Interview mit dem Genossenschaftsexperten Peter Schmid

«Wir sollten jede Chance ergreifen»

Die Baugenossenschaften bauen wieder. Im neuen Jahrtausend sind viele aktiv geworden, die Zahl der Neubauten steigt. Doch dies reicht nicht aus, um den Marktanteil zu halten. Wie kann der gemeinnützige Wohnungsbau künftig weiterwachsen? Was muss in der Politik passieren, im Verband und vor allem bei den Genossenschaften selbst? Die Antworten gibt Peter Schmid, der selbst massgeblich zum Erfolg der letzten Jahre beigetragen hat.

Interview: Richard Liechti | Bilder: René Rötheli, Lucas Ziegler, zVg | August 2021

Wohnen: Vor fast genau zwanzig Jahren durfte ich an der Einweihung der ABZ-Siedlung Regina-Kägi-Hof dabei sein. Sie galt als Sinnbild, ja als Fanal für das Wiedererstarken der Baugenossenschaften in Zürich. Du warst zu jener Zeit Präsident der ABZ und direkt an dieser Entwicklung beteiligt.

Peter Schmid: Wir haben damals in der Stadt Zürich tatsächlich einen Aufbruch erlebt, der allerdings schon einige Jahre früher eingesetzt hatte. In den 1990er-Jahren begann ich, mich beim Regionalverband Zürich zu engagieren. Da stellten wir fest, dass sich die Baugenossenschaften teils schlichtweg nicht kannten, und fingen damit an, die Vernetzung untereinander intensiv zu fördern. Neben dem Regina-Kägi-Hof war es dann vor allem die experimentelle Siedlung Kraftwerk1, die einen wichtigen Impuls gab und den anderen zeigte: Wir machen weiter! Die Stimmung war ein wenig «back to the roots», zu den früheren Werten wie Selbsthilfe, Gemeinschaft und gesellschaftliche Verantwortung mit der Ökologie als neuem Thema.

Wo ortest du die Gründe für den Aufschwung?

Ein Hauptgrund war natürlich die Wohnungsnot. Die Stadt Zürich startete ihr Programm «10 000 Wohnungen in 10 Jahren». Man merkte: Es braucht mehr gemeinnützigen Wohnungsbau, auch für den Mittelstand. Zudem wurden verschiedene Industrieareale zur Umnutzung frei. Und ganz wichtig: Bei den Baugenossenschaften veränderte sich in dieser Zeit quasi das kollektive Bewusstsein. Sie erkannten, dass sie sich um ihren Bestand kümmern und die Erneuerung anpacken mussten. Und dies war eine Zeit, als man beim Wort «Ersatzneubau» fast gelyncht wurde! Heute haben wohl alle grösseren Genossenschaften in Zürich solche Erneuerungsprozesse hinter sich. Rückblickend darf man festhalten: Wir haben es geschafft, das drohende Absinken der Baugenossenschaften in die Bedeutungslosigkeit zu verhindern. Aber jetzt reden wir nur von Zürich.

Anderswo dauert es länger.

Die Restschweiz war damals, überspitzt gesagt, noch im Tiefschlaf. Nur in der Romandie war man auch damals recht aktiv. Inzwischen ist der Funke auf die anderen Städte übergesprungen, aber noch in viel geringerem Masse. Und wenn du die regionale Verteilung anschaust, wirst du feststellen, dass die Baugenossenschaften vor allem in den Zentren stark sind und viele Regionen bis heute weisse Flecken sind.

Peter Schmid (62) ist Ökonom und Executive MBA in NPO Management. Als selbständiger Berater hat er sich auf den Bereich gemeinnützigen Wohnungsbau und auf Non-Profit-Unternehmen spezialisiert. In einer Reihe von Ämtern und Mandaten engagiert er sich seit dreissig Jahren für den gemeinnützigen Wohnungsbau. Seine wichtigsten aktuellen Funktionen: Präsident der Logis Suisse AG, der Baugenossenschaft «mehr als wohnen» und der Habitat 8000 AG, Vizepräsident des Dachverbands Wohnbaugenossenschaften Schweiz, Verwaltungsratspräsident der Terra Schweiz AG und der Habitare Schweiz AG.

