WGN stellt Siedlung Am Kohlistieg in Riehen (BS) fertig

Ein Scharnier zwischen Jung und Alt

Mit der Minergie-P-Überbauung Am Kohlistieg hat der Wohnbau-Genossenschaftsverband Nordwest (WGN) das grösste Basler Genossenschaftsprojekt seit zwei Jahrzehnten verwirklicht. Die acht hindernisfreien Gebäude liegen in einem autofreien Wohnpark für alle Generationen: Den Betagten bietet das angrenzende Pflegeheim ein breites Serviceangebot; Kinder und Jugendliche haben direkten Zugang zu einer öffentlichen Freizeitanlage.

Von Elias Kopf | Bilder: Daniel Erne | November 2017

Die einen flitzen auf dem Dreirad daher, die andern legen dieselbe Strecke bedächtig mit dem Rollator zurück – doch beide, Kinder wie Senioren, geniessen es, dass in ihrem Wohnumfeld keine Autos zirkulieren dürfen. Die Rede ist von der Anfang 2017 fertiggestellten Neu­bausiedlung Am Kohlistieg in Riehen (BS).
«Unser Ziel war eine Wohnlandschaft, in der sich die verschiedenen Generationen begegnen und dennoch ganz nach ihren Bedürfnissen leben können», erklärt René Thoma, Vorsitzender der Geschäftsleitung des Wohnbau-Genossenschaftsverbands Nordwest (WGN). Mit 96 Zweieinhalb- bis Viereinhalbzimmerwohnungen sowie zwei tage- oder wochenweise zumietbaren kleinen Gästewohnungen stellt die WGN-Überbauung das grösste Basler Genossenschaftsprojekt seit zwei Jahrzehnten dar.

Einheit und Vielfalt
Die Siedlung, die acht viergeschossige Gebäudeblöcke umfasst, wurde vom Basler Architekturbüro Rapp Architekten AG gestaltet, dessen Wettbewerbseingabe den WGN überzeugte. Charakteristisch sind zwei ähnliche Gebäudetypen mit sieben- beziehungsweise achteckigem Grundriss, die gedreht oder gespiegelt wurden. Ein Gebäude ist speziell für Wohnen mit Service konzipiert und besitzt eine gedeckte Verbindung zum benachbarten Alters- und Pflegeheim. Alle Wohnblocks verfügen über helle, hinterlüftete Fassaden aus Terrakotta-Platten. Durch die je unterschiedliche Platzierung der einzelnen Gebäude entsteht trotz dieser gestalterischen Geschlossenheit eine überraschende optische Vielfalt: Von jedem Punkt im Areal hat man die Gesamtheit aller Fassadenaspekte im Blick, hier eine Balkonseite, da eine Eingangsseite, dort eine Rückseite.
Dank der nur hundert Meter entfernten S-Bahnhaltestelle «Niederholz» ist die Siedlung bestens erschlossen; hinzu kommt eine Bushaltestelle direkt an der Südseite des Areals. Auch zum nahen Einkaufszentrum sowie zum Kindergarten und zur Primarschule sind es bloss ein paar Schritte. Dass sich die Siedlung Am Kohlistieg bewusst an ein heterogenes Publikum richtet – vom Single über kinderlose Paare und Familien bis hin zu Hochbetagten –, hat zum einen mit der Expansionsstrategie des WGN zu tun: «Wir wollen als gemeinnütziger Bauträger kein verstaubtes Nischendasein führen, sondern möchten wachsen und ein gewichtiges Wort im Basler Wohnungsmarkt mitreden», so René Thoma.

Die Siedlung schliesst westlich an das Pflegezentrum Humanitas, im Norden besteht ein direkter Zugang zum Freizeitzentrum Landauer.

