Baugenossenschaft Schönheim in Zürich erneuert Stammsiedlung Eyhof

Vom Kinderwagen bis zum Rollstuhl

Erneuern oder ersetzen? Am Fuss des Üetlibergs hat die Baugenossenschaft Schönheim beide Ansätze gewählt. Knapp die Hälfte ihrer Stammsiedlung Eyhof wurde mit drei neuen Häusern ersetzt. Die Beton-Holz-Hybridbauten bieten – nicht zuletzt dank Budgetwohnungen – Raum für einen breiten Bewohnermix. Viel zu reden gab das Nichtraucherhaus.

Von Michael Staub | Bilder: Roland Bernath | Dezember 2017

D ie Strasse «In der Ey» beginnt unterhalb der Tramendstation Triemli am Fuss des Üetlibergs und führt in Richtung Albisrieden. Wer ihr folgt, fühlt sich wie in einem städtebaulichen Seminar. Anfangs prägen Siedlungen aus den 1940er und den 1950er Jahren die Umgebung: drei­geschossige Häuser, grosszügige Grünflächen, alte Bäume. Auf der linken Strassenseite springt die Baugeschichte dann umstandslos in die Gegenwart. Grosse, massige Mehrfamilienhäuser zeigen unterschiedlichste Zugänge zur Nachverdichtung der Gartenstadt. Hier führt die Eyhofstrasse als Begegnungszone zur Siedlung Eyhof Nord, die diesen Frühling bezogen wurde. Die neuen Gebäude ersetzen einen Teil der Stammsiedlung der Baugenossenschaft Schönheim. Drei elegante, leicht geknickte Baukörper sind auf einen zentralen Platz ausgerichtet.
Insgesamt bieten die Neubauten neunzig Wohnungen (siehe Infobox). Die meisten Flächen im Erdgeschoss werden für das Wohnen genutzt. Zwei Ausnahmen sind ein städtischer Hort, der vierzig Kindern Platz bietet, sowie eine Demenzwohngruppe für zehn Bewoh­nerinnen und Bewohner, deren Wohnstätte einen grosszügigen Garten besitzt. Die Wohngruppe wird nicht von der Genossenschaft, sondern von der Stiftung Alterswohnen in Albisrieden (Sawia) getragen. Die bunte Durchmischung der Altersgruppen zeigt sich an den vielfältigen Transportmitteln der Mieterinnen und Mieter: Vom Kinderwagen über Kickboards bis zu ­Velos, Autos und Rollstühlen ist alles vertreten, was Räder hat.

Die Eyhofstrasse wird in eine Begegnungszone umgewandelt.

Die Wohnungen bieten hohe Qualität – teils sogar zu Budgetpreisen.

Beton und Holz
Die neuen Gebäude sind sogenannte Hybridbauten. Die ersten zwei Geschosse, die Treppenhauskerne sowie sämtliche Geschoss­decken sind in Beton ausgeführt. An den Aussenfassaden sind die Fassadenspaliere der Vorgängersiedlung in neuer Gestalt zurück­gekehrt: Dank Rankhilfen werden die Sockel schon bald allseitig mit Clematis, Wildreben und weiteren Pflanzen bewachsen sein. Aus­gedehnte Staudenflächen bringen von Frühling bis Herbst zahlreiche Farbtupfer in die Siedlung. Ab dem zweiten Obergeschoss weicht der Beton einer tragenden, hinterlüfteten Holzfassade mit einer Schalung aus sägeroher, vorvergrauter Fichte. Alle Latten wurden einzeln verschraubt und können bei Bedarf einfach ersetzt werden. Die 22 Zentimeter starke mineralische Dämmung wird innenseitig mit einer Gipsfaserplatte abgeschlossen. Ein Vordach sorgt für den konstruktiven Holzschutz und ­damit für eine lange Zeit ansprechende Optik.
Der klare Bruch zwischen Beton- und Holzfassade führt zu einer klaren Gliederung der neuen Bauten. Unterstützt wird dies durch ­unterschiedliche Gebäudehöhen, die die Topographie des nahen Üetlibergs nachzeichnen. Ein einziges Treppenhaus ist sechs Geschosse hoch, es markiert die Siedlung zur Triemlistrasse hin. Die beiden anderen Gebäude sind fünf beziehungsweise vier Geschosse hoch. Nach einem anfänglichen Wasser­einbruch in der Baugrube und der Sanierung einer versteckten Altlast, die den Zeitplan drei Monate zurückwarfen, verliefen die Bauarbeiten ohne nennenswerte Probleme. Mit dem ­gewählten GU-Modell konnte unter dem Kostenvoranschlag abgeschlossen werden.