Welche Rolle spielte die Wohnbauförderung? Bis in die 1990er-Jahre war das nationale Fördergesetz WEG ein wichtiger Treiber für den genossenschaftlichen Neubau.

Eine Zeitlang war es wegen der Preishausse tatsächlich fast nur mit dem WEG möglich, Land oder Wohnungen zu kaufen. Genutzt haben dies aber eher ländliche Baugenossenschaften oder eine Logis Suisse und Habitat 8000, die eigens dafür gegründet wurden, zu mehr gemeinnützigem Wohnungsbau beizutragen. Die Baugenossenschaften in Zürich empfanden das Fördersystem mit den Rückzahlungen dagegen als ungewohnt. Generell hat die Wohnbauförderung beim Bund seit den 1970er-Jahren kontinuierlich abgenommen. Auch kantonal sind keine Fördergesetze mehr entstanden. Ja, der gemeinnützige Wohnungsbau erlebte sogar Widerstand, da der Neoliberalisierungs- und Kommerzialisierungstrend in der Immobilienwirtschaft zunahm.

In den letzten Jahren hat eine erfreuliche Kehrtwende eingesetzt. Fast alle grösseren Städte setzen wieder auf den gemeinnützigen Wohnungsbau. Bern oder Basel haben ambitiöse Förderprogramme aufgelegt, in Lausanne und Genf wird emsig an genossenschaftlichen «Ecoquartiers» gebaut.

Wenn man die Entwicklung des gemeinnützigen Wohnungsbaus historisch betrachtet, wird eines klar: je höher der Leidensdruck, desto grösser die Chancen für die Baugenossenschaften. Und der Leidensdruck hat mit den steigenden Mieten und den daraus resultierenden Verdrängungseffekten in den Kernstädten deutlich zugenommen. In Zürich ist das gut zu beobachten: Das durchschnittliche Bildungsniveau steigt dort kontinuierlich an – das deutet auf Segregation hin. Kein Wunder bei den Landpreisen, die hier explodiert sind.

Und die Städte sind nach links gerückt.

Ja, auch dadurch hat sich das Bewusstsein verändert. Und sicher hat die Wiederentdeckung des gemeinnützigen Wohnungsbaus auch mit der aktiveren Rolle unserer Regionalverbände zu tun, etwa in Basel oder Bern. Sie haben sich professionalisiert und vernetzt und sind politisch aktiver geworden.

Auch in der öffentlichen Wahrnehmung ist etwas passiert. Noch vor zwanzig Jahren ging das Wort «Baugenossenschaft» oft mit dem Adjektiv «verschlafen» einher. Heute gelten die Genossenschaften wieder als die grossen Innovatorinnen.

Die sogenannten Leuchtturmprojekte haben sicher dazu beigetragen, Öffentlichkeit zu generieren. Ich staune immer wieder, wie oft ich in der Fachwelt auf die Genossenschaft «mehr als wohnen» angesprochen werde – sogar wenn ich mich nicht als deren Präsident oute. Ich denke, wir sind heute die Branche mit der grössten Innovationskraft auf dem Immobilienmarkt. Das hängt mit unserem System, unserem Businessmodell zusammen. Wir müssen keine maximalen Renditen erzielen und haben dadurch Spielraum, um langfristig zu denken.

Das Projekt Hunziker-Areal ist aus einem Zusammenschluss von Baugenossenschaften entstanden. Die Siedlung der Genossenschaft «mehr als wohnen» gilt heute weit über die Landesgrenzen hinaus als beispielhaft. Im Bild Kinder beim Mitmachen der Aussenraumgestaltung .

