ABL schliesst Erneuerung der Siedlung Weinbergli ab

Neues Wohngefühl in alter Bausubstanz

Mit dem Abbruch von drei Einfamilienhäusern schuf die Allgemeine Baugenossenschaft Luzern (ABL) in ihrer Siedlung Weinbergli Raum für einen Neubau. Nun hat sie auch die Gesamtsanierung der Altbauten abgeschlossen. Dank einer neuen Anbauschicht erhielten die rundum erneuerten Wohnungen mehr Platz und grössere Balkone. Der Charakter der bauhistorisch wertvollen Siedlung blieb bestehen.

Von Richard Liechti | Bilder: Stefano Schröter | April 2018

Wie ein Adlerhorst thronen die oberen Hauszeilen der Wohnsiedlung Weinbergli über der Luzerner Innenstadt. Ein weiter Blick über das Tribschenquartier, den See und die gegenüberliegende Uferlandschaft eröffnet sich. Auf der Basis eines Bebauungsplans des bekannten Baumeisters Carl Mossdorf passten die Architekten Otto Schärli und Fritz Felder hier zwischen 1935 und 1948 eine Überbauung in den steilen Hang. Sie besteht vor allem aus gestaffelten, teils im Doppel zusammenge­bau­ten Sechsfamilienhäusern mit den zeittypischen Satteldächern. Es ist die viertälteste Siedlung der Allgemeinen Baugenossenschaft Luzern (ABL), die hier ein Verdichtungsprojekt verwirklicht und gleichzeitig bauhistorisch wertvolle Häuser erhalten hat.

Bei den Anbauten achtete man auf eine neue Architektursprache, die sich dem Altbau nicht anbiedert.

Gute Grundsubstanz
Um das Potential der Erneuerung auszuloten, führte die ABL im Jahr 2007 einen Projektwettbewerb durch. Dabei ging es insbesondere darum, drei locker angeordnete Einfamilienhäuser durch einen Neubau zu ersetzen. Auch im mittleren Siedlungsbereich wären Neubauten denkbar gewesen, während der oberste Teil im Inventar der schützenswerten Ortsbilder von Luzern verzeichnet ist. Hier waren höchstens «massvolle Interventionen» möglich. Bei den Gebäudehüllen, die praktisch noch im Originalzustand waren, drängte sich eine wärmetechnische Sanierung auf, und bei den Wohnungen stand ein nächster Sanierungszyklus an. «Die Grundsubstanz der Dreissigerjahrebauten war gut», erklärt Peter Bucher, Leiter Bau + Entwicklung bei der ABL. Das Thema Ersatzneubau sei deshalb auch im mittleren Bereich bald vom Tisch gewesen.
Tatsächlich entschied sich das Preisgericht für jenes Projekt, das mit der bestehenden Bausubstanz am behutsamsten umging. Im Gegensatz zu den meisten übrigen Teilnehmern, die das Neubaupotential möglichst ausschöpften, schlugen Bosshard & Luchsinger Architekten AG, Luzern, nur beim unternutzten Teilstück ­einen Neubau vor. Diesen realisierte man als erste Etappe der Gesamterneuerung. Seit 2012 erstreckt sich der elegante, fast 120 Meter lange Zeilenbau dem Hang entlang. Er ergänzt das Angebot in den bestehenden einfachen und kleineren Einheiten im alten Teil mit Wohnungen, die ein etwas höheres Segment ansprechen. Die insgesamt 36 neuen Einheiten sind durchwegs zweiseitig orientiert, so dass die Bewohner gleichzeitig gegen Südost Sonne tanken und gegen Nordwest die Aussicht auf die Stadt geniessen können (siehe ausführliche Dokumentation in Wohnen 4/2012).

Dank den Anbauten verfügen die Dreizimmer­wohnungen nun über rund zwölf Quadratmeter mehr Fläche und grosszügige ­Terrassen.

Blick in eine der beiden neuen Dachwohnungen.

Auch der Aussenraum ist neu gestaltet. Neben verschiedenen Terrassen mit Begegnungsmöglichkeiten oder einem neuen, grösseren Spielplatz sind Pflanzbeete verfügbar.