Qualität zum Budgetpreis
Die Treppenhäuser sind in Sichtbeton ausgeführt, doch die Schwere des Materials wird von interessanten Details aufgehoben. So sind etwa die sanft geschwungenen Innenkanten der Treppenpodeste wenige Zentimeter von der Wand abgesetzt, was einen Schwebeeffekt evoziert. Der Innenausbau der Wohnungen macht deutliche Anleihen bei den 1920er Jahren: Die Wandschränke sind mit filigranen T-Griffen ausgestattet, die sechseckigen Fliesen in der Diele kontrastieren mit dem Eichenparkett ­in den Zimmern. Die bodentiefen Fenster ­bringen trotz Verdichtung viel Licht in die ­Räume. «Unsere Bewohner sind sehr zufrieden mit der Bauqualität», sagt Geschäftsführer ­Samuel Steiner. Und bemerkt, der Generalunternehmer habe das Projekt oft als «Bentley» bezeichnet.
Diese Bentley-Qualität ist für ausgewählte Gruppen zu Mitteklasswagen-Preisen erhältlich, denn eine Besonderheit der Siedlung sind die Budgetzimmer. Mieterinnen und Mieter, die die Belegungsvorschriften und Einkommensgrenzen erfüllen, erhalten damit zusätzlichen Wohnraum. «Man zahlt beispielsweise denselben Zins wie für eine 3 ½-Zimmer-Wohnung, bekommt aber vier Zimmer», erläutert Samuel Steiner. Umgesetzt wird dies mit einer Leichtbauwand, die das zusätzliche Zimmer vom normalen Wohnzimmerbereich abtrennt. Gerade für Familien mit mehreren Kindern oder Wohngemeinschaften ist dies eine interessante Option. Und falls dereinst andere Grundrisse gefragt sind, lässt sich die Wand einfach rückbauen.

Wie schon in der früheren Siedlung gibt es im neuen Eyhof zahlreiche halbformelle Wege.

Die unteren Geschosse sind als Betonkonstruktion ausgeführt, die oberen als tragender Holzbau.

Gefragtes Nichtraucherhaus
Die Nachfrage für die Budgetwohnungen war sehr gross. Die Baugenossenschaft Schönheim setzt dieses Konzept deshalb bei allen Neubauprojekten um; andere Genossenschaften tun ­es ihr gleich. Ein Problem gebe es jedoch, sagt ­Genossenschaftspräsident Roland Verardo: «Grosse Familien, für die wir die 6-Zimmer-Wohnungen gedacht haben, können sich den Zins trotz Kostenmiete kaum leisten.» Beim Erstbezug wurde deshalb eine der grössten Wohnungen an die Rafael-Schule vermietet, die Jugendliche mit besonderem Entwicklungsbedarf an das selbständige Wohnen heranführt. Eine weitere Einheit dient als Generationenwohnung für Eltern, Kind und Gross­eltern.
Während man bei der Vergabe von Budget­wohnungen die Kriterien der Wohnbauförderung anwendet, wird ein Teil der regulären Wohnungen bewusst an mittelständische ­Familien vergeben. «Bei dieser Durchmischung geht es nicht nur darum, ob die Leute ihre ­Miete komfortabel bezahlen können. So haben wir auch genügend Nachwuchs für unsere Gre­mien», erklärt Roland Verardo. Während in Fachkreisen vor allem die Budget­wohnungen Aufmerksamkeit weckten, beschäftigte das breite Publikum ein an­deres Thema: Eines der drei ­neuen Häuser ist komplett rauchfrei. In der Praxis funk­tioniere diese Vorgabe leidlich gut, wie Samuel Steiner sagt: «In den Wohnungen und auf den Balkonen wird nicht geraucht, das war das Ziel. Wir schauen jetzt einmal, wie sich das Konzept bewährt.»

