Lägern Wohnen erprobt im Ersatzneubau Gartenstrasse neue Wohnformen

Für den autofreien Kleinhaushalt

In Baden wagte sich Lägern Wohnen an ein für sie untypisches Projekt. Die Genossenschaft, die vor allem Familienwohnungen anbietet, realisierte ihre erste autofreie Überbauung: einen Ersatzneubau für Ein- bis Zweipersonenhaushalte mit ökonomischen und nutzungs­flexiblen Wohnungsgrundrissen.

Von Thomas Bürgisser | Bilder: Oliver Lang | Mai 2018

Es war schon spannend, hier für einmal etwas ganz anderes auszuprobieren. Und es hat sich gelohnt», sagt Christoph Bernet und blickt stolz auf das neue Mehrfamilienhaus der Gemeinnützigen Bau- und Siedlungsgenossenschaft Lägern (Lägern Wohnen). Noch vor rund zwei Jahren standen hier, an zentraler Lage an der Gartenstrasse in Baden, vier kleinere Mehrfamilienhäuser. Über eine Fusion mit der Genossenschaft für Stadtwohnungen Baden kamen die Liegenschaften vor rund zehn Jahren zu Lägern Wohnen, der mit rund 900 Wohnungen grössten Wohnbaugenossenschaft im Kanton Aargau. «70 bis 120 Jahre alte Gebäude, die von aussen zwar eindrücklich aussahen, im Innern aber veraltet waren», so der Lägern-Geschäftsführer. In einer Machbarkeitsstudie liess man die Varianten Ersatzneubau, Sanierung sowie Sanierung mit Erweiterung prüfen. «Letzteres wäre nur rund zehn Prozent günstiger gekommen als ein Ersatzneubau und hätte viel weniger zusätzliche Wohnfläche generiert», fasst Christoph Bernet das Resultat zusammen.
Im November 2012 wurden deshalb die 14 Mietparteien über den Abriss der Häuser informiert, viele der Mieter fanden innerhalb kurzer Zeit eigene Lösungen, obwohl sie Vorrang für einen genossenschaftsinternen Wohnungswechsel gehabt hätten. 2013 wurden fünf Architekturbüros zu einem Wettbewerb eingeladen. Die Vorgaben: ein kompakt strukturierter Neubau, gute Wohnqualität, hohe Nutzungsflexibilität – und das alles qualitativ hochwertig, aber kostengünstig. «Ausserdem wollten wir uns an dieser städtischen Lage an Ein- und Zweipersonenhaushalte wenden. Für uns eher ungewöhnlich, da wir sonst viel Wohnraum für Familien bieten», erklärt Christoph Bernet.

Nutzungsflexibel bis zur Loggia
Das Neubauprojekt habe sich für die Genossenschaft rasch als spannendes Versuchsfeld erwiesen. «Das Siegerprojekt trägt einerseits dem Gedanken des genossenschaftlichen Zusammenlebens Rechnung und nützt andererseits jeden Meter Fläche aus.» Tatsächlich wurden die Grenzabstände ganz ausgereizt, nur schmale Streifen trennen das Gebäude von den umliegenden Grundstücken. Auf fünf Stockwerke verteilt finden sich vier 3-Zimmer-, zwölf 4-Zimmer- sowie drei Attikawohnungen, erschlossen über einen Lift, zwei Treppenhäuser sowie offene Laubengänge als Begegnungszone. Mit gut achtzig Quadratmetern für eine 4-Zimmer-Wohnung sind die Wohneinheiten eher klein geschnitten, dafür aber nutzungsflexibel konzipiert. Abgesehen von der Küche und der Nasszelle ist kein Raum einem vordefinierten Gebrauch zugedacht. Auf einen Korridor wurde verzichtet, sogar die Loggia ist nicht als solche vorgegeben. Vielmehr spricht die Genossenschaft von einem Jahreszeitenzimmer: einem Raum, der im Winter als vollbeheizter Teil der Wohnung genutzt wird, dank Glasschiebetüren im Sommer aber zum innenliegenden Balkon wird.
Die Wohnungen bestechen durch eine moderne, urbane Architektur. Von aussen sorgt eine wellenförmige Holzfassade für fliessende Optik. In den Wohnungen fällt neben den Grundrissen der Boden aus gefärbtem Hartbeton auf. Zudem sind sämtliche Türen innerhalb der Wohnungen verglast, Vorhangschienen ermöglichen Privatsphäre. Bei der Nasszelle wurde ausserdem ein Rollo an der Türe angebracht – weil man sonst wegen der grossen Fensterflächen vom Laubengang durch die Wohnung direkt in die Dusche sieht. «Die vielen Fenster sollen nicht nur für eine offene Architektur und viel Licht sorgen, sondern auch das genossenschaftliche Zusammenleben fördern», sagt der Lägern-Geschäftsführer.

Urbane Architektur mit Holzfassade: Der Neubau liegt nur drei Gehminuten vom Badener Bahnhof.

Die Wohnräume können flexibel genutzt werden – sogar die beheizte Loggia, die sich im Sommer dank Glasschiebetüren in einen Balkon verwandeln lässt.

Im Attikageschoss befindet sich nicht nur eine Terrasse mit Grill, sondern auch der Waschraum.

