Die aktuellen Projekte der gemeinnützigen Bauträger in Winterthur

Die Zukunft ist bunt

Welche Neubauprojekte verfolgen die Baugenossenschaften und anderen gemeinnützigen Bauträger in Winterthur und Umgebung? Unsere Umschau zeigt: Die Vielfalt ist gross. Dabei bieten die Winterthurer Baugenossenschaften nicht nur Wohnungen für die verschiedensten Haushaltformen, sondern auch ein reiches Zusatzangebot und viel Mitbestimmung. Und in einem Fall nutzt man gar den alten Gülletrog zum Heizen.

Von Richard Liechti | Bilder: Christian Allenbach, Kurt Lampart, zVg | November 2020

Mit rund 2200 Wohnungen ist die HGW Heimstätten-Genossenschaft Winterthur die grösste gemeinnützige Bauträgerin in Winterthur und die zehntgrösste der Schweiz. Sie hat zuletzt die Siedlung Oberzelg in Winterthur Sennhof fertiggestellt (siehe Wohnen 11/2019), die wegen ihrer gemeinschaftsfördernden Architektur viel Lob erhalten und jüngst den Architekturpreis Region Winterthur gewonnen hat. Ihren nächsten Neubau plant die HGW in Frauenfeld (TG). Rund hundert Wohnungen entstehen beim Projekt «Generation Wohnen Burgerholz», das verschiedene Generationen ansprechen soll und über ein vielfältiges gemeinschaftliches Angebot verfügen wird. Grundlage für die Ausschreibung eines Studienauftrags war ein Mitwirkungsprozess unter der Frauenfelder Bevölkerung. Im September 2020 hat sich die Jury nun für den Vorschlag von Mantel Architekten AG/ Stefanie Scherrer Architektur, Zürich, entschieden. Er überzeugte insbesondere wegen der Durchmischung mit dem bestehenden Quartier (www.generation-wohnen.ch).
Ein weiteres Grossprojekt der HGW ist die Erneuerung der Siedlung Graben­acker in Winterthur. Dabei gilt es, verschiedene Aspekte unter einen Hut zu bringen: 1944 bis 1947 erbaut, besteht bei den 141 Wohneinheiten erheblicher Erneuerungsbedarf. Die Siedlung gehört aber auch zu den schutzwürdigen Bauten des Kantons Zürich, und die Bewohnerinnen und Bewohner sind stark in ihrem Zuhause verwurzelt. Deshalb startete die HGW 2016 einen Partizipationsprozess, der alle Beteiligten in die Entwicklung der Siedlung einbezog und Grundlage für eine Testplanung und ein Richtprojekt bildete. Seit September 2020 liegt nun der Gestaltungsplan auf. Gleichzeitig arbeitete die kantonale Denkmalpflege die Schutzverordnung und die Inventarentlassung aus. Neben 86 Einfamilienhäusern, die erhalten bleiben, sollen nämlich auch Neubauten entstehen, die der jetzt fehlenden Diversität in der Siedlung Rechnung tragen: Dabei sollen Einfamilienhäuser für Familien ebenso wie kleinere Wohnungen für Paare und Alleinstehende erstellt werden. Rund 125 zusätzliche Wohnungen sind geplant (www.hgw-wohnen.ch/bauen).

Luftaufnahme der HGW-Siedlung Grabenacker. Mit einer Verdichtung sollen rund 125 zusätzliche Wohnungen entstehen; 86 Reihenhäuser bleiben erhalten.

Im Frühjahr 2021 wird das Projekt «Schneckenwiese» der Gaiwo in Seuzach bezugsbereit. Neben 56 altersgerechten Wohnungen umfasst es Spitex, Kinderhort und Kita.

Das jüngste Neubauprojekt der Aktiengesellschaft für Erstellung billiger Wohnhäuser in Winterthur: Die Siedlung Mattenbach mit vier Häusern und 76 Wohnungen ist weitgehend aus vorfabrizierten Holzelementen gefertigt.

