
Wer läutet denn da?
Fein essen und dabei neue Leute kennenlernen? Ein gutes Rezept, um Bewohnende von Genossenschaften siedlungsübergreifend zusammenzubringen. Die Teilnehmenden des «Running Dinners» in Luzern und des «Ding-Dongs» in Zürich jedenfalls sind begeistert.
Text: Liza Papazoglou | Foto: Stefano Schröter | August 2025
«Super Erfahrung», «interessant», «unkompliziert», «fein», «euphorisch»: Die Rückmeldungen auf das «Running Dinner» in der Siedlung Himmelrich der Allgemeinen Baugenossenschaft Luzern (ABL) sprechen für sich. Das im März 2024 gestartete Format war offensichtlich ein Volltreffer, und so folgte diesen April auch bereits die zweite Durchführung, mit ebenso positiver Resonanz.
Das Prinzip eines Running Dinners ist einfach: Jeder Gang eines Essens wird an einem anderen Ort eingenommen. In der Regel kochen dabei jeweils zweiköpfige Teams bei sich zuhause entweder eine Vorspeise, einen Hauptgang oder ein Dessert und bewirten damit zwei weitere Teams. Für die übrigen beiden Gänge begeben sie sich selbst dann jeweils zu einem anderen Gastgeberteam, wobei die Zusammensetzung ausgelost wird und in jeder Runde ändert. Somit treffen sich bei jedem Gang sechs Personen.
Vierzig Menschen vernetzt
Eine effiziente Art also, mit neuen Menschen in Kontakt zu kommen. Daran erinnerte sich auch Priska Lorenz, als sie 2019 mit ihrem Partner ins Luzerner Himmelrich zog: «In Zürich hatten wir schon einmal an einem Running Dinner teilgenommen. Das war lässig, aber über die ganze Stadt verteilt und deshalb auch etwas stressig. Sich auf diese Weise aber in einer Siedlung kennenzulernen, wo die Leute frisch eingezogen und die Wege kurz sind, fand ich eine coole Idee.» Lorenz machte deshalb im Intranet einen Aufruf und es bildete sich ein kleines Organisationskomitee. Das hatte dann auch bald alles aufgegleist und die erste Durchführung für den April 2020 organisiert – doch dann kam Corona. Was sämtliche sozialen Aktivitäten erst einmal auf Eis legte.
Schliesslich wurde das OK aber reaktiviert, und 2024 feierte das ABL-eigene Running Dinner in den drei Himmelrich-Siedlungen Premiere. Teilgenommen haben 15 Zweierteams und drei Familien; insgesamt vierzig Menschen haben sich so vernetzt, die sich vorher teilweise noch gar nicht gekannt hatten. Für alle sei es eine bereichernde Erfahrung gewesen, sagt Lorenz: «Es war wirklich super! Man weiss im Voraus ja nicht, wer zu einem in die Wohnung kommt, und ist ein bisschen angespannt. Es war dann aber alles ganz unkompliziert, und ich habe sehr interessante Gesprächsrunden erlebt.» Von Vorteil erwies sich dabei, dass man in der gleichen Genossenschaft und der gleichen Nachbarschaft lebt. «Damit hat man automatisch gemeinsame Themen. Das ist eine gute Gesprächsbasis.» Ebenfalls reizvoll an dem Format findet Lorenz, dass man nicht weiss, was bei den Gastgeber:innen auf den Tisch kommt; Vorgabe bei der ABL war einzig, dass vegetarisch gekocht wird. Alle hätten sich viel Mühe geben und man habe sehr fein gegessen, sagt sie. Zu ihren persönlichen Highlights zählt im Übrigen ein Hauskonzert, das die Tochter von Teilnehmenden für die Gäste gab. «Das war berührend.»

Beim BGS-Ding-Dong bewirtet eine Partei Gäste aus anderen Siedlungen bei sich, später gibt es Gegenbesuche. Die bunt zusammengewürftelte Gruppe hatte viel Spass und hat sich bereits dreimal getroffen.

Einfache Organisation dank Tool
Aufwändig war für das OK zu Beginn vor allem, die Rahmenbedingungen genau zu definieren und einen angemessenen zeitlichen Rahmen zu schaffen. Die eineinhalb Stunden, die pro Gang inklusive Weg einberechnet wurden, haben sich gemäss OK grundsätzlich bewährt, würden aber schon mal als knapp empfunden – vor allem, wenn sich in einer Tischrunde spannende Gespräche entwickelten. Fortgeführt werden konnten diese aber, wie es bei einem Running Dinner üblich ist, bei einem abschliessenden gemeinsamen Schlummertrunk in einer Beiz. Fast alle Teilnehmenden nutzten das Angebot und beteiligten sich am stimmungsvollen Ausklang.
