Ueli Keller über den Wachstumskurs und die Sanierungsstrategie der Stiftung PWG

«Viele Eigentümer handeln aus sozialer Verpflichtung»

Die Stiftung PWG zur Erhaltung von preisgünstigen Wohn- und Gewerbe­räumen der Stadt Zürich ist eine Erfolgsgeschichte. Seit 1990 hat sie rund 140 Objekte mit 1600 Wohnungen und 300 Gewerberäumen erworben. Wie sie es schafft, auf dem umkämpften Zürcher Wohnungsmarkt zum Zug zu kommen, erklärt Stiftungsratspräsident Ueli Keller. Und er weiss, wieso die Stiftung PWG trotz staatlicher Unterstützung kaum angefeindet wird.

Interview: Richard Liechti | Bild: Ralph Hut | April 2018

Wohnen: Die Entstehung der Stiftung PWG reicht bis in die 1980er-Jahre zurück. Sie waren schon damals dabei, sassen später im Stiftungsrat und wirken seit 2013 als Präsident. Welcher Wind wehte auf dem Stadtzürcher Wohnungsmarkt?

Ueli Keller: Es war die Zeit der Wohnungsnotbewegung, die sich aktiv gegen die Immobilienspekulation wehrte. Dabei gab es auch Gruppierungen, die versuchten, gemeinsam einzelne Häuser zu kaufen, und sich als selbstverwaltete Genossenschaften organisierten – ich war selbst bei einer dabei. Es zeigte sich aber bald, dass die Wirkung dieser Kleingenossenschaften beschränkt bleiben würde. In diese Zeit fällt deshalb die Gründung der Wogeno als grössere ­Organisation, die Häuser erwirbt und selbstverwaltet betreibt. Und es entstand die Idee, dass die Stadt eine öffentlich-rechtliche Stiftung gründet, die systematisch Liegenschaften von Eigentümern erwirbt, die nicht ein Maximum an Profit herausholen wollen und ein Interesse daran haben, wie ihre Liegenschaft inskünftig bewirtschaftet wird.

Damals herrschten in Zürich bürgerliche Mehrheiten. Wie haben Sie die notwenige ­Zustimmung gefunden?

Die SP lancierte 1985 eine Volksinitiative, wobei es vor allem die Kleingenossenschaften waren, die sich im Abstimmungskampf engagierten – und notabene der Schweizerische Verband für Wohnungswesen, wie Wohnbaugenossenschaften Schweiz damals hiess. Wir gewannen knapp, aber wir gewannen! Trotzdem versuchte die ­politische Gegenseite während Jahren, das Vorhaben zu vereiteln. Man musste bis vor Bundesgericht, um zu klären, dass eine solche Stiftung im Rahmen des damaligen Gemeindegesetzes möglich war.

1990 konnte man endlich zur Stiftungsgründung schreiten. Ganz kurz: Welchen Zweck verfolgt die PWG?

Unser recht ausführlicher Name – Stiftung zur Erhaltung von preisgünstigen Wohn- und Gewerberäumen der Stadt Zürich – erklärt den Zweck schon recht präzis. Wir wollen Häuser, die zum Verkauf kommen, erwerben und der Spekulation entziehen, allenfalls aber auch selber bauen. Wichtig ist sicher auch, dass die Stiftung direkt dem Gemeinderat untersteht. Er wählt den Stiftungsrat, legt die Statuten fest und nimmt die Rechnung ab. Im Gegensatz zu anderen städtischen Stiftungen, die von den Stadträten eher wie Dienstabteilungen geführt werden, sind wir deshalb eigenständiger unterwegs.

Woher das Geld? Um auf dem teuren Zürcher Wohnungsmarkt agieren zu können, braucht es Kapital.

Die Stiftung startete mit einem Kapital von 50 Millionen Franken, das unterdessen auf fast 160 Millionen vermehrt werden konnte. Heute verfügen wir zudem über das Instrument der Abschreibungsbeiträge. Es war bereits in den Statuten enthalten, kommt aber erst dank einer Motion der damaligen Gemeinderäte Jacque­line Badran und André Odermatt regelmässig zum Tragen. Diese Beiträge sind auf maximal drei Millionen Franken jährlich begrenzt.