Auch die Gemeinnützige Wohnbaugenossenschaft Winterthur (GWG) mit einem Bestand von rund 1300 Wohnungen fällt immer wieder durch innovative Neubauprojekte auf, so etwa die Siedlung Orenberg in Ossingen, die mit ihrer Neuinterpretation ländlichen Bauens nicht nur die Bewohnerinnen und Bewohner, sondern auch die Architektenwelt begeistert. 2021 wird die GWG die Ersatzneubausiedlung «Vogelsang» mit rund 150 Wohnungen fertigstellen. Das Projekt, entworfen vom Zürcher Architekturbüro Knapkiewicz & Fickert, besticht unter anderem durch die ungewohnte Verschachtelung der Häuser, die viele Freiräume offenlässt und spannende Wohnungsgrundrisse ermöglicht. Den Bewohnerinnen und Bewohnern wird die GWG eine Fülle von Zusatznutzungen bieten, darunter nicht alltägliche wie ein Badebrunnen, Fitnessgeräte oder einen Recyclingraum. Bemerkenswert ist auch die – bereits abgeschlossene – Vermietung: Dabei setzte die GWG erstmals auf eine Verlosung. Daran konnte teilnehmen, wer die Grundvoraussetzungen – etwa in Bezug auf die Belegung – erfüllte. Mit den Ausgelosten führte die GWG zwar noch ein persönliches Gespräch, konnte aber in den meisten Fällen den Zuschlag geben (www.vogelsang-winterthur.ch, www.gwg.ch). Gemeinsam mit Gaiwo und Talgut ist die GWG zudem am Projekt «Busdepot Deutweg» beteiligt (siehe Box).
Zu den ältesten gemeinnützigen Bauträgerinnen in der Schweiz zählt die 1872 gegründete Aktiengesellschaft für Erstellung billiger Wohnhäuser in Winterthur. Mit ihrem jüngsten Neubau von 2019 macht sie ihrem Namen alle Ehre. In der Ersatzneubausiedlung Mattenbach (76 Wohnungen) waren moderne Familienwohnungen nämlich schon ab rund 1700 Franken Nettomiete monatlich zu haben. Die günstigen Baukosten sind insbesondere auf die Konstruktion mit vorgefertigten Holzelementen zurückzuführen. Daneben besticht die Anlage mit den vier Mehrfamilienhäusern auch durch die grosszügigen Aussenräume (www.gebw.ch).
Dem Alterswohnen hat sich die Genossenschaft für Alters- und Invalidenwohnungen (Gaiwo) verschrieben. Dank verschiedenen Angeboten und Dienstleistungen können ihre Mieterinnen und Mieter bis ins hohe Alter selbständig leben. Die Gaiwo erstellt regelmässig Neubauten, oft in Zusammenarbeit mit der Stadt, die auch Genossenschaftsmitglied ist. Dieser Tage werden fünfzig Wohnungen im Haus Krokodil in der Lokstadt bezugsbereit, so dass der Gesamtbestand auf gut 700 Wohnungen ansteigt. Zwei weitere Siedlungen werden im Frühjahr 2021 fertig. Die 56 Wohnungen auf der Schneckenwiese in Seuzach sind für die betagte Einwohnerschaft der nördlich von Winterthur gelegenen Gemeinde reserviert. Neben der Spitex werden dort auch ein Hort und eine Kita einziehen. Im Winterthurer Quartier Dättnau werden weitere 31 Wohnungen und ein Café/Restaurant bezugsbereit. Gemeinsam mit GWG und Talgut ist die Gaiwo zudem am Projekt «Busdepot Deutweg» beteiligt – siehe Box (www.gaiwo.ch).

Visualisierung des Projekts Hobelwerk von «mehr als wohnen»: Fünf Neubauten gruppieren sich um die alte Industriehalle und das Hobelwerk (nicht im Bild).

