Lägern Wohnen feiert das 75-Jahr-Jubiläum

«Wir wollen qualitativ wachsen»

Die Gemeinnützige Bau- und Siedlungsgenossenschaft Lägern (Lägern Wohnen) feiert dieses Jahr das 75-Jahr-Jubiläum. Der Vorstand ist offen für die Akquisition von Projekten, investiert aber vor allem in die Qualität und die Erneuerungsplanung. Der Umgang mit den älteren Siedlungen erfordert ein hohes Mass an Sorgfalt und Fachkompetenz. In den nächsten Jahren erfolge der Start zum Ersatzneubau Klosterbrühl, sagt Präsident Patrick Bürgi. Es ist das bisher bedeutendste Vorhaben der grössten Aargauer Baugenossenschaft.

Interview: Jürg Zulliger | Bilder: Marc Bächli, zVg | Mai 2021

Wohnen: Herr Bürgi, Ihre Genossenschaft feiert dieses Jahr das 75-jährige Bestehen. Was war für die Pionierphase prägend?

Patrick Bürgi: Die Genossenschaft ist am 18. Juni 1946 gegründet worden. Das Datum fällt in die Nachkriegszeit, eine Phase der ausgeprägten Wohnungsknappheit. Wie oft bei Genossenschaften ging es im Kern um den Gedanken «Hilfe zur Selbsthilfe». Die Gründerinnen und Gründer haben sich in verdankenswerter Weise für diese Idee eingesetzt. Es waren einige Persönlichkeiten dabei, die den Aufbau der Genossenschaft über viele Jahre geprägt und die Ideale mitgetragen haben.

Viele Genossenschaften, die in wirtschaftlich schwieriger Zeit gegründet wurden, sind zunächst schnell gewachsen. War das auch hier der Fall?

Drei unserer grossen Siedlungen stammen tatsächlich aus dieser Zeit und sind bautypologisch ähnlich. Für die Siedlung Klosterbrühl in Wettingen planen wir für die nächsten Jahre einen Ersatzneubau. Bei unseren zahlreichen Gebäuden im Badener Kappelerhof haben wir bereits verschiedene Verbesserungen umfassend umgesetzt, etwa Wohnraumerweiterungen, allgemeine Instandsetzungen, Verbesserungen der Dämmung usw. Und die Gebäude der Überbauung Allmend oberhalb von Baden haben wir vor wenigen Jahren durch einen Ersatzneubau ersetzt.

Was ist der Hintergrund der Namens­änderung zur Kurzform Lägern Wohnen?

Seit der Gründung 1946 heisst die Genossenschaft unverändert Gemeinnützige Bau- und Siedlungsgenossenschaft Lägern (GBSG). Lägern Wohnen ist quasi unser «Brand». Das haben wir vor rund zehn Jahren zusammen mit dem neuen Logo und einer neuen Corporate Identity eingeführt.

Wie schätzen Sie die öffentliche Wahrnehmung ein?

Durch unsere Geschichte und die Zahl von über 900 Wohnungen im Raum Wettingen und Baden sind wir fest verankert. Wir kommen immer wieder zum Schluss, dass wir bei Behörden, den Stadt- und Gemeindeverwaltungen gut bekannt sind. Das hat gewiss damit zu tun, dass wir immer wieder aktiv sind und Projekte umsetzen. Wir verzeichnen auch kaum Leerstände, was ebenfalls dafür spricht, dass man uns kennt.

Patrick Bürgi hat an der Universität Zürich Rechtswissenschaften studiert und ist seit 2005 als Anwalt in Baden tätig. 2004 kam er in den Vorstand, seit 2012 steht er dem neunköpfigen Vorstand als Präsident vor. Er ist in Wettingen aufgewachsen, verheiratet und hat zwei Kinder.

Wie sieht die Zukunft der Siedlung Klosterbrühl aus?

Nach Jahren der juristischen Auseinandersetzungen geht es jetzt vorwärts. Vor Weihnachten fiel der für uns positive Entscheid des Verwaltungsgerichts, womit im Februar der Gestaltungsplan rechtskräftig wurde. Als Nächstes werden wir die Projektorganisation wieder hochfahren und das Baugesuch einreichen. Die Generalversammlung hat den entsprechenden Projektierungskredit bereits bewilligt. Bis zur GV 2022 sollte ein Baukredit zur Entscheidung vorliegen.