Verändert haben sich aber auch die Baugenossenschaften selbst. Ich stelle eine Verjüngung fest, der Frauenanteil in den Vorständen ist klar gestiegen. Dabei höre ich unterschiedliche Stimmen: Die einen bestätigen, dass eine neue, aktive Generation von Genossenschafterinnen und Genossenschaftern herangewachsen ist, die anderen klagen immer noch über fehlendes Interesse seitens der Mitglieder.

Schon immer stand die günstige Miete im Vordergrund, um Genossenschafterin oder Genossenschafter zu werden. Genossenschaften waren lange inaktiv und daher auch nicht attraktiv. Ist eine Genossenschaft dagegen aktiv, packt auch Neubauprojekte an und lässt ihre Mitglieder partizipieren, engagieren sich diese, da sie etwas verändern und gestalten können. Probleme mit dem Nachwuchs haben diejenigen, die sich nicht weiterentwickeln und überalterte Vorstände haben. Da muss vielerorts tatsächlich noch ein Umdenken stattfinden. Und die Professionalisierung wirkt sich dann rasch auf das Durchschnittsalter und auch den Frauenanteil aus.

Der Ersatzneubau als Treiber für das Wachstum scheint in Zürich abzuebben. In anderen Städten werden zwar auch erste Siedlungen abgebrochen und neu gebaut, aber viel ­weniger.

Wir haben in der Stadt Zürich eine Ersatzneubauwelle erlebt, die insbesondere wegen des hiesigen Mietzinsreglements möglich wurde. Dieses erlaubt es den Baugenossenschaften, genug Rückstellungen für die Erneuerung zu bilden. Das ist einer der grossen Erfolgsfaktoren. Allerdings muss man sehen: Das Ersatzpotenzial ist irgendwann verschossen. Eine Untersuchung des Regionalverbands Zürich zeigte 2015 klar: Der Ersatzneubau genügt auch in der Stadt Zürich nicht, um den Marktanteil zu halten. Schwierig ist die Erneuerung dort, wo es viele kleinere und «Ein-Siedlungs-Genossenschaften» gibt. Diese können ihre Mitglieder nicht umsiedeln, oft sind die Wohnungen zu billig, und man hat zu wenig Rückstellungen gebildet. So steckt man in der «Mitgliederfalle»: Die Mitglieder wollen ihre günstigen Wohnungen erhalten und lehnen eine Erneuerung ab. Da der Anteil grösserer Baugenossenschaften ausserhalb von Zürich relativ klein ist, wird die Ersatzneubauwelle deshalb nur verzögert und in beschränktem Ausmass weitergehen.

Ein Hauptproblem ist und bleibt das knappe und teure Bauland. In den Zentren steigen die Preise ins Uferlose, an weniger guten ­Lagen dagegen drohen Leerstände. Wie ­sollen sich kaufwillige Baugenossenschaften verhalten?

Ich habe dazu eine klare Meinung: Es ist ein grosser Fehler, wenn Baugenossenschaften Land jetzt nicht kaufen, nur weil sie Leerstände befürchten. Die Entwicklung der letzten zwanzig Jahre hat gezeigt, dass die Nachfrage gerade in der Agglomeration stark zugenommen hat. Die Preisspirale wird sich weiterdrehen. Schon in zehn Jahren wird man die heutigen Preise in einem anderen Licht sehen und beklagen, dass man damals nicht zugegriffen hat. Das war schon immer so. Deshalb sollten wir jetzt jede Chance ergreifen, wo immer wir noch relativ günstig Land kaufen können. Viele Baugenossenschaften denken hier zu kurzfristig und sind zu wenig risikofreudig.

Viele Baugenossenschaften verzichten, weil die Anfangsmieten der Wohnungen dann teuer wären.

Diese Wohnungen werden der Spekulation entzogen. Sie würden sich zwar am Anfang an ein Mittelstandspublikum wenden, aber in zwanzig, dreissig Jahren werden die Mieten sinken. Sollte eine Teuerung einsetzen, geht das noch rascher.