Mit Freizeitzentrum vernetzt
Zum andern erklärt sich die Siedlungsgestaltung aber auch aus der unmittelbaren Nachbarschaft mit dem Pflegezentrum Humanitas im Westen und dem Freizeitzentrum Landauer im Norden. Das von der Gemeinde betriebene Spielgelände ist von der Siedlung aus durch eine Pforte im Zaun ohne Strassenquerung direkt erreichbar. Das Angebot umfasst nebst Spielplätzen und Rasenflächen auch ein Gebäude mit Restaurant, wo unter anderem Spielgruppen und Tagesferien für die Kleinen, aber auch Discos und Treffpunkte für Jugendliche angeboten werden. Hinzu kommen Veranstaltungsprogramme für Familien sowie Kurse für Erwachsene und eine Elternberatung.
Die Aussenanlage des Pflegeheims wiederum mit Cafeteria-Terrasse geht nahtlos in den WGN-Wohnpark über. Sogar eine alte Baumgruppe konnte im gemeinsamen Grünraum erhalten werden. In drei der acht WGN-Wohnblocks bietet Humanitas massgeschneiderte Dienstleistungen für Senioren an. Die Palette reicht von Hilfestellungen im Haushalt über einen Mahlzeitendienst, die Nutzung von Aktivierungs- und Gestaltungangeboten bis hin zur umfassenden Spitexdienstleistung.

Grosse Nachfrage nach Pflege­leistungen
Ursprünglich habe man diesen Service nur für einen einzigen Wohnblock geplant, doch aufgrund der grossen Nachfrage habe man das Konzept auf weitere Gebäude ausgedehnt, erklärt René Thoma. Sämtliche Pflegeangebote sind unabhängig von der Genossenschaft und werden von den Bewohnerinnen und Bewohnern direkt mit Humanitas vereinbart. Sollte jemand trotz Unterstützung nicht mehr in den eigenen vier Wänden bleiben können, ist ein Übertritt ins Pflegeheim möglich. Bei Seniorenpaaren kann in solchen Fällen die Partnerin oder der Partner in der angestammten WGN-Wohnung bleiben; für Besuche «bei sich zu Hause» genügt dann eine kurze Spazierfahrt im Rollstuhl quer durch die Parkanlage.
Die Genossenschaft kann vom Humanitas-Pflegekonzept insofern profitieren, als es dadurch bei der betagten Mieterschaft seltener zu Wechseln kommt. Attraktiv sei das Angebot aber auch für die Gemeinde, erklärt René Thoma: «Da die meisten unserer Seniorinnen und Senioren aus Riehen stammen, wurden im Dorf zahlreiche Einfamilienhäuser frei, was Neuzuzüger und damit neue Steuerzahler bringt.» So ist es denn auch verständlich, dass der Gemeinderat dem WGN mit einem Darlehen in der Höhe von zwei Millionen Franken unter die Arme griff. Weitere Unterstützung gab es seitens des Kantons, der als Baurechtgeber während der ersten fünf Jahre nur den halben Baurechtzins verlangt; der volle Zinsbetrag wird erst ab dem elften Jahr fällig.

Hindernisfreie Wohnungen
Diese positiven Rahmenbedingungen spiegeln sich in den für die teure Gemeinde Riehen und die attraktive Wohnlage günstigen Mietpreisen. So kommt etwa eine 2 ½-Zimmer-Wohnung auf 1520 Franken inklusive Nebenkosten zu stehen. Trotzdem bieten die Wohnungen einen soliden Standard: Die Räume sind mit Eichenparkett ausgestattet, sämtliche Durchgänge und Türen sind rollstuhlgängig; für Wärme sorgt eine Bodenheizung. Der Luftaustausch erfolgt mit einer mechanischen Lüftung, die von den Bewohnern bedarfsgerecht reguliert werden kann. An die grosszügigen Wohnzimmer, die gegen die Eingangstüre hin mit einem freistehenden Garderobekasten abgeschirmt sind, schliesst ein Balkon an, der Platz für Liegestuhl und Familien­esstisch bietet. «Besonders attraktiv sind die Attikawohnungen, die auf zwei Seiten über Terrassen verfügen», erklärt René Thoma.
Die Badezimmer besitzen eine schwellenlose Dusche; in den 4 ½-Zimmer-Wohnungen gibt es eine zweite Nasszelle. Ein kleines Réduit rundet die Wohnungsausstattung ab. «Hier besteht ein Wasseranschluss für den Fall, dass jemand einen privaten Waschturm installieren will», erklärt René Thoma. Nötig sei dies allerdings nicht, da im Untergeschoss eine Gemeinschaftswaschküche inklusive Tumbler und Trockenraum bereitstehe.