Ist es bislang Ihr grösstes Bauvorhaben?

Ja, es geht um ein Volumen von rund 100 Millionen Franken. Es sind rund 230 Wohnungen geplant. Ganz nach unserem Leitbild geht es darum, günstigen Wohnraum für finanziell schwächer Gestellte anzubieten. Aus diesem Grund haben wir einen vielfältigen Wohnungsmix vorgesehen. Dieser Mix umfasst sowohl eher kompakte, preisgünstige als auch grosszügigere Wohnungen.

Weshalb nehmen die Planungen so viel Zeit in Anspruch? Kam es zu Einsprachen um des Prozessierens wegen?

Aufgrund der Bedeutung und Grösse des geplanten Ersatzneubaus haben wir uns für das Gestaltungsplanverfahren entschieden. Der Gestaltungsplan muss von der Gemeinde und vom Kanton genehmigt werden. Das Verfahren umfasst Mitwirkungsmöglichkeiten und immer ein Potenzial für Einwendungen. Auch wenn wir ungern prozessieren, es geht um legitime Interessen von Anwohnerinnen und Anwohnern.

Was bietet denn zum Beispiel ­Angriffs­flächen?

Ein wichtiges Thema in der Auseinandersetzung war die Befürchtung, dass mit einer Verdichtung und einer Erhöhung der Anzahl Wohnungen zusätzlicher Verkehr generiert würde. Wir beabsichtigen aber den Bau einer autoarmen Wohnsiedlung und werden dazu ein Mobilitätskonzept erarbeiten. Selbstverständlich haben wir mit den betroffenen Anwohnern Gespräche geführt. Letztlich musste das Verwaltungsgericht Recht sprechen, um unserem Gestaltungsplan zum Durchbruch zu verhelfen.

Wie geht es jetzt weiter?

Das Verwaltungsgericht hat uns vollumfänglich Recht gegeben. Die Generalversammlung hat bereits einen Projektierungskredit von 5,9 Millionen Franken bewilligt. Und das im Architekturwettbewerb von zwölf Entwürfen ausgewählte Siegerprojekt liegt ebenfalls bereits vor. Das Areal umfasst rund 25 000 Quadratmeter und liegt an sehr guter, zentraler Lage, unweit des Bahnhofs von Wettingen. Wir streben eine hohe architektonische Qualität an. Das Areal soll in einer Art und Weise verdichtet werden, dass das Gemeinschaftsleben in der Genossenschaft auch weiterhin seinen Raum hat.

Was sind Ihre Motive, um Konkurrenz­verfahren beziehungsweise Architektur­wettbewerbe durch­zuführen?

Wir wenden Konkurrenzverfahren wie Architekturwettbewerbe oder Studienaufträge aus innerer Überzeugung an. Damit stellen wir eine hohe Qualität und Transparenz sicher. Als professionell aufgestellte Genossenschaft verfügen wir über die dazu notwendigen Kompetenzen und haben über Jahrzehnte Erfahrungen aufgebaut. So sind alle Neu- und Ersatzbauprojekte der letzten Jahre auf Basis eines Konkurrenzverfahrens entstanden.


«Die Vorstandstätigkeit ist für mich eine Herzens­angelegenheit.»


Eine Genossenschaft, die das 75-Jahr-Jubiläum feiert, hat unweigerlich Sanierung und Erneuerungsplanung auf der Prioritätenliste. Wie gehen Sie dabei vor?

Der Vorstand widmet sich mindestens einmal im Jahr an einem Strategie-Workshop eingehend dem Port­folio. Dabei stellen wir uns wesentliche Fragen rund um die Alterung von Bauteilen, den Zustand von Dämmungen und analysieren die bereits erfolgten Instandsetzungen usw. In diesem Zusammenhang stellen wir fest, dass zum Beispiel Verbesserungen von Aussendämmungen meist nach weiteren Massnahmen im Gebäude­innern rufen. Viele weitere Überlegungen gehören dazu, etwa die periodische Instandsetzung von Küchen und Bädern. Oder wir widmen uns der Strategie für ältere viergeschossige Wohnhäuser ohne Liftanlagen. Natürlich geht es immer auch um die Grundfrage, ob ein Bau für eine weitere Nutzungsperiode «fit» gemacht werden kann oder ob ein Ersatzneubau längerfristig die klügere Variante wäre.

