Feuerwehrkaserne als Quartiertreffpunkt und Bald auch Wohnort

Viktoria für alle

Gewerbetreibende, Restaurant, Flüchtlinge: Die ehemalige Feuerwehr Viktoria in Bern wird vielfältig genutzt. Dank einer neu gegründeten Genossenschaft soll künftig Wohnraum hinzukommen - und vielleicht auch ein Hotel. 

Von Lea Gerber | Bild: zVg | Dezember 2019

Im Hof der ehemaligen Feuerwehrkaserne im Berner Breitenreinquartier stehen aus ­alten Fensterläden gezimmerte Sitzgelegenheiten und Pflanztröge aller Couleur. Direkt an den Hof schliesst das Restaurant Löscher an. Es teilt sich mit der Kaffeebrennerei ­Adrianos eine grosszügige Halle, in der bis vor wenigen Jahren die Feuerwehrautos parkiert waren. Heute befindet sich hier der wohl wichtigste Dreh- und Angelpunkt des Quartierlebens im Norden der Stadt Bern.
«Löscher» und Kaffeebrennerei sind nur zwei der fast 30 Gewerbebetriebe und Quartierangebote, die vor gut vier Jahren hier eingezogen sind. Weitere Beispiele sind die Quartierwerkstatt, eine Handweberei, ein Elektro-Spezialitätenladen, eine Boxschule, die LeihBar oder Jugendräume. Was als ­Zwischennutzung begann, ist mittlerweile in ­Genossenschaftshand. Die Genossenschaft Feuerwehr Viktoria hat sich um die Übernahme des Areals beworben und bekam es im Baurecht. Seit Sommer 2019 sind nun alle Gewerbe- und Quartierbetriebe Mitglieder.
Was sich über die letzten Jahre aus dem Quartier heraus entwickelt hat, gilt es nun in eine dauerhafte Nutzung zu überführen. Das macht die Genossenschaft sorgsam und mit viel Fingerspitzengefühl. «Trotzdem ist es nicht einfach», sagt Vorstandsmitglied Tilman Rösler. Denn ein Teil des Gewerbes muss weichen. Die Stadt fordert auf dem Areal künftig mindestens 45 Prozent Wohnnutzung. Das bedingt einen teilweisen Abriss bestehender Gebäude für einen Neubau vorwiegend mit Wohnungen. Im Moment läuft ein partizipativer Prozess. Alle Mitglieder, das heisst die ansässigen Gewerbe- und Quartierbetriebe sowie am Wohnen interessierte Einzelpersonen, erarbeiten gemeinsam eine Vision, wie das Leben auf dem Areal weitergehen soll. Konkret geht es auch darum, welche Gewerbe- und Quartiernutzungen auf dem Areal weiterhin Platz finden und welche Art Wohnnutzung stattfinden soll. Und dann ist da noch eine weitere Idee: Der Verein Gastwerk möchte auf dem Areal ein Hotel eröffnen, das von Geflüchteten geführt wird.

Austausch und Wertschätzung
Ein paar Leute aus der Region Bern haben vor drei Jahren den Verein Gastwerk gegründet. Ihr Ziel: Arbeitsplätze für Menschen mit Migrationshintergrund schaffen und ihnen das Rüstzeug geben, um langfristig auf dem Schweizer Arbeitsmarkt Fuss zu fassen. Auf der Suche nach einem geeigneten Standort für das Hotelprojekt stiess der Verein auf die ehemalige Feuerwehrkaserne. Ob das Hotel hier wirklich umgesetzt werden kann, ist zurzeit noch nicht entschieden. Seit dem Sommer arbeitet aber bereits ein Geflüchteter für die Genossenschaft, und zwar als Hauswart und in der Reinigung. Auch startete Gastwerk im ­November vor Ort ein Take-away. «Der grosse Vorteil hier ist, dass die Angestellten in einem intensiven Austausch mit anderen Menschen sind und sich mitten in der Gesellschaft bewegen. Das ist bei den allermeisten Reinigungs- oder Kochjobs nicht der Fall», sagt Malika Véron, Geschäftsleiterin des Vereins Gastwerk.
Warum gelingt gerade hier dieses Mit­einander von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund? Tilman Rösler meint, es habe mit der Geschichte des Ortes zu tun. Zwischen 2015 und 2018 betrieb der Kanton Bern in den Räumen oberhalb des «Löschers» eine Kollektivunterkunft für asylsuchende Menschen. «Als sie geschlossen wurde, wehrte sich die Quartierbevölkerung dagegen», erinnert er sich. «Während dieser Zeit hat man sich im informellen Rahmen kennengelernt und Barrieren abgebaut», meint Malika Véron. Beide verweisen zudem auf die sehr unterschiedlich gelagerten Ange­bote auf dem Areal, die verschiedene Menschen anziehen. Inklusion beruht ja auf der Wertschätzung der Vielfalt. Und diese wird in der ehemaligen Feuerwehrkaserne nach wie vor grossgeschrieben.