiges Mass für die Teuerung. Die vollständige oder teilweise Anpassung des Baurechtszinses an den LIK ist aus Sicht des Baurechtsnehmers unproblematisch, da damit die reale Geldentwertung ausgeglichen werden soll. Der LIK wird jeweils monatlich publiziert und hat sich seit mehr als zehn Jahren fast nicht nach oben verändert oder war zeitweise sogar rückläufig.3 Es ist demnach möglich, dass ein Senkungsanspruch besteht, wenn lediglich der LIK als Anpassungsmechanismus vereinbart wurde.

Zinsfuss für Hypotheken
Nebst dem LIK oder anstelle dessen sehen viele Baurechtsverträge einen Zinsfuss der jeweiligen Kantonalbank für Hypotheken als Anpassungsmechanismus vor. Dieser wird in der ursprünglichen Form jedoch nicht mehr geführt und wurde bei Mietverhältnissen ab dem 10. September 2008 durch den neuen Referenzzinssatz gemäss Art. 12a VMWG4 ersetzt. Der Zinssatz für Hypotheken der jeweiligen Kantonalbanken wurde somit seit 2009 als Referenzgrösse nicht mehr angepasst. Da er nicht mehr geführt wird, eignet er sich auch nicht mehr als Anpassungsmechanismus in einem Baurechtsvertrag. Zum Teil wird noch auf ihn in anderen Zusammenhängen verwiesen5, doch er fristet ein eigentliches Mauerblümchendasein, wobei der letztmals angepasste Zinssatz in Höhe von 2,5 Prozent im gegenwärtigen Negativzinsumfeld selbstredend kein taugliches Anpassungskriterium mehr darstellt.

Ersatz durch den Referenzzinssatz
Da ein Bestandteil des Baurechtsvertrags nicht mehr vorhanden ist, muss der Vertrag angepasst beziehungsweise ergänzt werden. In der Praxis wird bei Baurechtsverträgen deshalb als Anpassungsmechanismus auf den hypothekarischen Referenzzinssatz bei Mietverhältnissen des Bundesamtes für Wohnungswesen (BWO) abgestellt, der zurzeit 1,25 Prozent beträgt. Für Änderungen des Hypothekarzinssatzes gilt seit dem 10. September 2008 für die ganze Schweiz ein einheitlicher Referenzzinssatz. Dieser stützt sich auf den hypothekarischen Durchschnittszinssatz der Banken. Er ersetzte den in den Kantonen früher massgebenden Zinssatz für variable Hypotheken. Dass der Zinssatz für Hypotheken nicht mehr geführt wird und damit nicht mehr anwendbar ist, wurde auch in einem Urteil des Zürcher Obergerichts bestätigt6 und die Anpassung des Baurechtszinses an den Referenzzinssatz des BWO als zulässig erachtet.
Obwohl dieses zweitinstanzliche Urteil aus dem Kanton Zürich stammt, dürfte es auch auf andere Kantone anwendbar sein, da die Einführung des Referenzzinssatzes des BWO gesamtschweizerisch7 erfolgte und der Hypothekarzins für Hypotheken der jeweiligen Kantonalbank nicht mehr als Referenzgrösse geführt wird. Dieses Urteil ist deshalb analog auf Baurechtsverträge in anderen Kantonen anzuwenden.

Fazit
Bestehende Baurechtsverträge sollten dahingehend überprüft werden, welche Anpassungsmechanismen bestehen, und ob ein Senkungsanspruch besteht.

  1. Vgl. Art. 779l Abs. 1 ZGB.
  2. Vgl. www.bfs.admin.ch/LIK
  3. Vgl. www.bfs.admin.ch/Konsumentenpreise
  4. Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG; SR 221.213.11)
  5. Vgl. § 183bis Abs. 3 des Zürcher Einführungsgesetzes zum ZGB (LS 230) im Zusammenhang mit Entschädigungen bei Enteignungen
  6. Vgl. E. 4.6 des Urteils des Obergerichts Zürich vom 16. September 2019 (LB180034-O/U)
  7. Vgl. Merkblatt zum hypothekarischen Referenzzinssatz 

Thomas Elmiger,

Rechtsdienst

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