GBL erneuert geschütztes Hochhaus in Zürich Albisrieden

Neue Spielregeln

Die Gemeinnützige Baugenossenschaft Limmattal (GBL) hat ihr Hochhaus in Zürich Albisrieden umfassend saniert, wobei der Erhalt preisgünstigen Wohnraums im Vordergrund stand. Unter anderem galt es, die Fassaden des Betonelementbaus zu erneuern. Eine besondere Herausforderung, steht das Haus doch seit neustem unter Denkmalschutz.

Von Richard Liechti | Bilder: zVg | April 2017

An diese Sanierung werden sich die Verantwortlichen bei der Gemeinnützigen Baugenossenschaft Limmattal (GBL) noch lange erinnern. Denn das Projekt war bereits definiert, die Architekten ausgewählt, die Vorarbeiten weit gediehen – da änderten sozusagen die Regeln während des Spiels. Die Behörden beschlossen nämlich, das vierzigjährige Hochhaus in das Inventar der Schutzobjekte aufzunehmen. Die GBL stand plötzlich vor einer ganz neuen Situation. Würden sich die Bedürfnisse der Genossenschaft und ihrer Bewohner mit denjenigen der Denkmalpflege unter einen Hut bringen lassen?

Günstigen Wohnraum erhalten
Das Hochhaus an Sackzelg 34–36 und Fellenbergstrasse 218 stammt aus den Jahren 1970 bis 1973 und gehört zur Stammsiedlung der Genossenschaft, die auch Ersatzneubauten umfasst. Der zehnstöckige Bau mit dem grosszügigen Sockelgeschoss und dem vorgelagerten einstöckigen Anbau für die GBL-Geschäftsstelle stammt von den Architekten Walter Gautschi und Otto Rotach, die in Anlehnung an die Wohnbauten Le Corbusiers eine strenge Gliederung und eine massive Beton- und Elementbauweise gewählt hatten. Nach vierzig Jahren Lebensdauer wurde eine Sanierung unumgänglich: Die Fassaden besassen kaum eine Wärmedämmung, in den oberen Stockwerken pfiff der Wind durch die Fenster. Die Wohnungen hatten noch die originalen Siebzigerjahrküchen und -bäder, das Leitungssystem musste dringend ersetzt werden.
Den Umfang der Sanierung liess die GBL mit einer Gebäudediagnose abklären, die auch Statik und Erdbebensicherheit umfasste. Sie zeigte, dass man das Gebäude mit wenigen baulichen Eingriffen und einem Budget von rund zehn Millionen Franken wieder fit machen könnte. Trotzdem diskutierten die Verantwortlichen auch die Option eines Ersatzes – entschieden sich aber für eine andere Strategie. «Wir setzten hier auf eine Low-Cost-Sanierung, um günstige Mietzinse zu erhalten», erklärt Martin Koller, Vizepräsident der GBL und Projektverantwortlicher. Denn die Wohnungen seien nach wie vor gefragt, die Grundrisse stimmig. Der Bewohnermix ist breit: Familien schätzen den grosszügigen Grünraum im Hof, während sich das Angebot günstiger Kleinwohnungen gerade für ältere Menschen mit wenig finanziellem Spielraum eignet. Auch aus ökologischer Sicht wäre der Abriss des Betonkolosses wenig sinnvoll gewesen.

Schutzwürdiger «Béton brut»
2011/2012 definierte die GBL das Sanierungsprojekt und beauftragte das Architekturbüro Harder Haas, das bereits Erfahrung mit der Erneuerung von Hochhäusern besitzt, mit Planung und Ausführung. Doch im Jahr darauf erhielt die Genossenschaft wichtige Post. Das Amt für Städtebau hatte nämlich die Inventarisierung der Bauten der Nachkriegsmoderne 1960 bis 1980 abgeschlossen. Zu den 81 Bauten, die man aus dieser Epoche hinzufügte, zählte auch das GBL-Hochhaus. Es bilde einen Orientierungspunkt innerhalb der grosszügigen Bebauungs- und Freiraumstruktur und lehne sich architektonisch an die 1947 bis 1952 von Le Corbusier erstellte Unité d’Habitation an, was sich in der «Béton brut»-Fassade und dem strengen Raster mit horizontalen Brüstungsbändern ausdrücke.

Im neu verglasten Erdgeschoss konnte ein Gemeinschaftsraum eingerichtet werden.

