Stiftung PWG in Zürich wertet 60er-Jahre-Bau auf

Pragmatismus statt Maximallösung

Die Stiftung PWG ermittelt regelmässig die Energiekennzahl ihrer Gebäude. Eines fiel dabei jeweils besonders ab, auch wegen der Deckenheizung. Mit einer Gesamtsanierung versuchte die Zürcher Stiftung nun, Abhilfe zu schaffen und trotzdem weiterhin günstige Mieten zu bieten. Trotz Kompromissen kann der Energieverbrauch voraussichtlich halbiert werden.

Von Thomas Bürgisser | Bilder: Ralph Hut | Oktober 2018

D ie Stiftung zur Erhaltung von preisgünstigen Wohn- und Gewerberäumen der Stadt Zürich (PWG) hat den öffentlichen Auftrag, Liegenschaften zu erwerben, sie der Spekulation zu entziehen und dadurch möglichst tiefe Mieten zu bieten; im Durschnitt liegen diese rund einen Drittel unter der Marktmiete. «Deshalb werden Liegenschaften auch erst dann saniert, wenn es nicht mehr anders geht», erklärt Thomas Güntensperger, Projektleiter im Bereich Bauprojekte der PWG. Beim Mehrfamilienhaus am Schützenrain 17 in Zürich Albisrieden mit Baujahr 1963 konnte die Stiftung PWG nicht mehr länger warten, auch aus ökologischen Gründen. «Wir ermitteln für alle unsere Liegenschaften regelmässig die Energiekennzahl, also den Energieverbrauch für das Heizen im Verhältnis zur Energiebezugsfläche. Bei diesem Vergleich schloss dieses Gebäude mit 265 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr über unser gesamtes Portfolio von 148 Häusern klar am schlechtesten ab.»
Die Gründe dafür sind vielfältig. Eine freistehende Liegenschaft mit nur sieben Wohnungen auf drei Stockwerken hat es bei einem solchen Vergleich grundsätzlich schwieriger als grössere Gebäude mit weniger Gebäudehüllenfläche pro Wohnung. Zudem unterhielt der private Vorbesitzer die Wohnungen zwar gut, tätigte aber nie grössere Investitionen am Gebäude. Die PWG selbst wechselte 2001, sieben Jahre nach dem Kauf, einzig die Öl- durch eine Gasheizung aus. Die Liegenschaft verfügte so noch immer über doppelverglaste Holzfenster, die inzwischen stark verwittert und undicht waren, sowie eine kaum gedämmte Gebäudehülle. «Im Zusammenhang mit der Deckenheizung ist dies fatal. Auch weil diese in der Betondecke eingelassen ist und damit praktisch den ganzen Baukörper mitheizt. Im Souterrain wärmte sie ausserdem nicht nur die zwei Wohnungen, sondern im gleichen Masse auch Abstellräume sowie die Waschküche», so Thomas Güntensperger.

Pragmatische Massnahmen
Anfang 2014 lud man ausgewählte Planer zur Vorprojekteingabe ein, im Sommer begann die Projektausarbeitung. Ein Ersatzbau für den typischen 60er-Jahre-Betonbau wurde zwar geprüft. Aufgrund der Bauvorschriften hätte man jedoch höchstens die heutigen Dimensionen beibehalten können. «Ausserdem», betont der Projektleiter, «wollen wir immer mit möglichst pragmatischen Massnahmen das Beste zur Erhaltung günstiger Mieten herausholen.» Man entschied sich deshalb für eine Gesamtsanierung, auch wenn diese Kompromisse erforderte. So war etwa klar, dass die Balkone nicht vergrössert werden. «Zwar bestehen dadurch weiterhin gewisse Wärmebrücken, gemäss Planer sind diese jedoch vernachlässigbar», sagt Thomas Güntensperger.
Insgesamt hat sich die Aussenoptik des Hauses durch die Eingriffe kaum verändert. Es wurde eine 16 Zentimeter dicke Kompaktfassade angebracht. Für den Brandschutz hätte man dabei mindestens einen Zwischenstreifen mit Steinwolle dämmen müssen. Die kleine Gesamtfläche sowie ökologische Überlegungen veranlassten die PWG aber dazu, gleich komplett auf Steinwolle zu setzen. Darüber kam Verputz in der fast gleichen Farbe wie bis anhin. Um die schmalen, durchgehenden Balkone nicht noch zu verkleinern, wurden auf der Nordseite die Stützen aussen nur mit sechs Zentimetern und zusätzlich von innen mit sechs Zentimetern gedämmt.

Keramikplatten sorgen in Küchen und Bädern für neue Farbtupfer. Die Küchen wurden zudem leicht geöffnet und vergrössert.

Fünfzig Prozent Energie sparen
Sämtliche Fenster ersetzte die Stiftung PWG durch Dreifachisolierglasfenster. Sie sind nicht kippbar, um keinen Energieverlust im Winter zu provozieren. Dafür sollten die Mieter zwei- bis dreimal täglich kurz lüften: Die PWG hat auf den Einbau einer Wohnraumlüftung verzichtet, da dies technisch zu komplex und zu teuer geworden wäre. Einzig für die Dunstabzugshauben wurde eine automatisch gesteuerte Zuluftregulierung installiert, damit bei Abluftbetrieb im gut gedämmten Gebäude kein Unterdruck entsteht. Die Badezimmer wiederum verfügen über eine mit dem Licht gekoppelte kleine Entlüftung.
Dank der neuen Gebäudehülle rechnet die Stiftung PWG mit einer Energieeinsparung von rund fünfzig Prozent; Messdaten liegen allerdings erst nach der Heizperiode im kommenden Winter vor. Ein weiteres Plus ist der Komfortgewinn. Zwar wurde die originale Deckenheizung belassen: Stichproben, bei denen die Heizleitungen teilweise freigelegt wurden, ergaben keinen Sanierungsbedarf. Die frühere Zugluft, die durch das Zusammenspiel von warmer Decke und kalten Wänden entstand, entfällt nun aber. Auch die hohen Heiztemperaturen, die bei den Mietern für warme Köpfe bei gleichzeitig kalten Füssen sorgten, gehören nun der Vergangenheit an: Die Vorlauftemperatur konnte von 40 auf 28 Grad reduziert werden. «So eingestellt ist eine Deckenheizung sogar sehr angenehm zum Wohnen», führt Thomas Güntensperger aus. «Schliesslich strahlt sie nicht nur nach unten, sondern über den Baukörper auch nach oben.»

