Rubrik: Recht

Stolpersteine der Zahlungsverzugskündigung

Die Vermieterin hat ein ausserordentliches Kündigungsrecht, wenn ein Mieter im Rückstand mit der Mietzinszahlung ist. Dabei müssen aber alle relevanten Fristen penibel eingehalten werden.

Befindet sich ein Mieter mit der Mietzinszahlung im Rückstand, steht der Vermieterin von Gesetzes wegen ein ausserordentliches Kündigungsrecht zu, und zwar unabhängig davon, ob das Mietverhältnis befristet, unbefristet oder erstreckt ist.
Damit wird der Vermieterin ein effizientes Mittel in die Hände gelegt, ein Mietverhältnis innert kürzester Zeit zu beenden, ohne dass die Mieterschaft ein Recht auf Erstreckung hat. Entsprechend sind die Voraussetzungen sehr streng, und bereits kleine Fehler führen zur Nichtigkeit der Kündigung.

Zahlungsrückstand
Als Erstes wird vorausgesetzt, dass sich ein Mieter mit der Bezahlung ausstehender Monatsmietzinse (ganz oder teilweise) oder Nebenkosten tatsächlich in Verzug befindet. In der Zahlungsaufforderung ist dem Mieter genau anzuzeigen, welche Mietzinse nicht bezahlt wurden und wie hoch der ausstehende Betrag ist (zum Beispiel «Mietzins für September und Oktober 2017, 2844 Franken»).

Zahlungsfristansetzung/Kündigungs- und Ausschlussandrohung
Sobald sich ein Mieter in Zahlungsverzug befindet, kann die Vermieterin ihm schriftlich eine dreissigtägige Zahlungsfrist setzen. Zusätzlich muss sie ihm die Kündigung im Abmahnschreiben androhen. Ist der Mieter Genossenschafter, so sollte ebenfalls der Ausschluss aus der Genossenschaft angedroht werden.

Die List mit der Frist
Da sich die Kündigung nach Art. 257d OR sehr streng an Fristen halten muss, stellt sich die Frage, wann die dreissigtägige Frist beginnt und wann sie endet. Dies insbesondere dann, wenn die per Einschreiben versandte Zahlungsfristansetzung bei der Post nicht abgeholt wird. Bei der Fristansetzung wie auch bei der Kündigung handelt es sich nämlich um empfangsbedürftige Willenserklärungen. Dies bedeutet, dass die Erklärung erst Wirkung entfaltet, wenn sie in den Zugriffsbereich des Empfängers eintrifft.¹

Eingeschränkte Empfangstheorie
Wann die Zahlungsfristansetzung in den Machtbereich des Mieters gelangt, entscheidet sich nach der sogenannten eingeschränkten Empfangstheorie. Bei dieser Theorie stellt man nicht auf den Zeitpunkt ab, an dem die Mitteilung in die Machtsphäre des Empfängers gelangt ist beziehungsweise auf der Poststelle abholbereit wäre, sondern vielmehr auf den Tag, an dem der Mieter die Zahlungsaufforderung tatsächlich in Empfang genommen hat.²
Somit gilt bei einer eingeschriebenen Mitteilung, die nicht direkt zugestellt werden konnte, derjenige Tag als Empfangstag, an dem der Brief am Postschalter tatsächlich abgeholt wird. Wird das Schreiben vom Mieter auch innerhalb der Abholfrist nicht abgeholt, gilt sie als am letzten Tag der siebentägigen Frist in Empfang genommen.³ Wird die Kündigung vor Ablauf dieser Frist ausgesprochen, ist sie nichtig.

Beispiel
Die Vermieterin verschickt die Zahlungsaufforderung per Einschreiben am 10. Januar. Die Post legt dem Mieter am 11. Januar eine Abholungseinladung in den Briefkasten, weswegen die Abholfrist am 12. Januar zu laufen beginnt. Sollte der Mieter die Sendung bei der Post nicht abholen, gilt sie am 18. Januar als zugestellt. Die dreissigtägige Zahlungsfrist beginnt am 19. Januar, das heisst, nach Ablauf der siebentägigen Abholfrist, und dauert bis zum 17. Februar.

Kündigung: absolute Empfangs­theorie
Lässt der Mieter die Zahlungsfrist unbenutzt verstreichen, kann die Kündigung ausgesprochen werden. Im Gegensatz zur Zahlungsfristansetzung gilt bei der Kündigung für die Fristberechnung die absolute Empfangstheorie. Nach dieser Theorie gilt die Kündigung ab dem Zeitpunkt als zugestellt, ab dem erwartet werden kann, dass das Schreiben – nachdem eine Abholungseinladung in den Briefkasten gelegt wurde – bei der Post abgeholt werden kann. Somit gilt die Kündigung am Folgetag, nachdem die Abholungseinladung in den Briefkasten gelegt wurde, als zugestellt.⁴ Dieser Tag ist gleich­zeitig der erste Tag der Frist. Die
siebentägige Frist für die Abholung muss im Gegensatz zum Schreiben betreffend Zahlungsfristansetzung nicht abgewartet werden.

Fazit
Wichtig ist bei Kündigungen wegen Zahlungsverzug eine Einzelfallbetrachtung. In vielen Fällen lohnt sich vorab eine Kontaktaufnahme mit dem Mieter, um allenfalls den Grund für die verspätete Zahlung zu erfahren.

  1. ZK OR HIGI, Vorbem. Zu Art. 266–266o N 38 ff.
  2. BGE 119 II 147; Mietrecht für die Praxis, 9. Auflage 2016 S. 967; MRA 2/12 S. 65 ff.
  3. BGE 127 I 31
  4. mp 2/11 S. 120; ZK OR HIGI, Vorbem. zu Art. 266–266o N 4; BG 4A_471/2013 in mp 1/14 S. 56

Nicole Schwarz,

Rechtsdienst

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