Die ebenfalls sanierte Dachterrasse steht allen Bewohnerinnen und Bewohnern zur Verfügung.

Die Inventarisierung bedeutet zwar noch keinen Schutz. Doch müssen alle Veränderungen den Behörden vorgelegt werden. Im Falle der GBL folgten rund einjährige Verhandlungen, in denen anhand der geplanten Erneuerung auch der künftige Umfang für den Schutz des Gebäudes festgelegt wurde. Nicht dass die Denkmalpflege das Projekt als Ganzes in Frage gestellt hätte. Aber um manche Details habe man gerungen. «Es gab Punkte, die entweder für die Stadt oder für uns eigentliche No-Gos waren», erklärt Martin Koller. Ein Beispiel dafür sind die Balkonbrüstungen, die als massive Betonriegel daherkamen. Die Denkmalpflege wollte sie erhalten, die Genossenschaft wünschte sich dagegen eine transparentere Lösung und hatte ursprünglich sogar den Ersatz durch Glas ins Auge gefasst. Schliesslich einigte man sich auf einen Kompromiss, eine Lösung in Betonoptik, die das bisherige horizontale Raster erhält, aber dank einer Perforierung durchlässiger wirkt – eine Lösung, die man auch bei manchen Corbusier-Bauten findet.

Fassadenplatten neu entwickelt
Einen Knackpunkt bildeten auch die Fassadenelemente, die das Erscheinungsbild wesentlich prägen. Die massiven Betonteile besassen nur eine minimale Dämmung. Zudem war unklar, wie sie überhaupt an der Fassade befestigt waren und wie weit ihr Gewicht der Tragstruktur standhalten würde. Gemeinsam mit einem grossen Zementunternehmen entwickelten die Architekten deshalb eine gänzlich neue Lösung, nämlich dünne, leichte Elemente aus Faserzement, die sich jedoch optisch kaum von der früheren Fassade unterscheiden. Mit ihrer dicken Dämmschicht aus Mineralwolle bieten diese Platten allerdings einen zeitgemässen Wärmeschutz. Im Balkonbereich durften die Architekten eine weitere Massnahme realisieren, um die Betonoptik aufzufrischen. Jeweils eine Balkonseite ist nämlich in fünf verschiedenen Farbtönen gehalten, die aus der Le-Corbusier-Palette stammen. Dasselbe attraktive Farbkonzept findet sich im neugestalteten Erdgeschoss und auf der Dachterrasse.

Ein Teil der Einzimmerwohnungen wurde zu attraktiven 2 ½-Zimmer-Einheiten zusammengelegt.

Strassenfassade mit vorgelagerter GBL-Geschäftsstelle. Die neuen Fassadenplatten aus Faserzement unterscheiden sich kaum von den früheren Betonelementen.

Zu den schützenswerten Elementen zählt auch das überhohe Sockelgeschoss mit seinen mächtigen Stützen und dem Geschäftsstellenanbau. Hier galt es zwar, die transparente Erscheinung zu erhalten. Die Genossenschaft durfte jedoch eine voll verglaste Eingangshalle mit Gemeinschaftsraum einbauen. Mehr Kummer bereitete die Forderung der Behörden, eine Originalküche zu erhalten, denn die alten Küchen waren durchwegs mit Schadstoff belastet. Deshalb setzte die Genossenschaft schliesslich den gesamten Ersatz durch. Bei allen neuen Elementen, etwa auch den eigens entwickelten Fassadenplatten, habe die Denkmalpflege vor der Bewilligung Muster verlangt, erklärt Architektin Veronika Harder. Ein Umstand, der beträchtlichen Aufwand bedeutet habe, weil zur Entscheidungsfindung eine Mehrzahl Muster und Besprechungen notwendig wurden.