Wie funktionieren diese Abschreibungs­beiträge?

Wollen wir eine Liegenschaft erwerben, die wir uns eigentlich nicht leisten können, obwohl damit preiswerte Wohnungen erhalten bleiben, können wir einen Antrag an den Stadtrat für einen Abschreibungsbeitrag stellen, und zwar in der Höhe von 10 bis 15 Prozent des Kaufpreises. Damit können wir einen höheren Preis bieten. Der Abschreibungsbeitrag stellt aber auch sicher, dass wir unser Eigenkapital mindestens in der Höhe des hypothekarischen Referenzzinssatzes – derzeit 1,5 Prozent – verzinsen können. Denn schliesslich müssen wir unser Wachstum aus dem Eigenkapital finanzieren.

Die Stiftung PWG ist kontinuierlich gewachsen. Dabei fällt auf, dass Sie vor allem Einzelliegenschaften erwerben, darunter viele ­typische Stadthäuser in den Kreisen 4 und 5.

Unser Bestand verteilt sich über die ganze Stadt, es gibt auch keine Schwerpunkte bezüglich Bauzeit oder Nutzungsmix. Wer auf dem Zürcher Immobilienmarkt aktiv ist, kann nicht wählerisch sein! Unser Ziel, jährlich durch Akquisi­tionen und Neubauten um ein Volumen von 30 bis 50 Millionen Franken zu wach­sen, haben wir in den letzten Jahren erreicht.


"Wir wollen Häuser der Spekulation entziehen"


Oft entscheiden sich Eigen­tümer bei einem Verkauf explizit für die Stiftung PWG. Welche Gründe haben sie? Wie gross ist das Entgegenkommen?

Diese Eigentümer handeln aus einer sozialen Verpflich­tung heraus, sei es gegenüber den bestehenden Mietern oder etwa den Eltern, die ihnen die Liegenschaft vererbt haben. Vergünstigungen gibt es deshalb längst nicht immer. Im vergangenen Jahr konnten wir fünf Objekte von solchen ­Eigentümern erwerben, viermal davon in Konkurrenz mit Mitbewerbern. In zwei Fällen bezahlten wir den gleichen Preis wie das höchste Angebot, in den zwei anderen gab es auch Interessenten, die mehr boten.

Die gemeinnützigen Bauträger sind sich nicht einig, ob man auf dem teuren Zürcher Wohnungsmarkt mitbieten soll. Einerseits trägt man dazu bei, dass die Preise weiter steigen, anderseits hat man dann teure Wohnungen im Portefeuille. Gibt es auch bei der Stiftung PWG eine preisliche Schmerzgrenze?

Die gibt es ganz bestimmt. Das zeigt nur schon die Durchschnittsmiete bei der Stiftung PWG, die mit 201 Franken pro Quadratmeter und Jahr deutlich unter dem Markt liegt. Wichtig ist auch das Prinzip, dass die bishe­rigen Mieter zu gleichen Konditionen im Haus ver­bleiben können. Gerade dort, wo wir Abschreibungsbeiträge von der Stadt erhalten, achten wir darauf, nicht preistreibend zu wirken. Wir stellen übrigens auch immer wieder fest, dass Baugenossenschaften höhere Preise bezahlen als wir. Während wir bei Mietzinsanpassungen an das Mietrecht gebunden sind, besitzen sie über die Genossenschaftsmitgliedschaft andere Möglichkeiten.

Auch Baugenossenschaften wollen vermehrt über Zukäufe wachsen. Kommt es zu Konkurrenzsituationen?

Wir achten darauf, dass wir nicht in Arrondierungsbereichen von Genossenschaftssiedlungen aktiv werden. Das klären wir vorher ab und machen Genossenschaften auch auf Kaufge­legenheiten in ihrem Umfeld aufmerksam. Sie sind bei Zukäufen aber oft zurückhaltend, weil der Aufwand für die Pflege mehrerer Einzelliegenschaften viel grösser ist als die Verwaltung ganzer Siedlungen.

Kommen wir zu unserem Heftthema: der Erneuerung von Bestandesliegenschaften. Die Stiftung PWG besitzt fast durchwegs Altbauten. Welche Strategie verfolgen Sie?