Blicken wir noch auf ein Hindernis, das sich gerade Neugründungen von Baugenossenschaften stellt: das Beschaffen des nötigen Eigenkapitals.

Hier haben wir wirklich ein Problem. Es gilt nicht nur, die verlangten Mindestanteile der Geldgeber sicherzustellen. Auch um die Projektierung zu finanzieren, brauchen Neugründungen früh Geld. In vielen Fällen führt dies zu sehr hohen Beträgen bei den Anteilscheinen – ein Damoklesschwert für die Vermietung. Wir müssen deshalb schweizweit dafür sorgen, dass gemeinnützige Bauträger Eigenkapital beschaffen können. Die Wohnbauförderung des Bundes sollte viel stärker auf diese Frage fokussieren. Vielleicht braucht es auch ein neues Instrument auf Bundesebene, das nicht einfach Darlehen vergibt, sondern sich beteiligt oder Verbürgungen eingeht. Und wir müssen dafür sorgen, dass sich die bestehenden Genossenschaften stärker solidarisch engagieren. Bisher steht in keinen einzigen Statuten, dass sich Genossenschaften an anderen Genossenschaften beteiligen oder diese finanziell unterstützen können. Das muss sich ändern.

Du warst viele Jahre Präsident des Regionalverbands Zürich von Wohnbaugenossenschaften Schweiz und bist heute Vizepräsident des Dachverbands. Was könnte der Verband über die heutigen Werkzeuge hinaus leisten, um den Marktanteil weiter zu steigern?

Ich glaube, dass der Dachverband ein grosses Potenzial hat, um diese Aufgabe noch besser wahrzunehmen. Sehr erfreulich ist es, dass derzeit die Regionalverbände stärker werden, was eines unserer strategischen Ziele ist. Wir müssen unsere Strukturen als Gesamtverband verbessern, um unsere Mitglieder in allen Regionen noch besser unterstützen und auch für ein Wachstum motivieren zu können.Und nicht zuletzt: Wir müssen politisch viel stärker werden, so dass wir schweizweit wahrgenommen werden. Dafür braucht es proaktive Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit, die bisher zu wenig geleistet wurde. Wir müssen mit unseren grossen gesellschaftlichen Leistungen mehr wahrgenommen werden.

Tatsächlich setzt der Verband derzeit – einmal mehr – auf den Ausbau der Kommunikation. Das erzeugt Kosten für Stellenpensen und externe Agenturen, deren Nutzen schwer messbar ist.

Das ist das Problem jeder Öffentlichkeitsarbeit. Für mich ist insbesondere auch die Wirkung gegen innen wichtig. Kommunikation fördert die kollektive Bewusstseinsentwicklung unter den Genossenschaften, zum Beispiel um den Zusatznutzen, den sie schaffen. Und da hat ein enormer Wandel stattgefunden. So hat zum Beispiel vor zwanzig Jahren kaum mehr jemand Gemeinschaftsräume angeboten, heute gehören gemeinschaftliche Einrichtungen wieder fest zu unserem Selbstverständnis. Und gute Kommunikation muss nicht teuer sein. Ein Beispiel ist etwa der Wettbewerb im Jubiläumsjahr, der dazu geführt hat, dass sich viele Menschen mit ebendieser Frage des Zusatznutzens auseinandergesetzt haben.

Wie sollen sich die Verbandsstiftungen entwickeln? Der Solidaritätsfonds vergibt Darlehen für Neubauten und Renovationen, während die Stiftung Solinvest die Eigenkapitalbasis von Baugenossenschaften stärken will – bisher allerdings mit einer überschaubaren Zahl von geförderten Projekten.