Lernprozesse auf allen Seiten
Die Arbeiten führte man in zwei Etappen durch (September bis Dezember 2015 sowie Februar bis Mai 2016), und zwar im bewohnten Zustand. Dabei kam die Bewohnerschaft in den Genuss verschiedener Hilfestellungen. In den Wohnungen selbst erneuerte man aus Kostengründen nur die Küchen und Bäder, wobei die Küchen teilweise gegen den Wohnraum geöffnet wurden. Zehn Einzimmerwohnungen legte man zu 2 ½-Zimmer-Einheiten zusammen, da dieser Wohnungstyp bei der GBL etwas untervertreten ist. Erweitert wurde auch die Geschäftsstelle im Sockelgeschoss, wo die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nun über einen Aufenthaltsraum mit Küche sowie ein zusätzliches Büro verfügen. Eine weitere Herausforderung bedeutete das Heizsystem, besteht es doch aus einer im Boden einbetonierten sogenannten Scherrer-Heizung. Hier entschied man sich schliesslich für den Erhalt. Zu nennen ist auch die grosszügige Dachterrasse, die den Bewohnern nun saniert und aufgefrischt zur Verfügung steht.
Welche Lehren würde die Genossenschaft an Bauträger weitergeben, die ebenfalls sanierungsreife geschützte Bauten besitzen? «Man kommt nicht darum herum, frühzeitig mit der Denkmalpflege Kontakt aufzunehmen», sagt Martin Koller. Die Verhandlungen hingen dann stark davon ab, wie viel Verständnis die Behördenvertreter für die Anliegen der Genossenschaft hätten. «Schliesslich geht es hier nicht um ein Altstadthaus», meint der GBL-Vize, «sondern um ein Wohngebäude, das seinen Zweck erfüllen muss.» Aus seiner Sicht hätten die Stadtzürcher Behörden hier durchaus auch einen Lernprozess gemacht. Auf einem anderen Blatt stehe, was in vierzig Jahren passiere, schliesst die Schutzverfügung, die 2015 definitiv wurde, doch einen Abbruch für die Zukunft generell aus.

Ende gut, alles gut
Im Herbst 2016 konnte das Gebäude in seinen zweiten Lebenszyklus entlassen werden. Das Ziel ist erreicht: Die Anforderungen des Denkmalschutzes konnten erfüllt und der Bau dennoch aufgewertet werden. Die GBL kann hier in den nächsten vierzig Jahren hohen Wohnwert zu moderaten Mietpreisen anbieten. Der Ärger über die langwierigen Verhandlungen ist vergessen, umso mehr als der Kostenvoranschlag eingehalten werden konnte. Das, so die Verantwortlichen, sei ein gutes Omen für künftige denkmalpflegerische Gebäudesanierungen, nachdem nun ein erster Testlauf abgeschlossen sei. Und die Bewohnerschaft? Von ihr höre man nur Positives.

Baudaten

Bauträgerin:
Gemeinnützige Baugenossenschaft
Limmattal (GBL), Zürich
Architektur:
Harder Haas Partner AG, Eglisau
Bauleitung:
Rovera Baumanagement AG
Unternehmen (Auswahl):
BWT Bau AG (Baumeister)
Robert Spleiss AG (Fassadenbekleidung)
Fensterfabrik Albisrieden (Fenster)
Wietlisbach AG (Küchen)
Sada AG (Sanitär)
Walter Kasper AG (Elektro)
Keller Metallbau (Glas, Metall
Sockel­geschoss)
Schaub Maler AG (äussere Maler­arbeiten)

Renova Roll AG (Sonnenschutz)
Schmid Janutin (Metalldecken farbig)
Umfang:
Aussen- und Innensanierung,
65 Wohnungen (neu), Gemeinschaftsraum, Geschäftsstelle
Baukosten:
10,9 Mio. CHF
167 000 CHF/Wohnung
Mietzinsbeispiele:
2 ½-Zimmer-Wohnung (66–72 m²)
alt: 950 CHF (Durchschnitt)
neu: 1134–1257 CHF
plus jeweils 126 CHF Nebenkosten
4 ½-Zimmer-Wohnung (94 m²)
alt: 1290 CHF (Durchschnitt)
neu: 1618 CHF–1736 CHF
plus jeweils 156 CHF Nebenkosten

Wegleitung für geschützte Bauten

Der Regionalverband Zürich von Wohnbaugenossenschaften Schweiz hat im Jahr 2013 eine «Wegleitung im Umgang mit Wohnsiedlungen im kommunalen Inventar für schützenswerte Bauten und Anlagen der Stadt Zürich» aufgelegt, die in Zusammenarbeit mit dem Amt für Städtebau entstanden ist. Die Broschüre listet neben den gesetzlichen Grundlagen zwei Musterprozesse auf, die Schritt für Schritt aufzeigen, wie Schutzabklärungsverfahren ablaufen können und wie der Schutzumfang festgelegt wird.