Thomas Elmiger,
Rechtsdienst
thomas.elmiger@wbg-schweiz.ch
Wenn Baugenossenschaften Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, kommen in erster Linie direkte kurzfristige Mietverträge mit dem Benutzer oder der Benutzerin oder eine Gebrauchsleihe in Frage.
2023/02
Die Digitalisierung und der Wunsch nach flexibleren Arbeitsplatzmodellen haben in den letzten Jahren – insbesondere auch im Nachgang zur Coronapandemie – stetig zugenommen. Co-Working-Spaces stellen eine mögliche Form solcher flexibler geteilter Arbeitsplätze dar. Dabei stellen Co-Working-Anbieter neben den jeweiligen Arbeitsplätzen auch sämtliche Infrastruktur wie zum Beispiel das WLAN, einen Drucker oder Scanner und allenfalls Besprechungsräume zur Verfügung.
Rechtliche Ausgestaltung
Die rechtliche Ausgestaltung hängt zunächst davon ab, ob die Überlassung der Arbeitsplätze entgeltlich oder unentgeltlich erfolgen soll. Damit verbunden ist die Frage, ob es in erster Linie darum geht, einen Gewinn zu erzielen, oder ob die Zurverfügungstellung nur kostendeckend sein muss. Steht die Gewinnerzielung im Vordergrund, gibt es vor allem zwei gängige Konzepte für die Vermietung von Co-Working-Spaces: die Hauptmiete eines Betreibers bei gleichzeitiger Untermiete der Benutzerinnen und Benutzer oder den Managementvertrag, wobei der Eigentümer der Co-Working-Spaces am Gewinn partizipiert.
Bei Genossenschaften kommen diese beiden Modelle in der Regel nicht in Frage, da sie keine Gewinnmaximierungsabsichten haben. Ihnen bieten sich vielmehr zwei andere Möglichkeiten an: ein direkter kurzfristiger Mietvertrag mit dem Benutzer oder der Benutzerin oder die Gebrauchsleihe der Co-Working-Spaces. Der wesentliche Unterschied zwischen der Miete und der Gebrauchsleihe besteht in der Unentgeltlichkeit der letzteren.
Mietrechtliche Vorgaben beim Mietvertrag mit dem Benutzer
Beim direkten Mietvertrag mit dem Benutzer stellt sich die Frage, ob die besonderen Bestimmungen zur Wohn- und Geschäftsraummiete, namentlich der Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen und der Kündigungsschutz, zur Anwendung kommen.
Der Vertrag betreffend Co-Working-Spaces ist kein reiner Mietvertrag, da die Gebrauchsüberlassung im Gegensatz zu der als Dauerverhältnis gedachten Wohnungs- oder Geschäftsraummiete lediglich vorübergehend – teilweise auf Stundenbasis – gewährt wird. Der Vertrag über Co-Working-Spaces unterscheidet sich dementsprechend vom reinen Mietvertrag in Natur und Umfang der Leistung. Es handelt sich um einen Innominatkontrakt mit Elementen verschiedener Vertrags-typen (Miete, Werkvertrag, Auftrag). Die Entgegennahme der Reservation ist dem Auftragsrecht zuzuordnen, die Zurverfügungstellung des WLAN und eines Druckers entspricht am ehesten dem Werkvertragsrecht, während die Benützung der Räumlichkeiten (Arbeitsplatz) und der Einrichtung (Stuhl) vom Mietrecht erfasst wird. Es gelten in erster Linie die konkreten Absprachen nach Massgabe ihres Wortlautes oder des Ergebnisses ihrer Auslegung nach dem Vertrauensprinzip.¹
Bei der Miete ist zu beachten, dass der Kündigungs- und Mietzinsschutz wohl dann zur Anwendung käme, wenn die Miete eines Raums dauerhaft ist. Gemäss vereinzelter Rechtsprechung gilt etwa die «Stuhlmiete» bei einem Coiffeursalon² im Sinne der Miete eines Arbeitsplatzes als Raummiete. Vor diesem Hintergrund dürfte ein ausgestatteter Arbeitsplatz innerhalb einer Bürofläche beziehungsweise in einem Geschäftsraum bei dauerhafter Vermietung eine Geschäftsraummiete darstellen und damit den Regeln betreffend Missbrauchsschutz unterstellt sein. Die Dauerhaftigkeit der Miete entspricht aber bei Co-Working-Spaces nicht dem Regelfall.
Eine analoge Anwendung der Kündigungs- und Mietzinsschutzbestimmungen ist bei kurzfristigen und auf Abruf getätigten Mieten von Co-Working-Spaces abzulehnen. Flächen werden meist nicht dauerhaft und nur auf Abruf gemietet, weshalb die Schutzkomponente entfällt.3 Zum anderen dürften die Ausweichmöglichkeiten (Arbeitsplätze in Cafés oder Bibliotheken) grenzenlos sein, weswegen die Schutzbedürftigkeit von Benutzerinnen und Benutzern entfällt.
Gebrauchsleihe
Bei Genossenschaften dürfte mangels Gewinnerzielungsabsicht die Gebrauchsleihe von Co-Working-Spaces im Vordergrund stehen. Die für die Gebrauchsleihe charakteristische Unentgeltlichkeit bedeutet nicht, dass dem Benutzer nichts in Rechnung gestellt werden darf. Aus dem Gebrauchsrecht ergibt sich, dass der Entlehner die mit dem Gebrauch der Sache verbundenen Kosten selbst zu tragen hat.
Konkret bedeutet dies, dass die Genossenschaft eine Entschädigung für die Benutzung des WLAN sowie des Druckers verlangen kann. Kündigungsschutz und Erstreckungsmöglichkeiten gibt es bei der Gebrauchsleihe keine beziehungsweise ist eine analoge Anwendung der mietrechtlichen Vorschriften nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ausgeschlossen.4