Ich glaube, dass wir noch ein Potenzial für grössere Selbsthilfe haben. So könnte Solinvest Darlehen von Baugenossenschaften erhalten, um damit Neugründungen oder insbesondere die «Motorengefässe» zu stärken. Ein solches Motorengefäss ist beispielsweise eine «Genossenschaft der Genossenschaften» der Regionalverbände Winterthur und Ostschweiz, die in einer bestimmten Region das Wachstum des gemeinnützigen Wohnungsbaus mit Zukäufen ankurbelt. Diese Gefässe bekunden grosse Probleme, das Eigenkapital zu beschaffen. Sie sind aber wichtig, weil sie dort einspringen, wo keine bestehende Genossenschaft bauen will.

Wie die Logis Suisse ist auch die Habitat 8000 mit MItteln aus der WEG-Wohnbauförderung gegründet worden. Inzwischen steht sie längst auf eigenen Beinen und ist auf Wachstumskurs. Im Bild Neubausiedlungen der jüngsten Zeit in Zürich und in Winterthur.

Du hast selbst eine solche «Genossenschaft der Genossenschaften» aus dem Boden gestampft: die Genossenschaft «mehr also wohnen», die die ­inzwischen fast weltbekannte Siedlung auf dem Hunziker-Areal verwirklicht hat. 2008 hast du in einem Interview gesagt:
«Wir wollen nicht einfach eine beispielhafte Siedlung erstellen. Das Projekt soll vielmehr eine echte Lernplattform sein, die einen Entwicklungs­prozess in der Branche auslöst.» Ein kurzes Fazit?

Tatsächlich erlebten wir bei der Genossenschaftsgründung im Jubiläumsjahr des gemeinnützigen Wohnungsbaus in Zürich eine ganz aussergewöhnliche Solidaritätsaktion mit einem hohen Vernetzungseffekt, was schliesslich dazu führte, dass wir gemeinsam mit der Stadt dieses aussergewöhnliche Projekt realisieren konnten. Dass wir dort auch als Lernplattform des gemeinnützigen Wohnungsbaus innovative Ideen ausprobieren und auch dokumentieren, war von Anfang an Teil des Konzepts. Wir wollen uns nicht auf uns selbst konzentrieren, sondern der Branche einen Nutzen bringen und gegen aussen kommunizieren, was wir machen, und andere einbinden – das ist neben der Vernetzung das Erfolgsrezept von «mehr als wohnen». Und dass dies funktioniert und eine solche Ausstrahlung hat – darauf bin ich natürlich ein wenig stolz.

«Mehr als wohnen» war in der Tat die Auslöserin einer ganzen Reihe ähnlicher Projekte.

Ich denke, dass wir durchaus eine «Zündfunktion» gehabt haben, etwa für «wohnen und mehr» in Basel, die Hauptstadtgenossenschaft in Bern oder das Projekt «Gurzelen Plus» in Biel. Wenn wir hier aber vom Wachstum und von «Motorengefässen» reden, müssen wir unterscheiden: Es gibt Organisationen, bei denen sich verschiedene Träger für die Realisierung eines Projekts zusammenschliessen. Sie stärken unsere Branche und geben regional wichtige Impulse. Dann gibt es aber auch Organisationen, die sich sozusagen «mehr gemeinnützigen Wohnungsbau» auf die Fahne geschrieben haben und laufend Projekte entwickeln. Das sind viele grosse Wohnbaugenossenschaften oder die Logis Suisse und überregional tätige Genossenschaften. Die Wirkung dieser zweiten Gruppe ist quantitativ viel grösser.

Die Logis Suisse ist zweifellos die wichtigste Akteurin dieser Gruppe. Sie hat eine Reihe grosser Projekte angepackt, etwa Umnutzungen von Industriearealen in Pratteln oder Kriens. Auch hier stehst du dahinter: Als der Bund plante, seinen Anteil an der gemeinnützigen Aktiengesellschaft abzustossen, hast du dafür gesorgt, dass der gesamte Bestand gemeinnützig blieb und die Logis einen neuen Kurs einschlagen konnte. Im Juni bist du zum Präsidenten der Logis Suisse gewählt worden. Wo steht die Firma heute?