Wie gehen Sie damit um, dass es sich meist um weitreichende Entscheide handelt, über die an der Generalversammlung ­demokratisch entschieden wird?

Nehmen wir das Beispiel Klosterbrühl: Nachdem sich der Vorstand strategisch für einen Ersatzneubau entschieden hatte, haben wir einen breit angelegten Prozess gestartet. Gleich zu Beginn haben wir unter Beizug von externen Fachleuten detaillierte Mieterinnen- und Mieterbefragungen durchgeführt.

Mit welchem Zweck?

Uns ging es darum, die Bedürfnisse und Wünsche zu klären. Ist es der Wunsch, am Ort zu bleiben? Welche Wohnungen braucht es künftig, und was sind die Bedürfnisse? Es gab diverse Informationsveranstaltungen über den Planungsprozess und über die Ergebnisse des Architekturwettbewerbs. Dabei dürfte es auch eine Rolle spielen, dass wir im Vorstand professionell vorgehen und über sehr viel eigenes Knowhow verfügen. So sind zum Beispiel im Vorstand Profis für alle Fragen rund um Bau, Planung, Portfolio-Management oder Energie vertreten.

Wie werden Sie die sozialen Themen ­an­gehen, etwa Umsiedlungen innerhalb ­der Genossenschaft?

Wichtig sind uns eine überlegte Planung, ein proaktiver Informationsfluss und eine entsprechende Vorlaufzeit. Mieterinnen und Mieter müssen Zeit haben, sich zu organisieren. Hinzu kommen verschiedene Wahlmöglichkeiten, auf Wunsch Umzugshilfen usw. Vielleicht gibt es Genossenschafterinnen und Genossenschafter, die bei dieser Gelegenheit von einer grösseren in eine kleinere, altersgerechte Wohnung umziehen möchten. Dabei ist der Mieterschaft klar, dass die Neubaumieten höher liegen als die in den älteren Gebäuden aus früheren Baujahren. Dem Bedürfnis der heutigen Mieterschaft, in der Siedlung Klosterbrühl zu bleiben, tragen wir Rechnung. Die Realisierung des Projekts wird in Etappen erfolgen. Somit wird in vielen Fällen ein Umzug möglich sein.

Wie erleben Sie den Wettbewerb um Bauland?

Der Markt ist sehr überhitzt. Bei solchen Ausschreibungen reichen wir Angebote ein, sind aber praktisch chancenlos. Einfacher ist es natürlich, wenn wir auf eigenem Land bauen können. In Lupfig kamen wir zum Zug, weil sich die Verkäuferin bewusst für eine gemeinnützige Genossenschaft entschieden hat. Überdies prüfen wir auch immer wieder Angebote mit Land im Baurecht.

Wird sich die Wohnungsfrage abschwächen – mit mehr Leerständen?

Für unser Stammgebiet, das in alle Richtungen sehr gut erschlossen ist, rechnen wir nicht damit. Aufgrund der geografischen Gegebenheiten ist die Zahl an weiteren Bauplätzen für Projekte beschränkt, und der Druck aus dem Limmattal steigt. Und wir bekennen uns zum Credo, dass unsere Wohnungsmieten zehn bis zwanzig Prozent unter dem Marktpreis liegen. Für Projekte mit Neubaustandard ist dies sehr attraktiv.

An der Gartenstrasse in Baden realisierten Sie einen autofreien Neubau. Mit dem ­Projekt «Ifang» planen Sie jetzt Reihenein­familienhäuser – wie ist es zu erklären, dass Sie je nach Lage unterschiedliche Ziel­gruppen ansprechen?

Das Ziel sind immer preisgünstige Wohnungen für ein gemischtes Publikum. Bei jedem Projekt setzen wir uns sehr intensiv mit den Begebenheiten vor Ort auseinander. Der Neubau an der Gartenstrasse mit eher mittelgrossen Wohnungen liegt in nur fünf Minuten Gehdistanz zum Bahnhof Baden. Zugleich revidierte Baden teilweise die Bau- und Nutzungsordnung. Das brachte uns auf den Gedanken, an genau diesem Standort ein Pilotprojekt mit einer autofreien Siedlung zu verwirklichen. Dort wohnen heute Paare, viele Zwei-Personen-Haushalte, aber auch Familien mit Kindern. Es sind sehr effiziente, durchdachte Grundrisse, ergänzt mit den «Jahreszeitenzimmern», die flexibel nutzbar sind. Beim Projekt «Ifang» im Kappelerhof sind die Voraussetzungen anders: Aufgrund der Lage unweit von Schule und öV wollten wir ein Vorhaben spezifisch für Familien planen – daher die Reiheneinfamilienhäuser, gewissermassen das gemietete Eigenheim.