Aufgrund der positiven Rückmeldungen letztes Jahr hat das OK entschieden, den Anlass fortzuführen. Künftig soll er einmal pro Jahr stattfinden. Bei der zweiten Durchführung in diesem April haben 35 Leute in 18 Teams teilgenommen. Nicht zustande gekommen ist allerdings das spezielle Familienformat mit weniger Gängen. Im Übrigen wurde die bewährte Struktur beibehalten, die Organisation aber nochmals vereinfacht: Sie lief vollständig über das nützliche Online-Tool «Run your dinner». Priska Lorenz: «Man muss nur den Event aufsetzen, den Zeitplan definieren und die Anzahl Gänge vorgeben, den Rest erledigt das Programm. Und die Teilnehmenden können sich auch gleich selbst anmelden.» Danach lost das Tool die Gänge und Gäste den Kochteams zu, verwaltet die Informationen über allfällige Allergien und Unverträglichkeiten und stellt die Dinner-Routen für jedes Team zusammen.
Die Feedbacks waren wiederum sehr positiv. Man habe zwar einige «Wiederholungstäter:innen» angetroffen, meint Lorenz, es gab aber auch neue Gesichter. Schön findet sie, dass man sich mit Leuten austauscht, mit denen man sonst kaum in Kontakt kommen würde, auch aus anderen Altersgruppen. «Familien bleiben ja oft ein bisschen unter sich. Beim Running Dinner lernt man auch Menschen mit anderen Lebensrealitäten kennen.» Auch Hansruedi Hitz vom OK zieht im Himmelrich-Blog eine positive Bilanz. Neben den guten Begegnungen hebt er die Vielfalt und Qualität der aufgetischten Gerichte hervor. Sogar die Idee eines grossen Running-Dinner-Kochbuchs sei aufgekommen. Man darf also gespannt sein, wie sich das Himmelrich nachbarschaftlich und kulinarisch weiterentwickelt.
BGS-Ding-Dong
Genauso positiv wie in Luzern beim Running Dinner waren die Erfahrungen der Teilnehmenden beim «BGS-Ding-Dong» in Zürich. Die Baugenossenschaft Sonnengarten (BGS) hat dieses Format 2024 anlässlich ihres 80-Jahre-Jubiläums lanciert, neben weiteren Angeboten zur Pflege von Gemeinschaft und Geselligkeit. Sie wollte damit ermöglichen, dass sich Bewohnende ihrer Siedlungen, die über die Stadt und den Grossraum Zürich verstreut sind, unkompliziert kennenlernen. Die Idee: Mieter:innen öffnen ihre Wohnung und empfangen andere Genossenschafter:innen zum Apéro oder Kaffee und Kuchen; im Gegenzug werden sie dann von ihren Gästen an einem anderen Tag zu einem Gegenbesuch in deren Wohnungen eingeladen. Die BGS übernahm die Triage der Anmeldungen.
«Ich hatte den Aushang gesehen und mich sofort angesprochen gefühlt», sagt Angelika Isler, die mit ihrem Mann und drei Kindern in Zürich Höngg wohnt. Sie mag den Austausch in ihrer Nachbarschaft und fand die Idee toll, sich auch über die Quartiere zu vernetzen. So meldete sie ihre Familie umgehend an. Das gleiche taten eine weitere fünfköpfige Familie sowie ein Paar aus der Triemli-Siedlung und Pia Huber, die allein in einer Überbauung in Dietikon lebt. «Ich wohne erst einige Jahre bei der BGS und kenne die anderen Siedlungen kaum. Das Ding-Dong sah ich als super Möglichkeit, das zu ändern», sagt sie.
Ein Gewinn für alle
Nach einem Vernetzungsmail durch die BGS organisierten sich die Teilnehmenden selbst. Ein erstes Treffen fand in Höngg im Frühling 2024 statt, der Gegenbesuch im Triemli dann Ende August, und im März 2025 reisten alle Zürcher:innen nach Dietikon. Alle sind sich einig: Die Treffen machten grossen Spass, waren kulinarisch toll und sind ein Gewinn. Pia Huber sagt: «Mich hat sehr beeindruckt, dass alle drei Runden so ungezwungen waren, obwohl wir uns vorher nicht gekannt haben, und dass sich sehr interessante Gespräche ergaben.» Angelika Isler fand es schön, dass sich eine so bunte und altersdurchmischte Truppe eingefunden und so gut verstanden hat. «Liebe neue Menschen kennen zu lernen, war wirklich besonders.» Auch die Kinder hätten es spannend gefunden und seien gerne mitgekommen. «Auch wenn zwischendrin Langeweile aufkam, war das kein Problem», sagt sie.
Einziger Wermutstropfen des BGS-Ding-Dongs war die recht tiefe Beteiligung. Zwar wurde das Angebot online und im Mitteilungsblatt beworben und es gab Aushänge in den Häusern, offenbar haben aber viele Mitglieder diese übersehen. Florian Glaser, Projektleiter Siedlungsleben bei der BGS, findet im Nachhinein, man hätte den Vernetzungsanlass wohl besser erklären müssen. «Auch war unsere Siedlungs-App bei der Ausschreibung noch nicht genügend etabliert. Künftig könnten wir das direkter und besser abwickeln», sagt er. Die Genossenschaft möchte jedenfalls das Ding-Dong in dieser oder ähnlicher Form wieder aufgreifen; Glaser hofft, dass die positiven Erfahrungen der ersten Gruppe auch anderen Menschen Lust auf solche Treffen machen. Dass das Format nachhaltig Wirkung entfalten kann, zeigt sich derweil bei den Ding-Dong-Pionier:innen: Sie sind bereits daran, ihr nächstes Treffen für den Herbst aufzugleisen.