Ja, für diesen Erhalt hatten wir die Stiftung Solinvest ins Leben gerufen und konnten auch mit Unterstützung des Bundesamts für Wohnungswesen verhindern, dass die Logis verkauft wird. Derzeit haben wir rund 1500 Wohnungen in Planung, die Strategie lautet plus 200 pro Jahr, 100 für den eigenen Bestand und 100 für andere gemeinnützige Wohnbauträger. Damit tragen wir rund zehn Prozent des jährlichen gemeinnützigen Wohnungsneubaus bei. Beim Eigenkapital helfen auch Pensionskassen mit, was ich für weiter fördernswert halte. Unser Alterskapital soll auch der Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus dienen. Und nicht zuletzt hat die Logis eine äusserst schlanke Struktur, die wir mit einem neuen Organisationsmodell gerade noch besser auf das Unternehmen zugeschnitten haben.

Du bist als Macher bekannt, der schon viele Projekte angerissen und umgesetzt hat. Wirst du der Logis deinen Stempel noch stärker aufdrücken?

Ich möchte, dass die Logis ihre Erfolgsgeschichte weiterschreibt und im gemeinnützigen Wohnungsbau eine noch stärkere Rolle wahrnimmt. Betonen möchte ich hier aber eines: Die Logis Suisse ist subsidiär zu den Baugenossenschaften tätig, stellt also keine Konkurrenz dar. Wir konzentrieren uns auf Regionen, wo bestehende Genossenschaften wenig aktiv sind. Und bei Grossprojekten wie etwa der Umnutzung der Coop-Leitzentrale in Pratteln beziehen wir lokale Baugenossenschaften mit ein. Unsere Kernkompetenz liegt bei Projekten zwischen 100 und 500 Wohnungen, die für viele Baugenossenschaften zu gross sind.

Vor einigen Jahren hast du mit den gemeinnützigen Aktiengesellschaften Terra Schweiz und Habitare Schweiz ein interessantes Modell lanciert. Die Terra Schweiz kauft Liegenschaften, behält das Land und gibt die dort stehenden Bauten der Habitare Schweiz ab. 2016 hast du gesagt: «In den nächsten fünf Jahren möchten wir tausend Wohnungen erwerben.»

Zunächst: Dieses Projekt ist Teil meiner Gesamtüberlegungen, denn es fokussiert ebenfalls auf Regionen mit wenig Genossenschaften, dabei allerdings auf Liegenschaften oder Siedlungen von 10 bis 50 Wohnungen. Stand heute: Wir sind noch nicht ganz bei 200 Wohnungen. Es erweist sich derzeit als sehr schwierig, Objekte zu vernünftigen Preisen zu finden. Doch ich hoffe, auch dieses Kind noch mehr zum Fliegen zu bringen. Die Vision ist eine Volksaktiengesellschaft und damit Geld der Bevölkerung für der Spekulation entzogenes zahlbares Wohnen.

Du engagierst dich seit dreissig Jahren für den gemeinnützigen Wohnungsbau. Hast du einmal zusammengezählt, wie viele Wohnungen daraus entstanden sind?

Mein Engagement hat rund 3000 Wohnungen der Logis für den gemeinnützigen Wohnungsbau erhalten. Dazu kommen gegen 5000 neue Wohnungen, die realisiert oder in Planung sind. Weitere 2000 möchte ich noch schaffen … Meine Mission war immer: Es braucht mehr gemeinnützigen Wohnungsbau für die Schweiz. Und dazu braucht es bisweilen Phantasie, Kreativität und ungewohnte, innovative Wege, aber insbesondere auch unternehmerisches Handeln. Je mehr wir uns alle so für diese Aufgabe engagieren, desto erfolgreicher werden wir sein. Gemäss dem alten Genossenschaftsmotto: Gemeinsam sind wir stark!