ABZ stellt zweite Etappe der Ersatzneubausiedlung Toblerstrasse fertig

Weiterbauen am Zürichberg

In Zürich Fluntern hat die Allgemeine Baugenossenschaft Zürich (ABZ) ihre Siedlung Toblerstrasse neu gebaut. Am teuren Zürichberg stehen damit 169 bezahlbare moderne Wohnungen zur Verfügung. Die behutsame Neuinterpretation fügt sich ins Quartier ein und verjüngt dieses zugleich. Ein bewusster Verzicht auf die maximal mögliche Verdichtung und der Dialog mit den Anwohnern ermöglichten eine rasche Realisierung.

Von Michael Staub | Bilder: Roland Bernath | Mai 2018

Der Zürichberg gilt als Villenstandort mit hohen bis sehr hohen Mieten und einer überalterten Bevölkerung. Doch in den letzten zehn Jahren hat die Zahl der Schüler und Kindergartenkinder um rund 700 zugenommen. Die städtische Fachstelle für Schulraumplanung erwartet, dass es bis 2025 nochmals rund 500 Kinder mehr sind. Die neue Siedlung der Allgemeinen Baugenossenschaft Zürich (ABZ) gibt dieser Verjüngung einen weiteren Schub – mehr als die Hälfte der 169 Wohnungen wurde von Familien bezogen.
Die erste Bauetappe mit 52 Wohnungen in vier Gebäuden wurde 2015 fertiggestellt. Mit der zweiten Etappe, bestehend aus neun weiteren Häusern, wurde das Projekt nun komplettiert. In einem hangseitigen Haus ist der städtische Kindergarten Hadlaub untergebracht. Der grosszügige Spielplatz wird gerade fertiggestellt. Hinter der neuen Wasserpumpe sieht man das hölzerne Startpodest einer Seilbahn. Doch nicht nur die Jüngsten finden einen Platz, sondern auch die Älteren. An der Toblerstrasse gibt es eine «Hausgemeinschaft 55 plus» mit
24 Wohneinheiten. Sie bietet Raum für Mieterinnen und Mieter, die über 55 Jahre alt sind und gemeinschaftsorientiert wohnen wollen. Dieses Modell ist bereits in anderen Siedlungen der ABZ auf Anklang gestossen.

Einblick in Wohnungen der zweiten Etappe.

Abfolge kleiner Gärten
Bis heute ist das Quartier von kleineren Mehrfamilienhäusern mit grosszügigen Gärten geprägt. Auf diese Typologie von Punktbauten in üppigem Grün antwortet das Projekt von BS+EMI Architektenpartner mit einer sanften Neuinterpretation. Die Siedlung richtet sich nicht gegen innen auf einen zentralen Platz, vielmehr sind die Eingänge klar zur Strasse hin orientiert. Ergänzt werden diese sichtbaren Adressen durch eine fein gegliederte Abfolge von kabinettartigen Freiräumen.
Sie bilden nicht einen grossen Garten, sondern gleichsam viele kleine Gärten, die durch Wegnetze miteinander verbunden sind. Die Aufenthalts- und Spielorte sind zum Beispiel als Spielplatz, Sitzplatz oder «Rasenmuschel» ausgestaltet und werden zusätzlich durch die dichte Bepflanzung mit Blütensträuchern und Baumgruppen verknüpft. Eine stimmige Ergänzung ergibt sich durch die originalen Gneismäuerchen der alten Siedlung, die vor Beginn der Bauarbeiten entfernt und in leicht veränderter Form wieder aufgebaut wurden. So bewahrt die neue Siedlung eine Erinnerung an die ursprüngliche Freiraumgestaltung durch den bekannten Landschaftsarchitekten Gustav Amman.

Reverenz ans Bestehende
Wie gelang es, den Respekt vor den gewachsenen Strukturen mit den Anforderungen modernen genossenschaftlichen Wohnens und einer viel höheren Dichte zu verbinden? «Wir haben am Zürichberg in erster Linie weitergebaut und erst in zweiter Linie für eine Genossenschaft. Dadurch entstand ein kontextueller Entwurf, der sich zurücknimmt», sagt Peter Baumberger von BS+EMI Architektenpartner. Vieles, was in der Siedlung ins Auge sticht, ist keine Neuerfindung, sondern ein Zitat. Dies gilt etwa für die auffälligen Brüstungsbänder aus Aluminium, die auch viele Bauten in der Nachbarschaft zieren. Und auch die markante Farbgebung der Fassaden in Aubergine- und Ockertönen beruht teilweise auf den Originalfarben der 1929 erbauten Siedlung. Anderes wiederum ist bewusst neu gestaltet. Die auffälligen, bis zu vier Meter auskragenden Balkone zum Beispiel verdanken ihre Existenz indirekt der Komfortlüftung. «Um die Lüftungskanäle unterzubringen, müssen die Geschossdecken 26 Zentimeter stark sein. Aus statischer Sicht ist das heillos überdimensioniert», sagt Peter Baumberger. In Zusammenarbeit mit dem Bauingenieur entstand deshalb die Idee, aus diesem statischen Überschuss einen grosszügigen Aussenbereich zu entwickeln.

Grundriss eines Regelgeschosses.

Treppenhaus in der zweiten Etappe.

