Photovoltaik und Solarthermie: der aktuelle Stand

Viel Potenzial

Photovoltaik und Solarthermie sind interessante Optionen für die Strom- und Warmwasserproduktion. Die optimale Gestaltung der Anlagen wird zunehmend anspruchsvoll, muss doch neben
technischen und finanziellen Fragen auch die Speicherung mitgedacht werden.

Von Michael Staub | Bilder: Ernst Schweizer AG, arento.ch, Umweltarena Schweiz | Mai/Juni 2020

In den Jahren 2016 bis 2018 knickten die Verkaufszahlen im Solarmarkt deutlich ein. Sowohl bei der Photovoltaik (PV) wie bei der Solarthermie (ST) stagnierten die Geschäfte. Seit 2019 sind die Aussichten nun wieder sonniger geworden. Mehr PV-Anlagen wurden vor allem bei Industrie- und Gewerbebauten, Dienstleistungsgebäuden und Mehrfamilienhäusern realisiert. Der Solarthermiemarkt konnte sich auf tiefem Niveau stabilisieren. «Nach Meinung verschiedener Experten gewinnt auch der Speichermarkt deutlich an Bedeutung», sagt David Stickelberger, Geschäftsleiter des Branchenverbandes Swissolar. Um überschüssigen Solarstrom zu speichern, gibt es inzwischen verschiedene Technologien (siehe Infobox).
Obwohl die allgemeine Solarmarktentwicklung also positiv ist, moniert David Stickelberger eine unerfreuliche Entwicklung: Insbesondere bei Einfamilienhäusern wird die Dachfläche nicht mehr vollständig genutzt, um den Eigenverbrauch zu optimieren. Anders gesagt, werden die Anlagen möglichst knapp dimensioniert, damit der produzierte Strom im Gebäude verbraucht werden kann und nicht an das Elektrizitätswerk verschenkt werden muss. «Dieser unerfreuliche Trend führt immer noch dazu, dass Dächer nur zur Hälfte belegt werden und dann für die nächsten zwanzig bis dreissig Jahre blockiert sind. Diese Entwicklung müssen wir unbedingt ändern», sagt David Stickelberger.

Eigenverbrauch als Treiber
Trotz diesem unerwünschten Effekt ist der seit 2018 mögliche Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV) ein wichtiger Treiber für PV-Projekte. Der ZEV als rechtliches Gefäss erlaubt es, den Solarstrom vom eigenen Dach gemeinsam mit direkt angrenzenden Nachbarn zu nutzen. So kann ein möglichst hoher Teil des PV-Stroms direkt verbraucht werden, statt ihn entweder zu kaum nennenswerten Tarifen ins Stromnetz zu speisen oder in teuren Batterien zu speichern. Seit der Einführung des ZEV profitieren auch viele Baugenossenschaften von dieser Möglichkeit.
Für die ganze Solarbranche ist der ZEV ein interessanter Treiber. Im Rahmen einer Markt­umfrage hat Swissolar zwölf der wichtigsten Anbieter von Mess- und Abrechnungslösungen befragt. 2019 installierten die befragten Firmen rund 400 PV-Anlagen mit ZEV. Dabei entfielen rund siebzig Prozent dieser Anlagen auf Neubauten, im Bestand wurden hingegen nur dreissig Prozent realisiert. Ein Grund dafür ist, dass das bestehende öffentliche Stromnetz nicht für den Zusammenschluss genutzt werden kann und der Bau neuer privater Stromleitungen meist zu teuer ist.

Das Hochhaus in Effretikon (ZH) wurde 2019 umfassend erneuert. Neben einer warm eingepackten Gebäudehülle installierte man an der Ost-, Süd- und Westfasse rund 470 Quadratmeter Solarmodule. Der so produzierte Strom (84 kWp Leistung) wird zum grössten Teil vor Ort verbraucht (Bauträgerin: Pensionskasse der Zürcher Kantonalbank,

Kürzere Wartezeiten bei KEV
Die Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) war lange Zeit das wichtigste Fördermittel für PV-Anlagen. Der grosse Andrang führte jedoch zu einer sehr langen Warteliste. Die KEV wurde 2018 durch Investitionsbeiträge ersetzt. Man unterscheidet zwischen der Einmalvergütung für kleine Anlagen bis 100 kW (KLEIV) und jener für grosse Anlagen (GREIV). Der grosse Andrang führte jedoch auch hier zu Wartezeiten. 2019 konnten nun zahlreiche Gesuche bewilligt werden, und seit Anfang 2020 ist die Wartezeit für Einmalvergütungen kürzer als ein Jahr. Die höhere Geschwindigkeit ist sicherlich positiv. Im Gegenzug wurden jedoch einige Förderbeiträge per 1. April 2020 gesenkt. So beträgt etwa die Grundvergütung bei KLEIV und GREIV noch 1000 statt 1400 Franken. Der Ansatz für die leistungsabhängige Förderung beträgt hingegen immer noch 340 Franken pro Kilowatt.