Verzicht auf erneuerbare Energien
Für eine zusätzliche Energieeinsparung sorgt die neu gedämmte Decke im Souterrain bei Abstellräumen und Waschküche. Hier steht nach 17 Jahren auch ein neuer Gasbrenner. Er ist mit einer Leistung von 60 Kilowatt etwas überdimensioniert, konnte aber von einer anderen PWG-Liegenschaft übernommen werden. Eine alternative Heizlösung wurde aus Kostengründen nicht weiter abgeklärt. Auch Photovoltaik oder Solarthermie kamen nicht in Frage, weil sich diese wegen der geringen Dachfläche von lediglich 80 Quadratmetern über der Attikawohnung nicht gelohnt hätten.
Ersetzt wurden jedoch altersbedingt sämtliche Regulierungsventile in den Wohnungen. Mit ihnen können die Bewohnenden die Heiz­temperaturen nun leicht regeln, wenn auch mit langsamer Reaktionszeit. Gleich neben dem Heizungskasten beim Wohnungseingang verlaufen die neuen, grösser dimensionierten Zu- und Ableitungen für das Wasser. Die bisherigen waren veraltet, es drohten Verstopfungen. Für den breiteren Steigschacht opferte die PWG in den meisten Wohnungen das bisherige Gäste-WC, konnte dafür aber eine etwas grössere und offenere Küche in dezentem Grau realisieren. Ein Keramikplattenmosaik als Küchenrückwand sorgt hier für etwas Farbe. Auch im neu ausgerüsteten Badezimmer entstand ein breiterer Steigschacht, im Grundriss blieb der Raum jedoch gleich, wie alle anderen Räume auch. «Deshalb dachten wir zu Beginn eigentlich, wir könnten im bewohnten Zustand sanieren», sagt Thomas Güntensperger.

Um die Balkone nicht weiter zu verkleinern, wurde nordseitig aussen teilweise nur mit sechs Zentimetern gedämmt und dafür innen zusätzlich sechs Zentimeter Dämmung angebracht.

Asbestfund
Die Mieterinnen und Mieter wurden schon drei Jahre vor Baubeginn über die Sanierungsabsicht informiert. Von da an wurden für Neumieter nur noch befristete Verträge ausgestellt, wodurch drei von sieben Wohnungen zu Baubeginn im Mai 2017 leer waren. Schliesslich mussten aber auch die restlichen vier Mietparteien ausziehen; alle fanden schnell eine eigene Anschlusslösung. «Aus Erfahrung mit Umbauten im bewohnten Zustand wissen wir, dass nicht nur die Belastung für die Mieterinnen und Mieter enorm ist, sondern auch der Zusatz­aufwand für die Bauleute», so Thomas Güntensperger. Beim Schützenrain kam erschwerend hinzu, dass man in allen Wohnungen auf asbesthaltige Materialien stiess, die durch eine Spezialfirma ausgebaut werden mussten. Ausserdem galt es, die Erdbebensicherheit zu erhöhen: Vier Wände aus Mauerwerk im Erdgeschoss wurden deshalb durch solche aus Stahlbeton ersetzt. Und auch die ohnehin dünnen nordseitigen Betonpfeiler, die durch eingelassene manuelle Storengetriebe durchlöchert waren, wurden stabilisiert. Die Storen verfügen heute über elektrische Antriebe.
Während des Baus zeigte sich dann auch noch, dass Wand- und Bodenbeläge zu verbraucht waren, um belassen werden zu können. Die Mieterschaft darf sich deshalb nun über neuen Eichenparkett im Wohnbereich sowie Feinsteinzeugplatten in Küche und Bad freuen. Die Wohnungen konnten wie geplant im Februar 2018 bezogen werden, im Juni waren auch die Umgebungsarbeiten abgeschlossen. Insgesamt unterschritt die Stiftung PWG den Baukredit von 2,3 Millionen Franken sogar leicht. Die monatlichen Nettomieten stiegen dennoch von 1289 auf 1520 Franken für eine Dreieinhalbzimmerwohnung. «Das Gebäude sollte nun aber die nächsten dreissig Jahre unterhaltsarm und vor allem mit geringeren Energie- und damit Nebenkosten weiterbetrieben werden können», ist der Projektleiter überzeugt.

Baudaten

Bauträgerin:
Stiftung zur Erhaltung von preisgünstigen Wohn- und Gewerberäumen der Stadt Zürich (PWG)
Architektur und Bauleitung:
Choffat + Filipaj Architekten GmbH,
Zürich
Umfang:
1 MFH, 7 Wohnungen

Baukosten (BKP 1-5):
2,28 Mio. CHF total
325 715 CHF pro Wohnung
Mietzinsbeispiele:
2-Zimmer-Wohnung:
alt: 722 CHF plus 212 CHF NK
neu: 1050 CHF plus 230 CHF NK
3 ½-Zimmer-Wohnung:
alt: 1289 CHF plus 353 CHF NK
neu: 1520 CHF plus 350 CHF NK