Das Mehrgenerationenhaus Giesserei der Gesewo ist bis über die Landesgrenzen hinaus als Musterprojekt für neue Wohnmodelle bekannt. Den rund 340 Bewohnerinnen und Bewohnern, die das Haus selbst verwalten, stehen eine Reihe gemeinschaftlicher Einrichtungen zur Verfügung. In den verschiedenen Gewerbebetrieben im Haus arbeiten 65 Personen.

Im Weiler Wenzikon hat die WAK Elgg ihren zweiten Neubau errichtet. Die vier Familien, die hier im Oktober 2020 eingezogen sind, teilen sich einen Gemeinschafts-raum, Büro und Garten.

Auf Wachstumskurs ist auch die Gesewo – Genossenschaft für selbstverwaltetes Wohnen. Nach dem Wogeno-Modell arbeitet sie mit Gruppen von Menschen zusammen, die gemeinsam ein Projekt realisieren oder ein Haus erwerben möchten, um selbst dort zu leben und/oder zu arbeiten. Diese Gruppen organisieren sich in Hausvereinen und sind selbst für Hausregeln und einen Teil der Verwaltung verantwortlich. Zu den weiteren Schwerpunkten der Gesewo gehören hohe Anforderungen bei der Nachhaltigkeit. Mit dem Mehrgenerationenhaus Giesserei hat sie 2013 ihr grösstes Neubauprojekt verwirklicht, das inzwischen über die Landesgrenzen hinaus als beispielhaft für neue Wohnformen gilt. Diesen Herbst wird nun das Projekt «EinViertel» in der Lokstadt fertig (www.einviertel-gesewo.ch, www.gesewo.ch).
Als erste Zürcher Baugenossenschaft hat die ASIG vor einigen Jahren eine grosse Wohnsiedlung in Winterthur erstellt. Auch die BEP hat mit dem Erwerb einer Siedlung an die Eulach expandiert. Nun kommen zwei weitere Zürcher Baugenossenschaften mit grossen Projekten hinzu: Die Bahoge erstellt in der östlich von Winterthur gelegenen Gemeinde Els­au einen ganzen Dorfteil. Das Land konnte sie zum grössten Teil von einer Privatfirma erwerben, einen Teil gewährte die Gemeinde im Baurecht. Auf insgesamt gut 23 000 Quadratmetern werden etappenweise rund 150 Wohnungen entstehen. Das Projekt des Frauenfelder Architekturbüros Staufer & Hasler orientiert sich am traditionellen landwirtschaftlichen Gehöft in der Ostschweiz, das verschiedene unterschiedlich dimensionierte Gebäudetypen umfasst und so ein attraktives Gefäss für unterschiedliche Lebensformen bildet. Das Wohnungsangebot ist vielfältig und umfasst neben Gartenwohnungen für Familien oder Maisonnetten auch kleinere «Stöckliwohnungen» oder Cluster für neue Lebensformen (www.bahoge.ch). Nach Winterthur zieht auch die Genossenschaft mehr als wohnen, ein Zusammenschluss von Baugenossenschaften, die 2015 die vielbeachtete Siedlung auf dem Zürcher Hunziker-Areal erstellt hat. Sie hat das Kälin-Areal in Oberwinterthur, ein ehemaliges Hobelwerk, erworben. Auf einer Fläche von gut 15 000 Quadratmetern soll dort ein lebendiges Kleinquartier mit Wohnraum für 400 Personen (170 Wohnungen), vielfältigen Gemeinschaftsangeboten und kulturellen Nutzungen entstehen. Herzstück bildet die alte Industriehalle, in der gemeinschaftliche und kulturelle Aktivitäten stattfinden können. Das alte Hobelwerk mit der Backsteinfassade und schöner Dachkonstruktion bleibt als lokale Identitätsträgerin erhalten. Wie schon die Stammsiedlung wird auch dieses Projekt in «Echoräumen» gemeinsam mit der künftigen Bewohnerschaft entwickelt (www.mehralswohnen.ch/hobelwerk).
Weitere Baugenossenschaften in Winterthur planen kleinere Neubauten: etwa die Genossenschaft Solidus (www.genossenschaft-solidus.ch), die Wohnbaugenossenschaft Waldheim (www.wgw-waldheim.ch) oder die Baugenossenschaft Talgut (www.wbg-talgut.ch). Letztere hat mit den Projekten «Sportparkweg» und «Zwinglistrasse» bereits zwei bemerkenswerte Ersatzneubauten erstellt (siehe Wohnen 11/2018) und ist mit GWG und Gaiwo am Projekt «Busdepot Deutweg» beteiligt (siehe Box). Erwähnt sei auch das letzten Frühling fertiggestellte innovative Altersprojekt der Genossenschaft Zusammenhalt. Ein Unikum ist schliesslich die Genossenschaft WAK (Wohnen, Arbeit und Kultur) Elgg. Sie hat im historischen Städtchen östlich von Winterthur verschiedene, teils wertvolle Häuser erworben und trägt auch mit kulturellen Events zum Stadtleben bei. Soeben hat die WAK ihren zweiten Neubau vollendet. Der «Schwalbenhof» im Weiler Wenzikon trägt nicht nur die Idee des gemeinschaftlichen Wohnens aufs Land, sondern erprobt auch neuste Alternativenergie. Im ehemaligen Gülletrog ist nämlich ein futuristischer «Eisspeicher» untergebracht. Eine Wärmepumpe nutzt dabei die Energie, die beim Gefrieren frei wird (www.wak-elgg.ch).