Die Farbgestaltung lockert den Rohbeton im Treppenhaus auf.

Blick in eine der unterschiedlichen Wohnungstypen.

Minergie-P dank Fernwärme
Raumhohe Fenster sorgen nicht nur für eine lichtdurchflutete Atmosphäre, sondern erlauben es im Winter auch, Sonnenwärme zu ernten. Dass die Siedlung den Minergie-P-Standard erfüllt, ist allerdings primär der Fernwärme zu verdanken, die in Riehen zu einem erheblichen Teil aus einem lokalen Geothermiebrunnen stammt. Seit vor einigen Jahren eine Verbindungsleitung zum Basler Fernwärmenetz gebaut wurde, kann auch Wärme aus der Kehrichtverbrennung und dem Basler Holzheizkraftwerk bezogen werden. «Da der Kanton für Neubauten einen Heizanteil von vierzig Prozent aus erneuerbarer Energie vorschreibt, gibt es zur Fernwärme keine realistische Alternative», erklärt René Thoma.
Weiter verbessern liesse sich die Energiebilanz der Siedlung vor allem durch die Ausstattung der Flachdächer mit Fotovoltaik. «Wir schliessen eine solche Nachrüstung nicht aus. Doch eine Solarstromanlage ist eine langfristige Investition, während sich die politisch gesetzten Rahmenbedingungen für die Stromproduktion und damit auch die Stromkosten kurzfristig ändern können», so René Thoma. Zudem verkompliziere die Basler Vorschrift zur Begrünung der Flachdächer den Betrieb von Fotovoltaikanlagen.

Knackpunkt Regenwasser
Vorschriften prägen auch die Topografie des Aussenraums, wo nicht etwa Rasenflächen, sondern breite, als Beete gestaltete Mulden dominieren. Diese Gruben dienen der in Neubausiedlungen obligatorischen Regenwasserversickerung. «Wir prüfen zurzeit zwar, ob wir die Tiefe der Versickerungsanlagen nicht um einen Meter reduzieren können; eine Gartennutzung ist aber auch dann eingeschränkt», erklärt René Thoma.
Dementsprechend hält man in der Siedlung vergebens Ausschau nach einer Spielwiese für Kinder. Diese können mit ihren Gefährten auf den geteerten Wegen herumsausen oder Himmel und Hölle spielen. Doch wer klettern und Fussball spielen will, wird in den angrenzenden Freizeitpark ausweichen. Auch die Senioren können sich auf den hindernisfreien Wegen jederzeit einen kleinen Spaziergang gönnen und auf den Sitzmauern rasten, gemütliche Sitzgelegenheiten sind jedoch vor allem in der Richtung Pflegeheim liegenden Parkhälfte zu finden. Dadurch, dass das Grün am Kohlistieg primär als visuelle Bereicherung und nur eingeschränkt als Gebrauchsfläche konzipiert ist, sind Nutzungskonflikte zwischen Jung und Alt so gut wie ausgeschlossen. Bis die Stauden und Bäume richtig Wurzeln schlagen, kümmert sich eine externe Gärtnerei um die Pflege. Später wird der Siedlungshauswart über das Gedeihen des Grünraums wachen.

Baudaten

Bauträger:
Wohnbau-Genossenschaftsverband Nordwest (WGN), Basel
Architektur, Generalplaner, Bauleitung:
Rapp Architekten AG, Basel
Landschaftsarchitektur:
Westpol GmbH, Basel
Unternehmen (Auswahl):
Anliker AG (Baumeister)
Gerber-Vogt AG (Fenster Holz-Metall)
Kone (Schweiz) AG (Aufzüge)

Umfang:
8 Wohnblocks, 98 Wohnungen, Tiefgarage (85 Plätze)
Baukosten (BKP 1–5):
42 Mio. CHF total
4340 CHF/m2 HNF (ohne Parkierung)
Mietzinsbeispiele:
2 ½-Zimmer-Wohnung (2. OG, 57 m2):
1310 CHF plus 210 CHF NK
3 ½-Zimmer-Wohnung (EG, 96,5 m2):
2110 CHF plus 350 CHF NK
4 ½-Zimmer-Maisonnette (1. OG, 114 m2): 2480 CHF plus 420 CHF NK