Rund zwölf Quadratmeter gewonnen
Die Erneuerung des Altbestandes wickelte die ABL ab 2012 in insgesamt sechs Etappen ab, Anfang 2018 konnte sie fertiggestellt werden. Wichtigstes Element ist die Vergrösserung der Wohnfläche, handelt es sich doch vor allem um kleine Dreizimmerwohnungen. Deshalb baute man mehrheitlich eine durchgehende neue Schicht an, die abwechslungsweise verglaste Wohnraumerweiterungen und Balkone umfasst. Dank den 2,5 Meter tiefen Anbauten kann die Wohnfläche um jeweils rund zwölf Quadratmeter vergrössert werden, so dass eine Dreizimmerwohnung neu 75 Quadratmeter bietet. «Dabei haben wir bewusst auf eine neue Architektursprache gesetzt», sagt Peter Bucher. Die Anbauten sollen sich nicht anbiedern, sondern als neues Element erkennbar sein.
Sonst aber blieb das Erscheinungsbild erhalten. Daran ändert auch die Fassadendämmung wenig, sind die zwanzig Zentimeter EPS doch hinter einem Verputz versteckt. Auch die Fenster ersetzte man durchwegs durch neuste Fabrikate. Die Dächer erneuerte man zwar, beliess aber die bisherigen kalten Estriche und isolierte dort dafür die Böden. Nur in einem Doppelhaus, wo die Kniestockhöhe dies erlaubte, entstanden zwei neue Dachwohnungen. Wie bei den meisten Objekten versah die ABL auch im Weinbergli die Dächer mit Photovoltaikanlagen. Den Strom nutzt sie vorderhand nicht direkt, sondern speist ihn ins lokale Netz ein. Da die Häuser bereits mittels nachhaltiger Fernwärme ­geheizt werden, ergab sich hier kein Handlungsbedarf. Bedingt durch den zu tiefen Wassernetzdruck am Hang, baute man für jeweils zwei Häuser einen Boiler ein und bereitet das Warmwasser, unter Mithilfe der Fernwärme, nun vor Ort auf.

Attraktives Hangwohnen
Das «Innenleben» der Häuser ist komplett neu: Das gilt für Küchen, Bäder, die gesamte Haustechnik und die Elektroinstallationen. Zwar nahm man innerhalb der bestehenden Wohnungsgrundrisse Umstellungen vor, etwa von Küche und Bad, verzichtete aber aus Kostengründen auf Wohnungszusammenlegungen. Das Gleiche gilt für den Ein- oder Anbau von Liften, ist der hindernisfreie Zugang am Hang doch grundsätzlich schwierig. Viel Augenmerk galt dem Schallschutz. Im Deckenbereich hemmen Gips­kartonplatten den Trittschall, im Bodenbereich ein komplett neuer Aufbau mit Dämmelementen, in die auch die Bodenheizung integriert ist.
Die umfassenden Innenarbeiten liessen ein Verbleiben der Mieterschaft in ihren Wohnungen nicht zu. Zu Kündigungen kam es jedoch nicht, denn die ABL konnte für alle Mieter Alternativangebote bereitstellen, dank der Etappierung oft auch innerhalb der Siedlung. Obwohl der Mietzinsaufschlag prozentual beträchtlich ist, bleiben die Wohnungen günstig. Die Bewoh­nerinnen und Bewohner profitieren auch vom neu gestalteten Aussenraum, der zwischen den Hauszeilen verschiedene «Terrassen» mit Treffpunkten und einem neuen Kinderspielplatz bietet. Am oberen Ende und im mittleren Teil der Siedlung hat die ABL gar neue Pflanzgärten geschaffen, die sich grosser Beliebtheit er­freuen. Kein Wunder, denn dort ist die Seesicht ­inklusive.

Baudaten

Bauträgerin:
Allgemeine Baugenossenschaft Luzern (ABL), Luzern
Architektur:
Bosshard & Luchsinger Architekten AG, Luzern
Umfang:
98 Wohnungen (ohne Verdichtungs­neubau), Innen- und Aussensanierung, Anbauten, Aussenraum, Photovoltaik

Baukosten:
36 Mio. CHF
Mietzinse:
2 ½-Zimmer-Wohnung:
alt 550 CHF (Durchschnitt),
neu ab 915 CHF plus 130 CHF NK
3 ½-Zimmer-Wohnung:
alt 700/800 CHF (Durchschnitt),
neu 1430/1600 CHF (Durchschnitt)
plus 160 CHF NK