Keine Kippfenster
Die frühere Gasheizung wurde durch dezen­trale Wärmepumpen mit Erdsonden abgelöst. Diese liefern sowohl Warmwasser als auch Heizwärme. Der notwendige Strom stammt von der siedlungseigenen PV-Anlage. Diese ist für möglichst hohen Eigenverbrauch konzipiert, Überschüsse werden ins Netz eingespeist. Ein Batteriespeicher wurde erwogen, aber aus Platz- und Preisgründen verworfen. Für die kontrollierte Wohnungslüftung ist ein zentraler Monoblock im Kellergeschoss installiert. Die Wohnungen sind mit einzelnen Steigleitungen erschlossen und besitzen eine dreistufige Regelung. Ein kleines, aber wichtiges Detail sind die Fenster: Sie lassen sich nicht kippen. «Damit haben wir schon in einigen anderen Projekten gute Erfahrungen gemacht», sagt Architekt ­Tobias Lindenmann. Die Energievergeudung durch geöffnete Kippfenster könne so verhindert werden; zudem sei das erwünschte Stosslüften gleichsam baulich vorgespurt.
Die drei neuen Baukörper sowie deren Eingänge sind auf den zentralen Platz ausgerichtet. «Hier haben wir einen grossen Teil der früheren halböffentlichen Grünflächen konzentriert und der Siedlung einen Schwerpunkt gegeben», erläutert Tobias Lindenmann. Wie schon in der früheren Siedlung gibt es auch im neuen Eyhof zahlreiche halbformelle Wege. Auf diesem Netz gelangen Kinder ohne Strassen­querungen in die Schule, zudem ermöglicht es Verbindungen über die Parzellengrenze hinaus. Die Umwandlung der Eyhofstrasse in eine Begegnungszone ist ein weiterer Beitrag zu ­einem entspannten Wohnumfeld.

Baudaten

Bauträgerin:
Baugenossenschaft Schönheim, Zürich
Architektur:
Adrian Streich Architekten AG, Zürich
Landschaftsarchitektur:
Schmid Landschaftsarchitekten GmbH, Zürich
Generalunternehmer:
HRS Real Estate AG, Zürich
Unternehmen (Auswahl):
Emch AG (Baumeister)
Strabag AG (Holzbau)
Elementwerk Istighofen (Betonelemente)
4B Fenster & Fassaden (Fenster)
Elibag - Elgger Innenausbau AG (Küchen)
Schindler Aufzüge AG (Aufzüge)
Helion Solar AG (Photovoltaikanlage)
Umfang:
90 Wohnungen, 1 Kinderhort (40 Plätze),
7 Separatzimmer, 1 Pflegewohngruppe
(10 Bewohner), 5 Bastelräume, 34 Tief­garagenplätze

Baukosten (BKP 1–5):
48,3 Mio. CHF
5021 CHF/m2 HNF (inkl. Parkierung)
Mietzinsbeispiele:
2 ½-Zimmer-Wohnung (66–75 m2):
1220–1440 CHF plus 150 CHF NK
3-Zimmer-Budgetwohnung (69–72 m2):
1280­–1360 CHF plus 150 CHF NK
3 ½-Zimmer-Wohnung (80–97 m2):
1470–1860 CHF plus 170 CHF NK
4 ½-Zimmer-Wohnung (103–122 m2):
1970­–2390 CHF plus 200 CHF NK
5-Zimmer-Budgetwohnung
(107–121 m2): 1920–2270 CHF
plus 200 CHF NK
5 ½-Zimmer-Wohnung (124 m2):
2340–2360 CHF plus 220 CHF NK
6-Zimmer-Budgetwohnung
(119–123 m2): 2200–2300 CHF
plus 220 CHF NK

Ersetzen und erhalten

Die Baugenossenschaft Schönheim wurde 1945 gegründet. Um die Jahrtausendwende besass sie rund 500 Wohnungen aus den 1950er Jahren. Im Vorstand machte man sich ab 1999 Gedanken, wie dieser Bestand verjüngt werden könnte. Ziel war es laut Präsident Roland Verardo, nicht nur Neubauten zu erstellen, sondern auch Bestehendes zu erhalten. Im Fall der 1950 erstellten Siedlung Eyhof mit 111 Wohnungen wurden beide Ziele erreicht. Total 48 Wohnungen wurden rückgebaut und mit 90 neuen Ein­heiten ersetzt. Die Ausnützung der Parzellen stieg dadurch von 41 auf 115 Prozent. Das Maximum von ­130 Prozent wurde bewusst nicht ­ausgereizt.
Die verbleibenden 63 Einheiten der ­Eyhof-Siedlung hat die Genossenschaft aufwendig saniert. Die Wohnungen erhielten komplett neue Eingangsbereiche, Küchen und Bäder sowie eine neue Heizwärmeversorgung und Warmwasseraufbereitung (Erdsonden und Wärmepumpen). Ebenso wurde die Dämmung auf den aktuellen Stand gebracht. Der Investitionsbetrag pro Wohnung belief sich auf rund 185 000 Franken, was weitere 25 bis 30 Jahre Nutzung erlauben dürfte.