Interessante Kombinationen
Photovoltaik lässt sich gut mit weiteren erneuerbaren Energieträgern kombinieren. Eine klassische Kombination sind PV-Anlagen und Wärmepumpen. Mit einer Kilowattstunde Solarstrom kann man so drei bis vier Kilowattstunden Wärme erzeugen. Bisher übernahm bei solchen Anlagen meistens der Solarwechselrichter das Kommando: Sobald genügend Solarstrom vorhanden war, wurde die Wärmepumpe eingeschaltet. Spezielle Solar-Manager ermöglichen nun eine feinere Steuerung. Wenn zum Beispiel die flache Morgensonne noch nicht für die Wärmepumpe reicht, aber bereits Strom erzeugt, kann dieser den Elektroeinsatz im Warmwasserspeicher speisen. So wird das Warmwasser bereits vorerwärmt und auch der «geringe» Solarertrag sinnvoll genutzt.
Eher im Schatten der PV-Wärmepumpen-Kombi steht derzeit die Solarthermie. Sie gilt als anspruchsvoll, weil die Solarwärmekollektoren hydraulisch ins Heizsystem eingebunden werden müssen. Dafür ernten solche Anlagen oft überraschende Energiemengen. Für die Montage auf dem Steildach werden Flachkollektoren verwendet, bei Flachdächern können auch Vakuumröhrenkollektoren eingesetzt werden. Bei dieser Bauart liegen die Glasröhren flach auf dem Dach, der darin befindliche Solarwärmekollektor wird mittels Drehung auf den genau richtigen Winkel zur Sonne ausgerichtet. Die Lebensdauer einer modernen Anlage wird auf ungefähr 20 Jahre veranschlagt.
Interessant sind Solarthermiemodule auch bei Heizungssanierungen im Bestand. Die aktuellen Mustervorschriften der Kantone für den Energiebereich (MuKEn) verlangen nämlich, dass beim fossilen Heizungsersatz entweder die Dämmung verbessert oder ein fester Prozentsatz erneuerbarer Energie geerntet wird. Für Baugenossenschaften, die ihre Liegenschaften nicht mit Neubauten ersetzen wollen und anstelle der fossilen Heizung weder Wärmepumpen noch Fernwärme nutzen können oder wollen, ist die Solarthermie damit ein möglicher Ausweg.

Die Umwelt Arena Schweiz realisierte in Opfikon (ZH) eine Mustersanierung mit einer Solarfassade, die auch ästhetisch überzeugt. Das Haus liefert 14 000 kWh Solarstrom pro Jahr, was etwa dem Verbrauch von fünf Haushalten entspricht.

Runter vom Dach
Der historisch gewachsene Standort für PV oder Solarthermie ist seit je das Dach. Damit die Schweiz ihr PV-Leistungspotenzial ausschöpfen kann, werden die Dachflächen aber nicht genügen. Mit fassadenintegrierten PV-Anlagen (Building Integrated Photovoltaics, BIPV), können zusätzliche Flächen genutzt werden. Dank der hohen Wirkungsgrade moderner PV-Module erzeugen BIPV auch bei tief stehender Sonne oder diffusen Lichtverhältnissen annehmbare Strommengen. Ein weiterer Vorteil: Anders als bei dachmontierten Anlagen entsteht die Produktionsspitze (Peak) nicht automatisch um die Mittagszeit, wenn die Sonne im Zenit steht, und die Wintererträge sind dank dem flachen Sonnenstand vergleichsweise hoch. BIPV eignet sich sowohl für Neubauten wie Sanierungen (siehe auch Wohnen 4/2017). Während der ästhetische Fokus häufig auf möglichst gut integrierbaren Lösungen für den Neubau liegt, können mit BIPV auch Bestandesbauten ertüchtigt werden.
Bedeutsam ist die Nutzung der Fassaden im Zug der Energiewende. Die Forscherinnen und Forscher des NFP Energie schätzen, dass die bestehende PV-Leistung der Schweiz bis 2050 knapp verdoppelt werden kann. Swissolar will deutlich mehr, nämlich eine Zunahme um den Faktor 25. Dies entspricht einer Gesamt-PV-Leistung von 50 Gigawatt und kann nach Einschätzung von Swissolar weitgehend auf bestehenden Dächern und Fassaden installiert
werden. Allenfalls braucht es hier auch ein Um­denken bei Baugenossenschaften: Aus Sicht des Gesamtsystems sind nicht nur Ersatzneubauten mit «State of the Art»-Technik wichtig, sondern auch die bessere Ausnützung und Ertüchtigung der zahlreichen Bestandesbauten. Anders gesagt: Eine schlechte Bausubstanz oder ein hoher Energiebedarf können allenfalls auch mit vermehrter PV- oder Warmwasserproduktion abgefedert werden.