Erste autofreie Überbauung im Aargau
Für das genossenschaftliche Beisammensein findet sich im Attikageschoss eine Terrasse mit Tisch und Grill. «Bewusst haben wir uns in den Wohnungen ausserdem gegen Anschlüsse für Waschtürme entschieden und die Waschküche ebenfalls hier oben platziert. Ein solcher Ausblick lädt vielleicht eher mal zu einem Schwatz ein.» Kleiner fällt die Begegnungszone auf dem Kiesplatz im Innenhof aus. Ursprünglich habe man den Garten mit jenem des benachbarten Mehrfamilienhauses zusammenlegen wollen, konnte sich aber mit einigen Stockwerkeigentümern nicht einigen. Auch bei der Energielösung wurde mit den Besitzern einer benachbarten bestehenden Holzschnitzelheizung verhandelt, ohne Erfolg. «Also schwenkten wir kurzfristig auf eine Gasheizung um, während wir für das Warmwasser auf Solarthermie setzen.» Aus Kostengründen gibt es keine kontrollierte Lüftung, von der Dämmung her entspreche das Gebäude aber dem Minergiestandard.
Das Budget und die Nachbarn führten – nebst der zentralen Lage – auch dazu, dass die Siedlung autofrei ist. «Nicht nur für uns als Genossenschaft eine Neuheit, auch für den Kanton Aargau», erklärt Christoph Bernet. Zwar sei zuerst unter der schmalen Parzelle eine Tiefgarage angedacht gewesen, als Zugang diskutiert wurde ein Autolift oder die Zufahrt über die Garage eines Nachbargebäudes. «Die Lösungen waren aber unverhältnismässig teuer. Ausserdem hätten die Nachbarn wohl eine Gegenleistung eingefordert.» Kurzerhand entschloss man sich für die autofreie Lösung. «Die Liegenschaft ist nur drei Gehminuten vom Bahnhof Baden entfernt, sämtliche Einkaufsmöglichkeiten sind in unmittelbarer Nähe. Entsprechend ausgerichtet ist auch das Mobilitätskonzept, das wir einreichen mussten.»

Offen für Neues
Anfang 2016 begann man mit dem Bau, per 1. Juli 2017 war Bezug. Alles verlief reibungslos, dank gutem Verhandeln wurde das Budget von 7,75 Millionen Franken sogar um rund eine halbe Million unterschritten. Auch die Vermietung bereitete keine Schwierigkeiten. Das autofreie Konzept sei kaum ein Thema gewesen. Jährlich müssen die Genossenschafter schriftlich bestätigen, dass sie kein Auto immatrikuliert haben und der Genossenschaft die Vollmacht für Erkundigungen beim Strassenverkehrsamt erteilen. Auch was die Zusammensetzung der Bewohnerschaft anbelangt, haben sich die Vorstellungen von Lägern Wohnen erfüllt: viele Ein- und Zweipersonenhaushalte, die meisten Mieterinnen und Mieter um die 30 Jahre alt, einige Alleinerziehende. Die Genossenschafter seien unkompliziert, der Austausch untereinander funktioniere. Der Erfolg bedeutet aber nicht, dass die Genossenschaft künftig nur noch solche Projekte realisiert. «Wir konzentrieren uns auch weiterhin auf Familien. Wenn es sich ergibt, sind wir aber offen für Neues – jetzt erst recht.»

Baudaten

Bauträgerin:
Gemeinnützige Bau- und Siedlungs­genossenschaft Lägern (Lägern Wohnen), Wettingen
Architektur:
Meier Leder Architekten AG, Baden
Baumanagement und Bauleitung:
Blaser Baumanagement AG, Niederrohrdorf
Umfang:
1 MFH mit 19 Wohnungen

Baukosten (BKP 1–5):
7,23 Mio. CHF total
5307 CHF/m2 HNF
Mietzinsbeispiele:
2-Zimmer-Attikawohnung (42 m2):
1020 CHF plus 140 CHF NK
3-Zimmer-Wohnung (3. OG, 67 m2):
1430 CHF plus 170 CHF NK
4-Zimmer-Wohnung (2. OG, 81 m2):
1640 CHF plus 190 CHF NK

Wettingen: Vermietungserfolg für Familienwohnungen

Ebenfalls 2017 stellte Lägern Wohnen in Wettingen den Neubau Neufeld fertig, «im Gegensatz zur Gartenstrasse in Baden wieder traditionell auf Familien ausgerichtet», so Lägern-Geschäftsführer Christoph Bernet. Das Gebäude mit sechs 3 ½-Zimmer-, achtzehn 4 ½-Zimmer- und drei 5 ½-Zimmer-Wohnungen ist nach Minergiestandard zertifiziert, Heizung und Warmwasseraufbereitung laufen über eine Erdsonden-Wärmepumpe. Optisch überzeugt das Gebäude durch sein lebendiges Fassaden- und Dachbild – auch dank den neun Wohnungen mit doppelstöckigem Wohnzimmer und entsprechend grossen Fenstern. Während der Platz vor den Hauseingängen primär mit Hartflächen zum Fahrradfahren oder Inlineskaten gestaltet wurde, präsentiert sich der Aussenraum auf der gegenüberliegenden Gebäudeseite als grosszügiger Parkraum mit viel Grün sowie Spielflächen und Sitzgelegenheiten. Entstanden ist das Projekt im Rahmen eines Studienauftrages mit fünf Teilnehmenden. Das Grundstück dazu erhielt Lägern Wohnen im Baurecht von der römisch-­katholischen Kirchgemeinde Wettingen. Für einige Verzögerungen sorgten im Vorfeld Einsprachen von Nachbarn. Beim Bau sei aber alles wie geplant verlaufen. 14 Millionen Franken wurden investiert (5069 CHF/m2 HNF). Eine 4 ½-Zimmer-Wohnung (102 m2) kostet rund 1900 CHF Miete plus 220 CHF Nebenkosten. Bis zum Bezug im Juli 2017 seien alle Wohnungen vermietet gewesen.