Was motiviert Sie persönlich, sich als Präsident zu engagieren, und wie kamen Sie zur Genossenschaft?

Ein Kindheitsfreund wohnte im Klosterbrühl. So lernte ich die Siedlung und die Genossenschaft im Knabenalter kennen. Meine erste Wohnung mit meiner heutigen Frau bezog ich im Klosterbrühl. So kam ich nach und nach in Kontakt mit der Genossenschaft und knüpfte Beziehungen. Die Vorstandstätigkeit ist für mich eine Herzensangelegenheit. Lägern Wohnen ist eine tolle Unternehmung, die in eine finanziell gesunde und attraktive Zukunft geführt werden soll. Dafür stellen sich im Vorstand viele Fachleute mit ihrem Knowhow zur Verfügung. Es ist eine grosse Freude, im Sinne der Sache preisgünstigen Wohnraum anzubieten.

Was ist an Jubiläumsfeierlichkeiten möglich?

Die Vorbereitungen und Planung für einen grossen Jubiläumsanlass im Oktober waren schon weit fortgeschritten. Schweren Herzens musste der Vorstand aber aufgrund der aktuellen Lage mit der Pandemie den Entscheid fällen, alle Veranstaltungen bis im Sommer und auch das Jubiläumsfest abzusagen. Das schmerzt uns sehr. Denn es wäre uns ein grosses Anliegen gewesen, mit unseren Genossenschafterinnen und Genossenschaftern wieder einmal persönlich in Kontakt zu kommen und unseren Dank sowie unsere Wertschätzung auszudrücken.

75 Jahre GBSG

Die Gemeinnützige Bau- und Siedlungs­genossenschaft Lägern GBSG ist am 18. Juni 1946 in Wettingen gegründet worden. Massgeblicher Initiant und langjähriger Präsident in der Gründungsphase war der Wettinger Gewerkschaftssekretär Gottfried Balsiger. Finanzhilfen und Darlehen der Gewerkschaft Bau und Holz und der öffentlichen Hand trugen dazu bei, die ersten grösseren Projekte zu realisieren, darunter das Klosterbrühl. Die Genossenschaft knüpft an diese ­Geschichte an, etwa indem bis heute die Nachfolge-gewerkschaft Unia mit einer Person im Vorstand vertreten ist. Innerhalb der ersten zwanzig Jahre ist der Bestand auf über 500 Wohneinheiten an­gewachsen. Im Lauf der Jahre hat die Genossenschaft aus eigener Kraft und mit eigenen finanziellen Mitteln zahlreiche Projekte realisiert.

2017 kamen zum Beispiel zwei Neubauten dazu (Gartenstrasse in Baden, Mehrfamilienhaus Neufeld in Wettingen).Heute handelt es sich bei Lägern Wohnen mit einem Bestand von 917 Wohnungen, die meisten davon im Raum Baden und Wettingen, um die grösste Baugenossenschaft im Kanton Aargau. Weitere Siedlungen befinden sich in Büblikon, Kirchdorf, Ehrendingen und Neuenhof. Die Genossenschaft wuchs durch Landerwerb oder Gewährung von Baurechten. Weiter ist die ­«Lägern» durch Fusionen mit kleineren Genossenschaften in der Region gewachsen.
Laut Statuten ist die Genossenschaft «politisch und konfessionell neutral und verfolgt einzig den Zweck, ihren Mitgliedern gesunden Wohnraum zu günstigen Bedingungen zu beschaffen und zu erhalten».

Aktuelle Projekte

2017: Mehrfamilienhäuser Neufeld, ­Wettingen (27 Wohnungen) sowie Gartenstrasse, Baden (autofrei, 19 Wohnungen)

2021 (geplanter Baustart): Im Ifang, Baden (12 Reiheneinfamilienhäuser)

2022 (geplanter Bezug): Mehrfamilienhaus Lupfig (29 Wohnungen)

Frühestens ab 2023/2024: Ersatzneubau Klosterbrühl (Visualisierung unten), Wettingen (rund 230 Wohnungen)