Busdepot Deutweg: Gemeinschaftsprojekt im städtischen Baurecht

Am Deutweg im Quartier Mattenbach besitzt die Stadt Winterthur ein Busdepot, das sie nicht mehr braucht. Mit 10 000 Quadratmetern Arealfläche handelt es sich um eine der grössten Baulandreserven der Stadt. Uneinigkeit über den Denkmalschutz verzögerte allerdings die Neunutzung. Die Stadt unterlag schliesslich in einem Rechtsstreit. Die Urhalle des Busdepots, das Verwaltungsgebäude sowie der Vorplatz müssen erhalten bleiben. Somit können zwar nur rund 120 Wohnungen erstellt werden, dafür stehen gut 2000 Quadratmeter Gewerbefläche zur Neunutzung bereit.
Das Baurecht für das gesamte Areal haben die drei Baugenossenschaften Gaiwo, GWG und Talgut erhalten. Beim ganzen Planungsprozess werden sie vom spezialisierten Büro Archipel unterstützt. Zunächst lud man die Bevölkerung ein, Vorschläge für die Nutzung der Brachflächen zu machen – «ein Strauss von Ideen» sei aus den verschiedenen Veranstaltungen hervorgegangen. Mit der Überweisung des Gestaltungsplans erreichten die Baugenossenschaften einen weiteren Meilenstein, darf das Areal deshalb doch dichter bebaut werden.
Diesen Frühling erfolgte die Ausschreibung der Gewerbenutzungen in der geschützten Urhalle und des Verwaltungsbaus. Dabei soll ein Ort entstehen, der zu einem Treffpunkt wird und das Quartier belebt. Einen Teil der Gewerbefläche werden die Genossenschaften selber nutzen. Geplant sind etwa Räume fürs Coworking, Basteln, Tauschen oder Musizieren. Zusätzlich werden ein öffentlicher Kindergarten, ein Gemeinschaftsraum und Gästezimmer realisiert. Als externe Nutzungen seien etwa ein niederschwelliger Treffpunkt mit Gastronomieangebot denkbar, ein Depot für regionale Produkte oder Handwerksbetriebe mit Quartiernutzen. Als nächster Schritt wurde im August 2020 ein selektiver Architekturwettbewerb ausgeschrieben, dessen Ergebnis im Frühjahr 2021 vorliegen wird. Der Bau der 120 Genossenschaftswohnungen könnte frühestens ab 2023 erfolgen (www.depot-deutweg.ch).