Bei unserem Immobilienbestand – 144 höchst heterogene Liegenschaften an 144 unterschiedlichen Standorten – muss man beim Gebäudeunterhalt in der Tat genau hinschauen, umso mehr als wir die Häuser in ganz unterschiedlichem Zustand erwerben. Wir haben den Erneuerungs­bedarf systematisch aufgearbeitet, führen eine detaillierte Liste für die nächsten fünfzig Jahre, was wann und wo an die Reihe kommt. Selbstverständlich berück­sich­tigen wir bei dieser Planung auch die Ausnützungsreserven. So plant die Stiftung PWG derzeit erstmals in ihrer Geschichte Ersatzneubauten.

Eine Sanierung ist irgendwann unumgänglich – und sie führt fast durchwegs dazu, dass die Mieten stark ansteigen. Was unternehmen Sie, damit auch renovierte Wohnungen günstig bleiben?

Die Stiftung PWG sollte jedes Jahr vier bis fünf umfassende Erneuerungen durchführen. Sicher warten wir damit länger zu als andere. Dies kann allerdings dazu führen, dass Wohnungen in einem Zustand sind, in dem man nicht mehr sanft sanieren kann. Vom Standard her ist es so, dass es bei uns nicht in jeder Wohnung einen Geschirrspüler oder einen Anschluss für den Waschturm im Badezimmer braucht.

Sie verfolgen derzeit gleich fünf Neubauprojekte. Wie sind Sie an das Bauland gekommen?

Alle Projekte sind aus Zukäufen von Häusern entstanden, die Ausnützungsreserven besitzen. Dort erstellten wir nun Ersatzneubauten oder Ergänzungsbauten.


"Wir warten mit Sanierungen länger zu"


Wie erreichen Sie im Neubau bezahlbare ­Mieten? Bei den Baukosten lässt sich nur schwer sparen.

Tatsächlich sagen die Baukosten im Neubau noch nichts über die Höhe des Mietzinses. Der Anteil der Landkosten ist dabei ein wesentlicher Faktor. Die relativ junge Stiftung PWG ist hier ­gegenüber traditionellen Baugenossenschaften im Nachteil. Wir haben aber versucht, Pro­jekte mit flächeneffizienten, vielfältig nutzbaren Grundrissen auszuwählen. Wenn eine Viereinhalbzimmerwohnung mit neunzig oder noch weniger Quadratmetern auskommt, reduziert dies die Baukosten pro Wohnung. Wir achten auch darauf, bei der Haustechnik nicht zu überborden, oder verzichten auf teure Küchenmöbel. Bei ­einer langfristigen Ausrichtung lässt sich bei der Innenausstattung aber nur wenig einsparen.

Wenn in Zürich eine halbwegs bezahlbare Wohnung ausgeschrieben wird, bilden sich lange Schlangen. Gleichzeitig steht der gemeinnützige Wohnungsbau einmal mehr in der Kritik, weil angeblich die falschen Leute die preiswerten Wohnungen belegen. Wie geht die Stiftung PWG bei der Auswahl der Mieterschaft vor?

Wenn wir eine Liegenschaft kaufen, haben wir zunächst keinen Einfluss darauf, wer dort wohnt. Dies ändert sich erst, wenn Wohnungen frei werden. Dann berücksichtigen wir die finanzielle Situation der Interessenten, auch müssen unsere Belegungsvorschriften – Zimmerzahl minus eins gleich minimale Bewohnerzahl – erfüllt werden. Und wir vermieten fünf bis zehn Prozent aller Wohnungen an soziale Organisationen wie Domicil oder das Jugendwohnnetz.

Die Stiftung PWG bietet seit je auch Gewerbeflächen an. Darunter findet sich ein ausser­gewöhnliches Projekt: die Nutzung der Bögen eines alten Bahnviadukts im Kreis 5. Dort sind eine Markthalle und eine Vielzahl von Läden und Lokalen entstanden. Viele meinten: «Das funktioniert nicht», liegt der Viadukt doch etwas abseits in einem ehemaligen Arbeiterquartier. Welche Erfahrungen machen Sie?