Gute Gründe für TU-Lösung
Bereits als die Genossenschaft das Bauprojekt 2011 vorstellte, sorgten die angekündigten Mietzinse, so etwa 1700 Franken für eine 4 ½-Zimmer-Wohnung, für Aufsehen. Wie sind diese tiefen Mieten möglich – und dann erst noch am Zürichberg, einem der teuersten Quartiere der Stadt? «Dafür gibt es verschiedene Gründe», sagt Martin Grüninger, Leiter Bau und Entwicklung bei der ABZ. «Erstens ist das Land schon seit neunzig Jahren in unserem Besitz, zweitens haben wir bereits im Rahmen des Architekturwettbewerbs strenge Kostenvorgaben gemacht, drittens haben wir mit einem Totalunternehmer gebaut.» Zudem habe das tiefe Zinsniveau einen hilfreichen Beitrag geleistet.
Während andere Genossenschaften mit Totalunternehmern durchzogene Erfahrungen gemacht haben, ist man bei der ABZ von der Lösung überzeugt. «Als professioneller Bauherr und bei unseren Projektgrössen kommt für uns eigentlich nur das TU-Modell in Frage. Die vielen Vorgaben und Reglementierungen haben das Bauen extrem komplex gemacht», sagt Martin Grüninger. Ein Totalunternehmer liefere alles aus einer Hand, man habe nur eine einzige Ansprechperson und sei deshalb auch bei allfälligen Baumängeln besser aufgestellt. Die Nachträge seien an der Toblerstrasse im Rahmen geblieben: «Das ist beim Bauen immer ein Thema, aber es gibt nicht nur Mehrkosten, sondern auch Minderkosten. Man muss bei jedem Ausführungsmodell die Arbeiten relativ streng überwachen und kontrollieren, aber das gehört zum Job.» Von den 117 Wohnungen der zweiten Etappe wurde ein Grossteil intern vergeben, so auch an Mietparteien, die bereits in der alten Siedlung gewohnt hatten. Für die 23 öffentlich ausgeschriebenen Wohnungen meldeten sich bei der ABZ über 800 Interessenten.

Dezentral und elektromobil
Die Heizwärme- und Warmwasserversorgung der Siedlung ist dezentral aufgebaut. Jedes Gebäude besitzt drei bis fünf Erdsonden, eine eigene Wärmepumpe und einen Boiler. «Mit dezentralen Einheiten haben wir gute Erfahrungen gemacht. Sie sind effizienter als grosse Wärmepumpen, die aufwendigen Fernheizleitungen und das Klumpenrisiko entfallen. Zudem können wir so auf einen Gaskessel für die Spitzenlast-Abdeckung verzichten», sagt Reto Seiler, Projektleiter Energie und Ökologie bei der ABZ. Bis im Sommer 2018 werden auf den Häusern der ersten Bauetappe PV-Anlagen montiert, insgesamt erreicht deren Leistung etwa 94 kW(p). Bis 2020 sollen auch die Gebäude der zweiten Etappe folgen, was eine zusätzliche Leistung von 210 kW(p) bringen soll. Wegen der relativ kleinen Dachflächen beträgt die Leistung pro Haus ungefähr 15–25 kW(p). «Gemessen an der Anzahl Wohnungen sind diese Anlagen eher klein dimensioniert. Dafür rechnen wir mit einem Eigenverbrauch von 70 bis 90 Prozent», erläutert Reto Seiler.
Eine Besonderheit der Siedlung zeigt sich beim Gang durch die Tiefgarage: 43 der insgesamt 95 Parkplätze werden für Elektrofahrzeug-Ladestationen vorbereitet. An der Toblerstrasse sind bereits drei Stationen in Betrieb, 20 weitere Parkplätze sind mit einer Grundplatte ausgerüstet. «Wenn die Mieterinnen und Mieter eine Ladestation benötigen, kann diese innerhalb einer Stunde montiert werden», sagt Reto Seiler. Zum Einsatz kommt der «ZapChargerPro», ein Ladestationsystem aus Norwegen, das auch gleich das Lademanagement von bis zu 50 Stationen gleichzeitig übernimmt. So wird die Hausanschlussleistung nicht über Gebühr belastet.

Baudaten

Bauträgerin:
Allgemeine Baugenossenschaft Zürich (ABZ), Zürich
Architektur:
BS+EMI Architektenpartner AG, Zürich
Generalunternehmer:
Priora Generalunternehmung AG, Zürich
Landschaftsarchitektur:
Lorenz Eugster Landschaftsarchitektur und Städtebau GmbH, Zürich
Umfang:
13 MFH, 169 Wohnungen, 13 Ateliers,
5 Bastelräume, 2 Musikräume, 2 Gemeinschaftsräume (1 allgemein, 1 HG 55+),
16 Separatzimmer und 1 Gästewohnung, 1 städtischer Kindergarten mit Hort

Baukosten (BKP 1–5):
64,5 Mio. CHF
3550 CHF/m2 HNF
Mietzinsbeispiele (1. OG):
2 ½-Zimmer-Wohnung (64 m2):
1033 CHF plus 86 CHF NK
3 ½-Zimmer-Wohnung (88 m2):
1240 CHF plus 96 CHF NK
4 ½-Zimmer-Wohnung (108 m2):
1428 CHF plus 106 CHF NK
5 ½-Zimmer-Wohnung (124 m2):
1673 CHF plus 116 CHF NK
33 Wohnungen sind städtisch
subventioniert (Reduktion 160 CHF
bis 330 CHF).