Rubrik: Recht

Neuerungen bei der gemein-schaftlichen Stromproduktion

Das neue Energierecht, das auf den 1. Januar 2018 in Kraft getreten ist, legt die rechtlichen Rahmenbedingungen für Eigenverbrauchs-gemeinschaften (EVG) fest. Worauf ist zu achten?

Im neuen Energiegesetz verschmelzen die an eine Photovoltaikanlage (PVA) angeschlossenen Strombezüger zu einem einzigen Endverbraucher.¹ Daher misst der Netzbetreiber den gelieferten beziehungsweise von der EVG produzierten Strom nur noch an einem Messpunkt. Über alle Vorgänge, die hinter diesem Messpunkt erfolgen, müssen sich die Beteiligten vertraglich einigen. Die Eigenverbraucher organisieren sich demnach in einem Zusammenschluss und stehen nicht mehr in einer direkten Rechtsbeziehung zum Netzbetreiber. Dieser hält sich an den Eigentümer der PVA. Die Errichtung einer EVG ist notwendig, da die Konsumenten über Kündigungsmöglichkeiten verfügen.
Dabei stellen sich juristische Fragen im Hinblick auf die Rechtsform, die ­Haftung wie auch die Auflösung der EVG. Grundlegend ist, dass die Genossenschafter/Mieter in den Statuten verpflichtet werden, der EVG beizutreten sowie den produzierten Strom zu ­beziehen.

Die Ausgestaltung der ­Vertrags­lösung
Neu ist, dass die Mieter bei der EVG ihren gesamten Verbrauch von elektrischer Energie als Nebenkosten bezahlen.² Da die Genossenschaft selber durch den Verbrauch des Allgemeinstroms auch als Konsumentin zu gelten hat, ist auch sie Mitglied der EVG.
Die PVA verbleibt im Eigentum der Genossenschaft, weswegen diese im Falle einer Werkeigentümerhaftung³ für einen allfälligen Schaden einzustehen hat. Bei einer Vertragslösung liegt es auf der Hand, dass die Genossenschaft als Eigentümerin der Anlage den Zusammenschluss nach aussen vertritt. Die Vertretung der EVG nach aussen, die Art und Weise der Messung des internen Verbrauchs und der Datenbereitstellung, die Verwaltung und Abrechnung sowie das vom Verteilnetzbetreiber bezogene Stromprodukt und die Modalitäten für den Wechsel des Stromprodukts müssen schriftlich festgehalten werden.⁴
Die Stromkosten müssen nach einem verbrauchsabhängigen Verteilschlüssel überwälzt werden.⁵ Es empfiehlt sich daher, den individuellen Energieverbrauch mit sogenannten Smartmetern zu messen. Die Wahl des beim Netzbetreiber bezogenen Stromprodukts wird zunächst in aller Regel durch die Vermieterin vorgegeben. Möglich ist aber, nach einer internen Beschlussfassung den Stromlieferanten zu wechseln.

Rechtsform
Gesetz und Verordnung lassen die Rechtsform des Zusammenschlusses offen. Mangels anderer Abmachung dürfte die EVG als einfache Gesellschaft⁶ zu qualifizieren sein, da sie eine Vereinigung mehrerer Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks mit gemeinsamen Mitteln darstellt.

Fortsetzung der Gesellschaft bei Austritt
Nach Art. 545 Abs. 1 Ziffer 6 OR wird eine einfache Gesellschaft aufgelöst, wenn auch nur ein Gesellschafter ausscheidet. Da die EnV⁷ beim Strombezug Kündigungsmöglichkeiten vorsieht und es zudem zu Mieterwechseln beziehungsweise Austritten oder Ausschlüssen kommen kann, ist daher die Aufnahme einer Fortsetzungsklausel in den Gesellschaftsvertrag notwendig. Die EVG wird in diesem Fall unter den verbleibenden beziehungsweise den neu aufgenommenen Gesellschaftern fortgeführt.

Haftung für Stromkosten
Die nach Art. 544 Abs. 3 OR vorgesehene Solidarhaftung der Beteiligten lässt sich vertraglich sowohl im Innenverhältnis unter den Gesellschaftern als auch im Aussenverhältnis mit dem Stromlieferanten ausschliessen.

Beendigung der Beteiligungn am Zusammenschluss
Mit Beendigung des Mietvertrags scheiden die Mieterinnen und Mieter als Beteiligte am Zusammenschluss aus. Im laufenden Mietverhältnis können sie ihre Beteiligung nur beenden, wenn sie als Grossverbraucher Zugang zum freien Strommarkt haben⁸ und davon Gebrauch machen oder wenn der Vermieter seine Pflicht zur ausreichenden Stromversorgung oder die Vorgaben zur Überwälzung der Stromkosten verletzt.⁹

Vorgehen bei Einführung in bestehende Mietverhältnisse
Die Neubildung einer EVG stellt aus mietrechtlicher Sicht eine Vertragsänderung dar, die mit der Einführung neuer Nebenkosten verbunden ist. Diese muss frist- und termingerecht mit amtlichem Formular angezeigt und begründet werden. Abweichend vom Mietrecht erlaubt das Energiegesetz den Mietern, diese Vertragsänderungen im Rahmen der Neueinführung abzulehnen und sich dafür zu entscheiden, den Strom weiterhin ausschliesslich beim Netzbetreiber zu beziehen.¹⁰ Falls nach der Errichtung der EVG auf ein anderes Stromprodukt gewechselt werden soll, muss dies den Mietern mit amtlichem Formular angezeigt werden.

  1. Vgl. Art. 18 Abs. 1 des Energiegesetzes (EnG; SR 730.0)
  2. Vgl. Art. 6b der Verordnung vom 9. Mai 1990 über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäfts­räumen (WMWG; SR 221.213.11) sowie Art. 16 der Energieverordnung (EnV; SR 730.01)
  3. Vgl. Art. 58 OR
  4. Vgl. Art. 16 Abs. 5 EnV
  5. Vgl. Art. 17 Abs. 1 EnV
  6. Vgl. Art. 530 ff. OR
  7. Vgl. Art. 16 Abs. 4 EnV
  8. Art. 16 Abs. 5 EnV
  9. Art. 16 Abs. 1 EnV
  10. Vgl. Art. 17 Abs. 3 EnG

Thomas Elmiger,

Rechtsdienst

044 360 28 42
Mo–Do 8:30–11:30 Uhr