Flächenmässig macht der Gewerbeanteil bei der Stiftung PWG mehr als einen Viertel aus. Dabei gibt es natürlich ganz unterschiedliche Ausrichtungen. Wir besitzen auch reine Gewerbehäuser, wo etwa Autokarosserien oder Baugeschäfte angesiedelt sind. Im Falle des Viadukts handelt es sich vor allem um Detailhandel – und der hat ­wegen des Auslandeinkaufs und des Internethandels fast überall Probleme. Im Viadukt sind jedoch alle Lo­kale vermietet. Wir können also ­davon ausgehen, dass die einzelnen Betreiber ­zufrieden sind.

Haben Sie Konzessionen ­gemacht, um bestimmte Läden oder Lokale anzusiedeln, wie dies manche ­Baugenossenschaften getan haben? Etwa dass man ­Zinsreduktionen gewährt oder die Miete an den ­Umsatz koppelt?

Nein, wir haben Festmieten. Sicher achten wir auf den Quartiernutzen. Leider ist es aber nicht möglich, Tante-Emma-Läden anzusiedeln – auch die Quartierbevölkerung kauft nicht mehr in solchen Geschäften ein. Wir gehen aber davon aus, dass sich das Umfeld weiter verändern wird, etwa beim Bahnhof Hardbrücke oder durch die Aufhebung der Keh­richt­ver­brennungsan­lage Josefstrasse, so dass die Lauf­kundschaft zunimmt.

Im jüngsten Wahlkampf um den Stadtzürcher Gemeinde- und Stadtrat hat die bürgerliche Seite einmal mehr den gemeinnützigen Wohnungsbau ins Visier genommen. Die Stiftung PWG blieb verschont, obwohl sie direkt von staatlicher Hilfe profitiert, was der Rechten sonst ein Dorn im Auge ist.

Dass die Stiftung PWG nicht zum Feindbild taugt, mag damit zu tun haben, dass alle Parteien im Stiftungsrat vertreten sind. Zudem bieten wir eben auch günstige Räume für das lokale Gewerbe an, was auf bürgerlicher Seite ebenfalls Sympathien einbringt.

Die Stiftung PWG wird als Modell oft gelobt, gerade wieder in der Studie «Regionale An­sätze zur Förderung des gemeinnützigen ­Wohnungsbaus», herausgegeben vom Bundesamt für Wohnungswesen. Mit der Schaffung solcher Instrumente könnten die Gemeinden dafür sorgen, dass günstiger Wohnraum erhalten bleibt, heisst es dort. Trotzdem ist die Stiftung PWG bis jetzt kaum kopiert worden.

Einzig in Baden ist vor einigen Jahren eine ähnliche Organisation gegründet worden. In Basel hingegen sind die Bemühungen um eine Gründung gescheitert, in Zug ist anfängliches Interesse verpufft. Die kommunalen Stiftungen in der Westschweiz kümmern sich eher um den Sozialwohnungsbau. Wir aber wollen bezahlbaren Wohnraum für alle schaffen, die hier leben.

Wie weit kann eine Stiftung PWG die Probleme auf dem Wohnungsmarkt entschärfen?

Mengenmässig macht unser Bestand weniger als ein Prozent aller Wohnungen in der Stadt ­Zürich aus. Ich sehe die Stiftung PWG eher als ein Instrument unter vielen, um den Anteil des gemeinnützigen Wohnungsbaus auf einen Drittel zu steigern, wie dies das Stadtzürcher Stimmvolk bestimmt hat. Modellhaft sind wir aber auch aus einem anderen Grund: In der heutigen Situation, wo wir auf eine Siedlungsverdichtung nach innen statt auf den Neubau auf der grü­nen Wiese setzen müssen, wird der Erwerb von Bestandesliegenschaften eine der wichtigen Wachs­tumsmöglichkeiten des gemeinnützigen Wohnungsbaus.

Stiftung PWG: die Eckdaten

– Gründungsjahr: 1990
– Mitarbeitende Geschäftsstelle: 23
– Liegenschaften: 144
– Wohnungen: 1641
– Gewerbe: 307/35 405 m²
– Anlagevermögen: 676 Mio. CHF
– Eigenkapital: 160 Mio. CHF
– Alles Weitere unter www.pwg.ch