Virale Ungewissheit
Wie die ganze Wirtschaft steht auch die Solarbranche im Zeichen der Corona-Krise. Zwar ist die Produktion in China, dem wichtigsten Herstellerland zahlreicher Komponenten, nach langer Pause wieder angelaufen. An PV-Modulen und Kollektoren sollte es also nicht mangeln. Anspruchsvoll dürfte jedoch die Planung und Umsetzung von solaren Bauprojekten werden. Wie die Erfahrung der letzten Wochen zeigt, lassen sich erstaunlich viele Sitzungen als Videokonferenz abhalten. Schwieriger geworden sind jedoch Begehungen, Augenscheine und natürlich die konkreten Baumassnahmen. Die Hygiene- und Abstandsregeln auf der Baustelle umzusetzen, verlangt viel Einfallsreichtum und Konsequenz, bei Verstössen droht in manchen Kantonen eine sofortige Schliessung. Inwiefern die Solarbranche, der ohnehin Fachkräfte fehlen, auch von Krankheitsabsenzen betroffen ist, muss sich noch zeigen.
Keine Nachteile für solare Projekte sind hingegen bei der Finanzierung zu befürchten. Wer Einmalvergütungen beanspruchen will, kann dies weiterhin tun. Sofern es Corona-bedingte Verzögerungen oder Projektpausen gibt und diese klar dokumentiert werden, erhalten die Betreiber trotzdem eine Vergütung nach dem bisherigen Stand. In diesem Fall wird von der zuständigen Agentur Pronovo ein fiktives Inbetriebnahmedatum im März verwendet.

Fokus Mehrfamilienhaus

Für Baugenossenschaften, die Solarenergie verstärkt nutzen wollen,
gibt es verschiedene interessante Möglichkeiten.

Neubauten:

  • vollflächige PV-Anlage für Strom (maximaler Ertrag)
  • kombinierte Nutzung PV/Solar­thermie (optimierter Ertrag)
  • «Energiegründach» (extensive Begrünung und PV)
  • fassadenintegrierte PV (vollflächig oder z. B. nur Balkonbrüstungen)
  • Aufbau eines ZEV, der mehrere Gebäude umfasst

Bestandesbauten:

  • PV-Nachrüstung mit Aufdach- oder Indachanlage
  • Nachrüstung Solarthermie
  • Aufbau eines ZEV für ein einzelnes Mehrfamilienhaus

Förderung
Anstelle der früher üblichen KEV können als Fördermittel leistungs­abhängige Einmalvergütungen beantragt werden. Es gibt die Einmalver­gütung für kleine Photovoltaikanlagen (KLEIV, Anlagen mit einer Leistung von 2 bis 99,9 kWp) und die Einmalver­gütung für grosse Photovoltaikanlagen (GREIV, Anlagen mit einer Leistung von 100 kWp bis 50 MWp). Informationen und Beantragung via www.pronovo.ch

Für die Förderung von solarthermischen Anlagen sind die Kantone zuständig. Einen guten Überblick der kantonalen und kommunalen Fördermittel bietet www.energiefranken.ch.

Solarstrom speichern: verschiedene Optionen

Um solaren Überschussstrom zu speichern, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die bekannten Batteriespeicher eignen sich für die kurzfristige Speicherung. Ihre Kosten sind jedoch relativ hoch (Faustregel: 1000 Franken pro Kilowattstunde Speicherleistung), und ihre effektive Lebensdauer ist wegen der noch jungen Technologie schwierig abzuschätzen. Die Verwandlung von Strom in Wasserstoff oder Methan mittels Elektrolyse ist eine weitere Möglichkeit. Solche «Power to Gas»-Anlagen wurden bisher aber nur in grösseren Energieverbünden wie etwa dem Hybridwerk Aarmatt (Regio Energie Solothurn) oder aber Leuchtturmprojekten verbaut (energieautarkes Mehrfamilienhaus in Brütten ZH). Eine dritte Variante ist das Nutzen von Elektrofahrzeugen als Pufferspeicher. Überschüssiger Strom wird dabei in den Fahrzeugbatterien gespeichert und bei Engpässen im Netz teilweise bezogen. Der Strom fliesst also in beide Richtungen, weshalb man von bidirektionalen Ladestationen spricht. Solche kommen nun langsam auf den Markt, etwa mit dem «Power Manager», der Ladestation zum seit Anfang 2020 erhältlichen Modell «E» von Honda.